Montag, November 25

Geld fürs Alter sparen ist nicht nur Pflicht, sondern auch eine Kunst, die stark von Psychologie geprägt wird. Mit einigen Spartricks geht man geschickter mit Geld um und baut langfristig Vermögen auf.

Die Neurowissenschaften haben längst gezeigt: Bei Entscheidungen denkt der Mensch weniger nach, als wir allgemein annehmen. Die meisten Entscheide fällt nicht der Kopf, sondern der Bauch bzw. das Unterbewusstsein. Auch Kaufentscheide werden grösstenteils unbewusst gefällt. Unbedachte Impulskäufe stehen aber im Widerspruch zum hehren Ziel vieler Menschen, Geld fürs Alter oder fürs Wohneigentum auf die Seite zu legen. Ökonomisch betrachtet ist Sparen eine Abwägung zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Konsumbedürfnissen. In der Realität ist Sparen oftmals auch einfach das, was Ende Monat auf dem Konto übrigbleibt.

«Sparen bringt ein Verlustgefühl mit sich»

Sebastian Ebert ist Professor für Volkswirtschaftslehre am Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Er sagt: «Sparen und der damit verbundene Verzicht bringen ein Verlustgefühl mit sich. Aus der Verhaltensökonomie wissen wir, dass Verluste etwa doppelt so intensiv empfunden werden wie Gewinne gleicher Höhe. Wenn Sie einen Konsum erwarten – etwa, weil er zur Gewohnheit geworden ist –, ist Konsumverzicht wie ein Verlust.» Sparen stelle ein klassisches Selbstkontrollproblem dar. Heute bedeute sparen Verzicht – die Belohnung komme erst später.

Ebert erklärt: «Es ist wie mit Sport oder gesunder Ernährung – wer die Willenskraft besitzt, wird langfristig profitieren. Diese Willenskraft ist bei allen Menschen begrenzt. Wer sein Sparen mit einfachen Regeln automatisiert, muss die Willenskraft nicht immer wieder aufs Neue mobilisieren.» Fakt ist: Vor allem den eher einkommensschwachen Haushalten in der Schweiz fällt das Sparen schwer. Sie zehren ihr Vermögen auf beziehungsweise verschulden sich. Gemäss dem Bundesamt für Statistik haben die Haushalte im untersten Einkommensfünftel mehr ausgegeben als sie eingenommen haben. In den Erhebungen 2006 bis 2008 belief sich dieses Defizit auf durchschnittlich 660 Franken pro Monat. 2015 bis 2017 war es leicht auf 686 Franken gestiegen. Dies entspricht einer negativen Sparquote von 21,9 Prozent.

Einkommensstarke Haushalte haben eine höhere Sparquote

Die einkommensstarken Haushalte im obersten Einkommensfünftel sparten von 2006 bis 2008 hingegen durchschnittlich 3415 Franken pro Monat, wobei sich dieser Betrag in den Jahren 2015 bis 2017 auf 4479 Franken erhöhte. Das entspricht einer Sparquote von 23,4 Prozent. Mit steigender Einkommensklasse nimmt also auch die Sparquote entsprechend zu. Wenig erstaunlich ist auch, dass die einkommensstarken Haushalte in der Schweiz überproportional viel sparen. Sowohl Einkommen und Sparquoten wie auch Vermögen haben in den letzten Jahren in der Schweiz zugenommen. Die Bevölkerung hierzulande spart mehr als die Einwohner der europäischen Nachbarstaaten.

Dennoch sind Hunderttausende Menschen in der Schweiz hoch verschuldet oder haben wenig Geld auf der hohen Kante. Im Jahr 2021 betrug der Median der Verschuldung gemäss Statistiken der Schuldenberatung Schweiz 41 500 Franken. Das bedeutet, dass die eine Hälfte höher verschuldet ist und die andere weniger hoch. Die 41 500 Franken sind der höchste Wert seit 2016 und entsprechen einer Zunahme um rund 7 Prozent. Am häufigsten sind Schulden bei Steuerämtern und Krankenkassen.

Psychologische Spartricks können solchen Menschen helfen, das oft unbewusste Verhalten in Bezug auf Konsum und ihre Finanzen zu verbessern und auch fürs Alter vorzusorgen.

Unser Gehirn reagiert stark auf Rabatte

Johanna Gollnhofer ist assoziierte Professorin für Marketing am Institut für Customer Insight an der Universität St. Gallen. Sie sagt auf die Frage, mit welchen Tricks Menschen ihren Konsumtrieb und das damit verbundene Belohnungsgefühl überlisten und mehr sparen können: «Besonders auf Rabatte reagiert unser Gehirn stark, und das Belohnungssystem wird aktiviert. Hier hilft es, sich nicht vom Kaufimpuls leiten zu lassen, sondern sich strikt an die eigene Einkaufsliste zu halten.» Sparen falle den meisten Menschen schwer, weil man sich damit aus der greifbaren Gegenwart in die abstrakte Zukunft begebe.

Auch Professor Jörn Basel von der Hochschule Luzern erforscht das Verhalten von Konsumenten. Er sagt: «Unser evolutionäres Erbe hat uns nicht dazu befähigt, sehr weit in die Zukunft zu planen. Wir sind sehr stark auf das Hier und Jetzt ausgerichtet. Eine umgehende Belohnung ist wichtiger als eine gute Altersvorsorge.»

Sparmotivation mit Belohnungssystemen

Sebastian Ebert rät sparwilligen Menschen: «Fokussieren Sie sich auf das Sparen im Alltag und die regelmässigen Ausgaben. Lassen Sie keine Gewöhnung entstehen, zum Beispiel an Coffee to go, Mittag im Restaurant, Streaming- oder Podcast-Abos, das Luxusprodukt im wöchentlichen Einkauf oder die unnötige Fahrt zur Arbeit mit dem Auto. Dann freuen Sie sich über die Ausnahme umso mehr und müssen beim Wochenendausflug auch kein schlechtes Gewissen haben.» Ausserdem sei es wichtig, die regelmässigen grossen Ausgaben zu hinterfragen, zum Beispiel die Kosten für das Wohnen, das Auto und Versicherungsverträge.

Johanna Gollnhofer sagt: «Man kann sich ein Belohnungssystem überlegen. Das heisst, wenn ein bestimmtes Sparziel erreicht wurde, gibt es eine Belohnung wie zum Beispiel ein schönes Abendessen oder etwas, was zu einem passt.» Und gemeinsam falle das Sparen auch einfacher. «Insgesamt funktionieren sogenannte ‹Challenges› für Menschen gut. Man sieht solche Wettbewerbe in unterschiedlichen Bereichen wie zum Beispiel im Sport mit 30-Tage-Wettkämpfen oder Entrümpelungswettstreiten. Somit kann man auch noch Spass bei der Sache haben.»

Und es gibt noch weitere erfolgversprechende Psycho-Tricks, um Geld auf die hohe Kante zu legen. Gollnhofer sagt: «Man kann sich vorstellen, dass, wenn man täglich auf den Starbucks-Café für 6 Franken verzichtet, pro Jahr 2190 Franken auf die Seite gelegt werden können. So wird aus einem kleineren Betrag eine grosse Summe.» Ebert fügt hinzu: «Generell sind Verhaltensweisen, die auf Routinen abzielen, effektiver als solche, die Einzelsituationen adressieren.»

Das Verzichtgefühl beim Sparen lasse sich kompensieren, indem man den Fokus auf die Zukunft und das Sparziel lenke – sei es ein Urlaub oder die Ausbildung der Kinder. Auch ein gemeinsames Sparziel verstärke durch das gemeinsame Erinnern und Darüber-Sprechen die Motivation.

Fazit: Geld zu sparen, erfordert nicht nur finanzielles Fachwissen und Disziplin, sondern auch ein Verständnis für die Mechanismen des eigenen (Konsum-)Verhaltens. Indem man sich klare Ziele setzt, Gewohnheiten und Automatismen nutzt und bewusst mit seinem Geld umgeht, kann man langfristig erfolgreich sparen.

Weil der Mensch jedoch ein Meister des Sich-selber-in-die-Tasche-Lügens ist, wie es Jörn Basel formuliert, gilt es, die klassischen Ausreden, um nicht sparen zu müssen, aus seinem Repertoire zu streichen. Beispiele wären: Ich lebe jetzt. Oder: In Zukunft verdiene ich mehr, dann spare ich. Oder: Dieses Angebot kommt nie wieder.

So werden Sie zum Sparfuchs

  • Ausgaben hinterfragen: Führen Sie regelmässig eine Ausgabenanalyse mit einem Budget durch (siehe Vorlagen unter: https://budgetberatung.ch/budgetvorlagen). Überlegen Sie nach Ausfüllen des Budgets, welche Ausgaben wirklich notwendig sind und worauf Sie verzichten können. 
  • Automatisches Sparen: Automatisches Sparen ist ein psychologischer Trick, der auf dem Prinzip der Trägheit basiert. Indem man bei seiner Hausbank automatische Überweisungen bzw. Daueraufträge einrichtet, wird das Sparen zu einer Gewohnheit, ohne dass man sich bewusst dafür entscheiden muss. So kann man zum Beispiel monatlich vom Lohnkonto Geld auf das Sparkonto überweisen lassen. Vom Sparkonto soll man dann mit der Debitkarte nichts abheben können. Dies kann helfen, die Versuchung zu umgehen, Geld für unnötige Ausgaben auszugeben.
  • Bargeld nutzen: Wer mit Bargeld bezahlt, gibt weniger Geld aus als wer Kreditkarten verwenden. Dies liegt daran, dass das physische Ausgeben von Bargeld eine stärkere emotionale Reaktion hervorruft, was zu einem bewussteren Ausgabeverhalten führt. Tipp: Heben Sie eine klar definierte Menge Bargeld für Ihre Ausgaben pro Woche ab, und lassen Sie die Kreditkarte zu Hause.
  • Belohnungssysteme nutzen: Die Aussicht auf eine Belohnung verstärkt positive Verhaltensweisen und macht das Sparen zu einer befriedigenden Erfahrung. Indem man sich selbst kleine Belohnungen setzt, wie zum Beispiel ein Abendessen, wenn man bestimmte Sparziele erreicht, kann man positive Verstärkung nutzen, um das Sparverhalten beizubehalten.
  • Budget erstellen: Ein Budget ist die Grundlage für einen gesunden Umgang mit Geld. Sie wissen danach genau, wie hoch Ihre Einnahmen und Ausgaben sind. Betrachten Sie Ihr Budget nicht täglich, sondern wöchentlich oder monatlich. Tägliche Schwankungen können emotional belastend sein und zu impulsiven Entscheidungen führen. Ein grösserer zeitlicher Abstand ermöglicht eine nüchternere Betrachtung Ihrer Finanzen.
  • Impulskäufe vermeiden: Bevor Sie einen Kauf tätigen, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, oder schlafen nochmals eine Nacht darüber. Überlegen Sie, ob Sie das Produkt wirklich benötigen oder ob es nur ein impulsiver Wunsch ist. Indem Sie impulsive Entscheidungen vermeiden, können Sie langfristig viel Geld sparen.
  • Soziale Unterstützung: Studien haben gezeigt, dass soziale Unterstützung ein wichtiger Faktor beim Erreichen von Sparzielen ist. Durch Gespräche über Sparziele und Fortschritte mit Freunden oder Familienmitgliedern bleibt man motiviert.
  • Sparziele setzen: Psychologisch gesehen motivieren konkrete Sparziele mehr als vage Vorstellungen. Bevor Sie mit dem Sparen beginnen, sollten Sie daher klare Sparziele definieren. So könnten Sie sich zum Beispiel vornehmen, im Jahr 2024 den maximal erlaubten Sparbetrag in die Säule 3a einzuzahlen und dafür einen monatlichen Dauerauftrag einrichten. Oder Sie erstellen ein separates Sparkonto für eine geplante Ferienreise und setzen sich zum Ziel, bis Ende Jahr 5000 Franken in monatlichen Tranchen von 417 Franken darauf vom Lohnkonto einzuzahlen. Der Geheimtipp für Ihren persönlichen Sparplan ist die Anwendung der sogenannten Smart-Methode, die vom Psychologen Edwin Locke formuliert wurde. Smart steht für spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und terminiert – prüfen Sie, ob Ihre Sparziele diese fünf Bedingungen erfüllen.
  • Sparziele visualisieren: Die Verwendung von visuellen Hilfsmitteln, zum Beispiel das Aufhängen eines Bildes des gewünschten Sparziels, kann dazu beitragen, die Motivation aufrechtzuerhalten und das Sparverhalten zu stärken. Dies basiert auf dem psychologischen Prinzip der positiven Verstärkung und kann helfen, langfristige Sparziele zu erreichen. Die regelmässige Sichtbarkeit erinnert Sie an Ihre Ziele und verstärkt Ihre Motivation, Geld zu sparen. Gewissen Menschen kann zum Beispiel auch ein Sparschwein helfen. Es erinnert visuell ans Sparziel.

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