Dienstag, Januar 21

Vor sieben Jahren flog der Postauto-Skandal auf. Doch auch bei anderen Verkehrsbetrieben wurde mit öffentlichen Geldern getrickst. Ab heute stehen die Verantwortlichen in Luzern vor Gericht.

Luzern bereitet sich auf einen Prozess der Extraklasse vor. Wegen des zu erwartenden Publikumsandrangs finden die Verhandlungen nicht in den Räumlichkeiten des Kriminalgerichts, sondern in einem Viersternehotel statt. Aussergewöhnlich ist auch die Verhandlungsdauer, die sich über drei Tage erstreckt. Angeklagt sind fünf zum Teil ehemalige Kadermitglieder der Verkehrsbetriebe Luzern (VBL), unter ihnen der ehemalige Direktor und CVP-Kantonsrat Norbert Schmassmann. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen mehrfachen Betrug sowie Leistungs- und Abgabebetrug vor. Für die Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

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Ähnliche Prozesse dürften in absehbarer Zeit auch in den Kantonen St. Gallen und Bern stattfinden. Denn vor wenigen Tagen hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) die Voruntersuchung wegen mutmasslichen Subventionsbetrugs gegen ehemalige Verantwortliche von Bus Ostschweiz und der BLS an die jeweiligen kantonalen Gerichte überwiesen. Auch in Luzern ging die Anzeige vor fünf Jahren vom BAV aus.

Bedingte Freiheitsstrafen beantragt

Alle Fälle sind ähnlich gelagert. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, zum Teil über Jahre hinweg zu Unrecht überhöhte Subventionen von Bund und Kantonen erschlichen zu haben. Persönliche Bereicherung wird den Managern nicht vorgeworfen. Doch wird geklärt, ob sie sich strafbar gemacht haben.

Der VBL-Skandal in Luzern wurde im Februar 2020 bekannt. Damals deckte das BAV auf, dass die städtischen Verkehrsbetriebe den Verkehrsverbund Luzern (VVL) während mehrerer Jahre um Subventionen in der Höhe von rund 16 Millionen Franken betrogen hatten. Der VVL plant und finanziert den öffentlichen Verkehr im Kanton Luzern und wird mit Geldern aus der Staatskasse finanziert. Gemäss dem BAV wollten die VBL-Manager beweisen, dass man mit dem öffentlichen Verkehr Geld verdienen kann. Konkret alimentierten die VBL mit den kantonalen Geldern die Kasse der Stadt Luzern. Diese forderte nämlich die Ablieferung einer Dividende von jährlich einer Million Franken.

Der am Dienstag beginnende Prozess bezieht sich ausschliesslich auf die Fahrplanjahre 2018 und 2019. Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten laut einer Medienmitteilung vor, bewusst falsche Angaben gemacht zu haben. Die Deliktsumme beläuft sich auf insgesamt rund 2,1 Millionen Franken. Die Staatsanwaltschaft beantragt für alle Beschuldigten bedingte Freiheitsstrafen in der Höhe von 18 Monaten. Dies bei einer Probezeit von zwei Jahren.

Der Prozess in Luzern erregt nicht zuletzt deshalb erhöhte Aufmerksamkeit, weil es wohl das erste Mal ist, dass sich Verantwortliche von öffentlichen Verkehrsbetrieben in dieser Sache vor Gericht verantworten müssen. Zudem ist ein Teil der Angeklagten in der Branche sehr gut vernetzt. Der VBL-Chef Schmassmann, der 2021 in Pension ging, war von 2017 bis 2020 Präsident des einflussreichen Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe. Im Vorstand des Dachverbandes sass gleichzeitig Daniel Landolf, damals CEO von Postauto Schweiz.

Nach Erkenntnissen des BAV haben die Verkehrsbetriebe der Stadt Luzern die für den Subventionsbetrug missbrauchten Holdingstrukturen vor Postauto Schweiz eingeführt. Es habe sich um das Vorbild für einen Teil der Tricksereien bei Postauto Schweiz gehandelt. Schmassmann hat in seinen öffentlichen Stellungnahmen stets betont, in gutem Glauben gehandelt zu haben. Er verwies dabei jeweils auf die vom Bund 2012 überprüfte Verrechnungspraxis.

Finanziell ist die Angelegenheit inzwischen abgeschlossen. Die VBL und der VVL haben sich im März 2024 aussergerichtlich über die Rückzahlung der zu viel bezogenen Subventionen geeinigt. Die VBL AG hat die auf kantonaler Ebene zu viel bezogenen Subventionen in der Höhe von 14,6 Millionen Franken und rund 6,7 Millionen Franken Zinsen zurückbezahlt. Bereits im August hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die VBL 211 054 Franken an den Bund zurückzahlen müssen, die sie zwischen 2012 und 2017 zu viel bezogen haben.

Prozess gegen Postauto-Verantwortliche steht an

Das Bundesstrafgericht hat damit entschieden, dass die Holdingstruktur der VBL rechtlich nicht zulässig war. Zwischen 2010 und 2020 hatten die Verkehrsbetriebe illegal mit einer verschachtelten Holdingstruktur operiert. Es gab eine Muttergesellschaft und eine Tochtergesellschaft, die als Subventionsempfängerin für den Busbetrieb in der Agglomeration Luzern zuständig war. Die Muttergesellschaft stellte das dafür notwendige Rollmaterial und die Fahrerinnen und Fahrer zur Verfügung. Dabei stellte die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft nicht nur die effektiven Preise in Rechnung, sondern zusätzlich «kalkulatorische Zinsen» in der Höhe von 3 bis 4 Prozent.

In dem am Dienstag beginnenden Prozess wird es darum gehen, ob sich die Verantwortlichen auch im strafrechtlichen Sinne schuldig gemacht haben. Diese Beurteilung steht auch in der Postauto-Affäre noch aus. Im Mai 2024 hat das Bundesamt für Polizei (Fedpol) Strafbefehle gegen sieben ehemalige Mitglieder der Geschäftsleitung von Postauto Schweiz erlassen. Die Strafen umfassten bedingte Geldstrafen zwischen 56 000 und 420 000 Franken sowie unbedingte Bussen zwischen 12 000 und 60 000 Franken.

Alle sieben Beschuldigten haben eine Beurteilung durch das Strafgericht verlangt. Das Fedpol hat die Akten zuhanden des zuständigen Strafgerichts an die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern überwiesen. Wann dieser Prozess stattfinden wird, ist zurzeit noch offen. Man darf gespannt sein, ob die Berner Staatsanwaltschaft ebenso hartnäckig bleibt wie die Kollegen in Luzern. Das Urteil des VBL-Prozesses werden die Beteiligten der Postauto-Affäre auf jeden Fall mit Spannung erwarten.

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