Sonntag, April 20

Viele Amerikaner sind des Kriegs in der Ukraine überdrüssig. Dies wird von der russischen Propaganda im Internet gezielt geschürt. Die politische Polarisierung verhilft ihr dabei zum Erfolg: Moskaus Desinformation habe einen guten Teil ihrer Parteibasis «infiziert», sagen führende Republikaner.

Die Ukraine ist korrupt, der amerikanische Präsident Joe Biden zieht die USA in einen teuren Krieg mit Russland und schadet gleichzeitig mit seiner lockeren Einwanderungspolitik den Interessen der weissen Bevölkerung. Mit solchen und andern Botschaften wolle eine breite Desinformationskampagne des Kremls die öffentliche Meinung in Amerika und Europa beeinflussen, schrieb die «Washington Post» am Montag. Die Zeitung stützt sich dabei auf interne Strategiepapiere aus Moskau, die ihr von einem europäischen Geheimdienst zugespielt wurden.

Laut den Angaben verfolgen die russischen Propagandisten vor allem zwei Strategien. Einerseits kreieren sie auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder X kurzfristige Accounts, über die sie Falschinformationen verbreiten. Andrerseits betreiben sie Websites, die wie seriöse Nachrichtenportale oder Denkfabriken auftreten. Im November etwa verbreitete DC Weekly einen haltlosen Artikel über den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski. Dieser sei über Vertraute in den Kauf von zwei Luxusjachten verwickelt, der womöglich mit amerikanischen Hilfsgeldern finanziert wurde, hiess es darin.

Die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene teilte auf X einen Link, der zu den Gerüchten um Selenski auf einer anderen russischen Propaganda-Website führte. Dazu schrieb die brennende Trump-Anhängerin: «Jeder, der für die Ukraine-Hilfe stimmt, finanziert das korrupteste Geldkomplott aller ausländischen Kriege in der Geschichte unseres Landes.»

Ein erhöhter Anreiz zur Einmischung

Das russische Vorgehen überrascht kaum. Bereits während und nach der Annexion der Krim 2014 setzte Moskau eine Armee von Internetpiraten ein, um die Debatte im Westen zu beeinflussen. Vor den Präsidentschaftswahlen 2016 drangen russische Hacker in die Computer der Führung der Demokratischen Partei ein. Wikileaks veröffentlichte die dabei gestohlenen E-Mails später. Die teilweise heiklen Inhalte schadeten der Kampagne der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und halfen Donald Trump.

Bis zu seiner Revolte gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner mutmasslichen Liquidierung bei einem Flugzeugabsturz im vergangenen Jahr galt Jewgeni Prigoschin als wichtiger Drahtzieher hinter Moskaus Desinformation. Sein Erbe als «Zar der Trolle» hat nun womöglich Ilja Gambaschidse angetreten. Sein Name und seine PR-Firma tauchen in den Strategiepapieren des Kremls oft auf. Die USA verhängten kürzlich Sanktionen gegen ihn, wegen der Teilnahme an einer «anhaltenden und schädlichen ausländischen Kampagne».

Die russische Beeinflussung in den USA beschränkt sich derweil nicht nur auf Desinformation im Internet. Moskau verstärke seine Bemühungen, um in den Vereinigten Staaten junge und aufstrebende Meinungsmacher zu rekrutieren, schrieben die amerikanischen Geheimdienste im August warnend. Experten schliessen auch nicht aus, dass Russland versuchen könnte, die Präsidentschaftswahlen im Herbst wie 2016 mit Hackerangriffen oder der Verbreitung täuschend echter Deepfake-Aufnahmen zu beeinflussen. Bei den demokratischen Vorwahlen in New Hampshire im Januar erhielten einige Wähler automatisierte Telefonanrufe, in denen eine künstliche Biden-Stimme ihnen empfahl, nicht zur Urne zu gehen.

Moskau hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, die amerikanische Politik zu beeinflussen. «Aber der Anreiz, sich gerade jetzt einzumischen, ist erhöht», sagte Bret Schafer vom German Marshall Fund kürzlich dem Nachrichtensender NBC News. Gewinnen Biden und die Demokraten die Wahlen im November, kann Kiew wieder auf neue Militärhilfen hoffen. Siegen Donald Trump und die Republikaner, kann sich die Ukraine kaum mehr auf Washington verlassen.

Der «Putin-Flügel» der Republikaner

Im Gegensatz zu früheren Zeiten hat die russische Propaganda in den USA zudem leichtes Spiel. Die derzeitige politische Polarisierung bereitet der Desinformation einen fruchtbaren Nährboden. Rechte Trump-Republikaner wie die Abgeordnete Greene oder auch der Senator J. D. Vance operieren im Grunde als Sprachrohre des Kremls. Kritiker sprechen vom «Putin-Flügel» der Republikanischen Partei. Die Fraktion ist unter Trumps Führung in den vergangenen Jahren derart erstarkt, dass sie die Militärhilfe für die Ukraine im Repräsentantenhaus bis anhin erfolgreich blockieren kann.

Die prorussischen Sprachrohre in Politik und Medien verstärken Moskaus Propaganda in den USA und geben ihr Glaubwürdigkeit. Das wirkt sich auf das Weltbild vieler konservativer Wähler aus. Die russische Propaganda habe «einen guten Teil der Parteibasis infiziert», sagte der republikanische Kongressabgeordnete Michael McCaul kürzlich in einem Interview. Er ist der Vorsitzende des Aussenpolitischen Ausschusses im Repräsentantenhaus. Sein Parteikollege Michael Turner pflichtete McCaul bei. Durch russische Propaganda inspirierte Wortmeldungen seien auch im Parlament zu hören.

Die Grenzen zwischen der russischen Propaganda und der konservativen Bewegung verschwimmen zusehends in Amerika. Für Moskau geht ein Traum in Erfüllung.

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