Bis jetzt müssen die Demokraten fast machtlos zusehen, wie Donald Trump und Elon Musk ihre Agenda umsetzen. Aber nun formiert sich ein Widerstand, der den Tech-Milliardär schmerzt: Im ganzen Land kommt es jedes Wochenende zu Demonstrationen vor Tesla-Filialen.

Nach ihrer Wahlniederlage im November verfielen die Demokraten in eine Schockstarre. Im Gegensatz zu 2016 stimmte dieses Mal eine Mehrheit der Amerikaner für Donald Trump. An seiner demokratischen Legitimität gibt es keine Zweifel. Zwei Monate nach seiner Amtseinsetzung wächst in den USA allerdings eine neue Widerstandsbewegung. Sie richtet sich nicht in erster Linie gegen den Präsidenten, sondern gegen seinen wichtigsten Berater und Geldgeber: den Tech-Milliardär Elon Musk.

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Jedes Wochenende versammeln sich Demonstranten im ganzen Land vor den Filialen des von Musk gegründeten Elektroautoherstellers Tesla. Wie in rund achtzig anderen Städten stellten sich auch in Rockville – einem nördlichen Vorort der Hauptstadt Washington – am Samstag ein paar hundert Protestierende vor einem Showroom entlang einer vielbefahrenen Strasse auf. Auf ihren Schildern stand «Hupe, wenn du Elon hasst», «Kaufe einen Tesla, füttere einen Faschisten» oder «Sag nein zu Swasticars!» – ein Spiel mit den englischen Wörtern für Hakenkreuz und Autos.

Meist friedlich, aber nicht nur

Bob Corlett steht nun bereits den zweiten Samstag in Rockville am Strassenrand. «Viele meiner Freunde sind einfach depressiv», erzählt der Geschäftsführer eines Personalvermittlers. «Sie haben das Gefühl, nichts tun zu können.» Schliesslich kontrollieren Trump und die Republikaner nicht nur das Weisse Haus, sondern auch beide Kongresskammern, und auch am Supreme Court gibt es eine konservative Mehrheit bei den Richtern. Aber die Proteste gegen Tesla träfen nun sehr effektiv eine «Schwachstelle», glaubt Corlett. Am vergangenen Samstag sei er nur mit einer Fahne zum Protest gekommen. «Am Montag brach der Aktienkurs von Tesla um 13 Prozent ein.» Nun habe er sich ein Schild gemacht. Darauf steht: «Den einzigen Betrug, den Trump gefunden hat, war Elon.» Mit einem Augenzwinkern fügt Corlett hinzu: «Ich hoffe, der Aktienkurs bricht am Montag nochmals um 20 Prozent ein.»

Mit seinem Schild spielt Corlett auf die von Musk kontrollierte Behörde für Regierungseffizienz (Doge) an. Diese ist federführend bei den derzeitigen Entlassungen von Zehntausenden von Bundesbeamten. Musk und Trump sprechen immer wieder davon, dass Doge bei der Überprüfung zahlreicher Behörden auf grosse Betrügereien im Umfang von vielen Milliarden Dollar gestossen sei. Unter Betrug scheinen sie dabei aber auch die Verwendung von Steuergeldern für linke Programme zu verstehen, die vom Kongress bewilligt worden sind.

Musk hatte Trump im Wahlkampf mit rund 300 Millionen Dollar unterstützt. Obwohl er nicht gewählt ist oder vom Senat bestätigt wurde, übt er nun grossen Einfluss auf die Regierungsgeschäfte aus. Er kümmert sich dabei nicht nur um den Staatsabbau, sondern mischt sich beispielsweise auch aktiv in die Aussenpolitik ein, indem er etwa bei den Bundestagswahlen in Deutschland die AfD unterstützte. «Diese Macht für nicht gewählte Leute wie Musk ist extrem gefährlich», glaubt Corlett. Und mit diesem Gefühl ist er offensichtlich nicht allein. Auch Jeffrey Weisner kam zur Kundgebung am Samstag. Er arbeite für eine Organisation, die Proteste «gegen das Trump-Regime» analysiere, erzählt er. «Diese Tesla-Proteste scheinen die grösste Energie zu entfalten.» Es nähmen Leute daran teil, die sonst nicht zu Demonstrationen gingen. «Musk ist offensichtlich wütend darüber, und das gibt ihnen zusätzliche Aufmerksamkeit.»

Kürzlich griff Musk die Aktivistin Valerie Costa an, die eine führende Stimme der landesweiten «Tesla Takedown»-Bewegung ist. «Costa begeht Verbrechen», schrieb Musk auf seinem Kurznachrichtendienst X. Es handle sich um eine friedliche Protestbewegung gegen Trumps «Tech-Oligarchie», schrieb Costa danach in einem Kommentar für den «Guardian». Aber die gehässigen Reaktionen von Musk und seinen Anhängern zeigten, dass ihre Kampagne funktioniere.

Während die Demonstration in Rockville ebenfalls friedlich blieb, kam es in den USA jüngst aber auch zu gewaltsamen Aktionen: Auf Tesla-Filialen wurde geschossen, Autos davor wurden in Brand gesetzt, und auch Ladestationen gingen an mehreren Orten in Flammen auf. «Wir sind zu hundert Prozent friedlich», betont indes Rob Wald, der die Kundgebung in Rockville organisierte. Die Gewalt sei kontraproduktiv. Musk versuche, die amerikanische Demokratie zu zerstören, und dagegen kämpften sie nun jedes Wochenende an: «Wir treffen Musks Brieftasche und wollen Tesla in den Konkurs treiben.»

Trump wird zum Werbebotschafter

So weit ist es noch nicht. Während die Tesla-Verkäufe in einigen europäischen Ländern um 50 Prozent einbrachen, gingen sie im Januar in den USA um 11 Prozent zurück. Nach Trumps Wahlsieg hatte sich der Wert der Tesla-Aktie mehr als verdoppelt. Doch diese Kursgewinne haben sich nun wieder in Luft aufgelöst. Derweil nimmt die Kritik gegen Musk und seine brachialen Methoden auch innerhalb der Regierung zu – zumindest hinter verschlossenen Türen. Trump hat deshalb erklärt, dass die Entlassungen von Bundesbeamten nicht mehr mit «der Axt», sondern mit «dem Skalpell» vollzogen werden sollten.

In der Auseinandersetzung mit der Protestbewegung stellte sich Trump diese Woche jedoch hinter Musk. Am Dienstag liess er sich von Musk vor dem Weissen Haus verschiedene Tesla-Modelle vorführen und kaufte dann eines, obwohl er selbst gar keine Autos fahren darf. «Es ist ein grossartiges Produkt», so rührte der Präsident die Werbetrommel für Tesla. Gleichzeitig kritisierte er die Proteste gegen Musk: «Er sollte nicht bestraft werden, denn er ist ein unglaublicher Patriot.»

Dass ein Produzent von Elektroautos zur Zielscheibe der Linken werden könnte und Trump diesen in Schutz nehmen würde, hätte noch vor kurzer Zeit wohl niemand für möglich gehalten. Allerdings zeigte ein Beispiel kürzlich auch, wie sehr sich Musk politisch radikalisiert hat. Der demokratische Senator Mark Kelly postete auf X kürzlich Bilder von einem Besuch in Kiew. Er schrieb in seinem Beitrag, warum es so wichtig für die USA sei, die Ukraine weiterhin zu unterstützen. «Sie sind ein Verräter», kommentierte Musk den Post. Wenig später verkaufte Kelly seinen Tesla: «Ich fühle mich wie ein rollendes Werbeplakat für einen Mann, der unseren Staat zerlegt und Menschen schadet. Tesla, du bist gefeuert!», schrieb der ehemalige Astronaut und Kampfpilot auf X.

Gemäss einer aktuellen Umfrage lehnen 60 Prozent der Amerikaner die Art und Weise ab, wie Musk derzeit Bundesbeamte entlässt. Corlett will deshalb auch am nächsten Samstag wieder vor der Tesla-Filiale protestieren. «Diese Woche sind mindestens doppelt so viele gekommen», sagt er. Und doppelt so viele hupten. «Für die bin ich gekommen, die vorbeifahrenden Leute, die frustriert sind und nicht wissen, was tun.» Auch von schlechtem Wetter will Corlett sich nicht abhalten: «Ich muss mir für den Fall noch ein wasserfestes Schild anfertigen.» Es mag noch keine ganz grosse Massenbewegung sein. Aber die samstäglichen Proteste geben Leuten wie Corlett zumindest das Gefühl, nicht völlig machtlos zu sein.

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