Donnerstag, Mai 22

Eine Andacht gegen Homophobie sorgt in Lugano für Wirbel. Sie musste von einer katholischen in eine reformierte Kirche verlegt werden.

Es ist eine Premiere für das Tessin. Erstmals findet an diesem Donnerstag ein Gebetsabend für homo- und bisexuelle Menschen sowie ihre Familienangehörigen und Freunde statt, genaugenommen eine «Andacht gegen Homophobie». Organisiert wird diese «Mahnwache» – «Veglia di preghiera contro l’omobitransfobia» – von der katholischen Laienorganisation Azione Cattolica Ticino beziehungsweise einer Untergruppe namens «Offene Türen – Räume für Inklusion». Beteiligt sind die reformierte und die christkatholische Kirche – ein ökumenischer Anlass.

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Eigentlich hätte diese Andacht in der katholischen Basilika Sacro Cuore in Lugano nahe der Universität stattfinden sollen, ein ehrwürdiges Gotteshaus, in deren Krypta sich die Grabstätten der Tessiner Bischöfe befinden. Der dortige Pfarrer, Don Italo Molinaro, war einverstanden. Der Apostolische Administrator der Diözese Lugano, Bischof Alain de Raemy, gab seinen Segen, auch wenn die Kurie selbst nicht an der Organisation beteiligt ist, wie sie auf Anfrage präzisiert.

Doch kaum waren die Einladung und das Flugblatt für die Abendandacht aufgetaucht, organisierten sich die Gegner, welche sich nicht mit der Idee einer solchen Veranstaltung anfreunden konnten und schon gar nicht mit der Vorstellung, dass diese just in der Basilika Sacro Cuore stattfinden soll. «Wir halten die Wahl des Ortes für einen Anlass für unangemessen, der indirekt eine ideologische Vision vermittelt, nämlich diejenige der Gemeinschaft LGBTQIA+, die nicht mit der Lehre der katholischen Kirche, dem Evangelium und der Wahrheit vom Menschen vereinbar ist», heisst es in einer Petition an Bischof de Raemy.

«Erzkatholische Exponenten»

Die Initianten ihrerseits sprechen von wenigen «erzkatholischen Exponenten», welche den Anlass hätten torpedieren wollen; Tatsache aber ist, dass die Gegner ihr Hauptziel erreicht haben. Der Gebetsabend konnte nicht wie geplant in der Basilika Sacro Cuore stattfinden, sondern musste in die evangelisch-reformierte Kirche von Lugano verlegt werden.

Das Datum in der zweiten Maihälfte ist kein Zufall. Denn am 17. Mai findet jeweils der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (Idahobit) statt. Dieser Tag verweist auf den 17. Mai 1992, an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell Homosexualität als Krankheit aus ihrem Klassifikationssystem gestrichen hat.

Die religiösen Mahnwachen finden denn auch – wie viele andere Veranstaltungen – im Umfeld des 17. Mai statt. Insbesondere in Italien kennt man sie schon lange. In vielen Diözesen werden diese abgehalten, teilweise sogar unter der Leitung der örtlichen Bischöfe. Es geht darum, einen Anlass für gläubige Menschen zu schaffen, die sich unter anderem wegen ihrer sexuellen Orientierung aus ihren Pfarrgemeinden oder der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen, aber auch für Familienangehörige und Freunde der Direktbetroffenen. «Es ist ein Moment der Inklusion für alle Menschen, die unter Diskriminierung leiden», so die Veranstalter.

Verstoss gegen die kirchliche Wahrheit

Die Gegner, die sich als «Gruppe von Gläubigen in der Diözese Lugano» bezeichnen, legten mit einem langen Argumentarium nach. Die Tatsache, dass solche Anlässe in vielen Diözesen Italiens stattfänden, bedeute keineswegs, dass sie legitim seien: «Die katholische Tradition legitimiert nicht etwas, nur weil es in vielen Diözesen praktiziert wird», heisst es dort unter anderem. Es sei richtig, ausgegrenzten Personen mit Respekt und Würde zu begegnen, doch solche Anlässe bedeuteten einen Verstoss gegen die kirchliche Wahrheit und den Katechismus.

Eine ausführliche Replik von Azione Cattolica Ticino liess nicht lange auf sich warten. Es würden keine politisch-ideologischen Ziele verfolgt. Es gehe auch nicht darum, die Soziallehre und die Doktrin der katholischen Kirche oder gar das Sakrament der Ehe infrage zu stellen, sondern einfach nur darum, Menschen nahe zu sein, welche unter Ausgrenzung litten: «Wir wollen einfach nur beten.»

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