Montag, Oktober 7

Im Herbst 2021 erschiesst Alec Baldwin an einem Filmset versehentlich eine Kamerafrau. Eine erste Anklage gegen ihn wird fallengelassen. Nun steht er wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung vor Gericht.

Im Dezember 2021 sitzt der amerikanische Schauspieler und Produzent Alec Baldwin zur besten Sendezeit bei «ABC News». 45 Minuten lang sitzt er dort, in Schwarz gekleidet, mit Augenringen. Er will erklären, was aus seiner Sicht zwei Monate zuvor am Set seines Westernfilms «Rust» geschah. Baldwin weint. Und sagt: «I didn’t pull the trigger» – «Ich habe nicht abgedrückt».

Am 21. Oktober kam es am Filmset von «Rust» auf der Bonanza Creek Ranch in New Mexiko zu einem tragischen Vorfall. Baldwin, der gleichzeitig Mitproduzent und Protagonist dieses Films ist, übte eine Szene. Baldwin zückte einen Revolver und zielte in Richtung der Kamera. Baldwin streitet ab, dass er den Abzug des Revolvers betätigt hat. Doch Fakt ist: Es löste sich ein Schuss. Und die Pistole war mit echter Munition geladen. Die Frau hinter der Kamera, die 41-jährige Halyna Hutchins, wurde durch die Kugel tödlich verletzt. Der Regisseur des Films wurde an der Schulter getroffen.

In diesen Tagen muss sich Alec Baldwin vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft in Santa Fe im amerikanischen Gliedstaat New Mexiko klagt ihn wegen fahrlässiger Tötung an. Viele zentrale Fragen sind ungeklärt. Die wahrscheinlich wichtigste: Hat Baldwin den Abzug betätigt oder nicht? Aber auch: Wie kam die echte Munition überhaupt in den Revolver? Wie stand es um die Sicherheit am Set? Und hat sich Baldwin ausreichend mit den Sicherheitsvorkehrungen beschäftigt?

18 Monate Haft für die Waffenexpertin

Mit diesen Fragen werden sich Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Jury in den nächsten Tagen beschäftigen. Am Dienstag wurden die zwölf Geschworenen ernannt. Laut der Richterin Mary Marlowe soll der Prozess bis zum 19. Juli dauern. Baldwin und seine Anwälte plädieren auf «nicht schuldig».

Der Fall hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren in der Filmwelt und über diese hinaus für grosse Aufmerksamkeit gesorgt. Alec Baldwin stand im Zentrum von alledem. Als er im Dezember 2021 das Interview bei «ABC News» gab, war dies ein verzweifelter Versuch, seine Karriere als Schauspieler zu retten. Und tatsächlich hatten viele Menschen zunächst Mitleid mit ihm.

Doch genau dieses Interview wurde ihm später zum Verhängnis. Ein Gutachten des FBI ergab, dass sich ein Schuss aus dem Revolver nicht ohne Betätigung des Abzugs gelöst haben könne. Sprich: Baldwin muss geschossen haben. Im Januar 2023 gab es eine erste Klage gegen ihn. Baldwins Anwälte wehrten sich, es seien weitere Untersuchungen und forensische Analysen erforderlich. Die Klage wurde fallengelassen. Im Januar dieses Jahres klagte die Staatsanwaltschaft Baldwin erneut an, mit einem neuen Gutachten.

Gleichzeitig wurde in dem Fall ein zweites Verfahren eröffnet, gegen die 26-jährige Hanna Gutierrez-Reed, die Waffenverantwortliche am Filmset von «Rust». Die Staatsanwaltschaft warf ihr vor, die Patronen bei der Ladung des Revolvers nicht ordnungsgemäss geprüft zu haben. Sie hätte merken müssen, dass es sich um echte Munition handelte, so die Staatsanwaltschaft. Im März wurde Gutierrez-Reed wegen fahrlässiger Tötung zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Miserable Zustände am Set

Der Prozess gegen Gutierrez-Reed machte deutlich, dass an dem Filmset von «Rust» vieles falsch lief. Das Budget für den Western war verhältnismässig klein, 7,8 Millionen Dollar kostete die Produktion. Für Sicherheitsvorkehrungen blieb wenig Zeit und wenig Budget. Die Anwälte von Gutierrez-Reed argumentierten, sie sei zum Sündenbock eines tragischen Unfalls gemacht worden. Gutierrez-Reed selbst habe zwei Jobs gemacht. Neben ihrer Rolle als Waffenverantwortliche war sie zudem als Requisiteurin zuständig. Sie sei überlastet gewesen.

Im Gerichtsfall gegen Baldwin wollte die Staatsanwaltschaft auch dessen Rolle als Mitproduzent des Films vorbringen. Sie argumentierte, Baldwin habe in dieser Aufgabe Sicherheitsauflagen missachtet oder Druck auf andere Personen am Set ausgeübt. Das konnten Baldwins Anwälte verhindern. Nur seine Rolle als Schauspieler wird im Prozess relevant sein.

Dennoch: Wird er schuldig gesprochen, drohen Baldwin bis zu eineinhalb Jahre Gefängnis. Laut der «New York Times» kursieren Videos, wie er neben den Dreharbeiten mit seiner Waffe umherzeigte. Und wie er die Waffenverantwortliche drängt, den Revolver schneller zu laden. Kurz vor Prozessbeginn stritten sich Verteidigung und Anklage darüber, welche dieser Beweismittel vor Gericht zugelassen werden.

Baldwin selbst hat sich seit einigen Monaten nicht mehr zu dem Fall geäussert. Klar ist, dass er mit den Konsequenzen dieses tödlichen Schusses leben muss. Er verlor Jobs und musste Häuser verkaufen, um die Anwaltskosten zu bezahlen.

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