Samstag, April 26

Donald Trump vertraut die kniffligsten Fragen der Weltpolitik seinem persönlichen Freund an. Der Immobilienmogul Witkoff verzichtet auf Fachkenntnis und vertraut auf seine Intuition. Wladimir Putin kann das nur recht sein.

Diesmal war alles offiziell und fast wie aus dem Lehrbuch der Diplomatie. Fernsehkameras hielten den Moment fest, als der Sondergesandte des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, Steve Witkoff, den ovalen Saal im Senatspalast des Kremls betrat, von Präsident Wladimir Putin wie ein alter Freund begrüsst wurde und am Verhandlungstisch Platz nahm.

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Neben Witkoff setzte sich nur eine Dolmetscherin, Putin liess sich von seinem aussenpolitischen Berater Juri Uschakow und seinem Sonderbeauftragten für russisch-amerikanische Wirtschaftszusammenarbeit, Kirill Dmitrijew, begleiten. Noch nie hatte der Kreml so viel Einblick in die Gespräche mit Trumps Unterhändler gegeben. Das entsprach den Erwartungen an das Treffen und der damit verknüpften Frage, ob Trumps «Friedensplan» der Durchbruch in Moskau gelinge. Aber wie immer bei Witkoffs Unterredungen wurde zunächst nur wenig bekanntgegeben. Es sei unter anderem um die Möglichkeit gegangen, den direkten Dialog zwischen Russland und der Ukraine wieder aufzunehmen, sagte Uschakow. Man sei sich näher gekommen.

Die Stimme des Präsidenten

Witkoff ist kein gewöhnlicher Unterhändler. Diplomatische Erfahrung besitzt er keine, von Russland und der Ukraine hat er wenig Ahnung. Er reist an, als wäre er ein Privatmann und kein Vertreter einer Grossmacht – im Privatflugzeug, das er angeblich selbst bezahlt. Sein Stab im Aussenministerium ist klein und weiss, wie der amerikanische Fernsehsender CNN berichtet, oft nicht genau, was sein Chef gerade tut. Witkoffs Büro befindet sich im Weissen Haus, im Oval Office ist er fast täglich.

Der Rechtsanwalt, der zum Immobilienmogul in New York und zum engen Vertrauten Trumps wurde, verkörpert den neuen Stil in Washington, der mit alten Gepflogenheiten bricht. Er kommt von aussen, ohne den Stallgeruch der Diplomatie und der Denkfabriken. Fachberater, wie sie in der amerikanischen Administration über Jahrzehnte im Umgang mit der Sowjetunion und später Russland üblich waren, fehlen an seiner Seite – und das, obwohl er sich gleichzeitig mit dem Ukraine-Krieg, dem Nahostkonflikt und Iran befasst. Er handelt mit der Intuition eines Geschäftsmanns und ist «his master’s voice». Offenbar schätzen das seine Gesprächspartner: Er gibt ihnen das Gefühl, direkt mit Trump zu sprechen.

Für seine Vermittlungstätigkeit ist das nicht unproblematisch. Die persönliche Note, mit der er zu verhandeln scheint, mag charmant, mitunter auch effektiv sein. Aber am Beispiel der Gespräche über ein Ende des Ukraine-Krieges zeigt sich, zu welch verzerrter Wahrnehmung fehlende Distanz, der Mangel an tiefgründigem Wissen und an Erfahrung im Umgang mit hartgesottenen Diplomaten und Geheimdienstfunktionären führen.

Verbreitung russischer Narrative

Witkoffs Russland-Abenteuer begann Mitte Februar mit der geheimen Mission, einen Gefangenenaustausch zu organisieren und darüber Vertrauen zum Kremlchef aufzubauen. Die Aufgabe gelang ihm. Dem berufsbedingt geschickten Menschenfänger Putin gelang es umgekehrt, den politisch unbefleckten Immobilienunternehmer in stundenlangen Gesprächen für sich und die russische Sicht auf die Ukraine einzunehmen. Mit Kirill Dmitrijew stellte er ihm zudem einen in Amerika ausgebildeten Finanzfachmann gegenüber, der sich für Russland Witkoffs und Trumps Geschäftssinn zunutze machen soll. Es habe sich Freundschaft entwickelt, sagte Witkoff später in einem seiner regelmässigen Fernsehinterviews, in denen er geradezu treuherzig seiner Bewunderung für Putin Ausdruck verleiht.

Witkoff berichtete freimütig davon, wie ergriffen er gewesen sei, als Putin ihm erzählt habe, wie er nach dem Attentat auf Trump in seiner Hauskapelle für den Freund gebetet habe. Auch die Geschichte von dem Porträt von Trump, das der Kreml bei einem seiner Hofmaler in Auftrag gegeben hatte, wäre ohne Witkoff kaum bekanntgeworden. Es zeigt Trump in der Pose kurz nach dem Attentat, vor dem Hintergrund New Yorks mit der Freiheitsstatue und einer grossen amerikanischen Flagge (der eine Sternenreihe fehlt).

Entscheidender als Witkoffs Stolz über seine angebliche Freundschaft zum russischen wie zum amerikanischen Präsidenten sind die politischen Folgen dieser Laien-Diplomatie. Witkoff biedert sich Putin an und reiste bis jetzt vier Mal nach Russland. In Kiew war er in der Zeit nie. In Interviews, besonders in jenem mit dem Fernsehmoderator Tucker Carlson im März, legte er offen, wie er russische Narrative übernimmt und wie wenig er über die sowjetische, russische und ukrainische Geschichte weiss. Er meinte unter anderem, Putin gehe es vor allem um die vier besetzten Gebiete plus Krim, und suggerierte später offenbar gegenüber Trump, der einfachste Weg zum Frieden wäre es, wenn die Ukraine diese von Russland beanspruchten Territorien abgäbe.

Diese seien «russischsprachig», und die Bürger hätten in Abstimmungen für die Zugehörigkeit zu Russland votiert, sagte er zu Carlson. Im Gespräch mit diesem konnte er die Namen der Regionen nicht korrekt nennen und behauptete fälschlich, der sowjetische Führer Nikita Chruschtschow habe den Donbass, Saporischja und Cherson der Ukraine zugeschlagen. Letzteres zeugt nur von Unwissenheit, die Behauptung zu den Resultaten der illegalen Referenden jedoch entspricht der russischen Propaganda, ebenso wie Trumps jüngste Äusserungen zur Krim, welche die Ukraine «ohne jeden Schuss» Russland überlassen habe.

Russland nutzt Witkoff aus

Witkoffs Diplomatie der Improvisation lässt kein Verständnis für das grössere Ganze erkennen. Die Folgen eines «Deals» mit Russland, der in der Ukraine vorläufig die Waffen zum Schweigen bringt, aber mit der Anerkennung der hinterlistigen Krim-Annexion und der Reinwaschung des Aggressors die Sicherheitsinteressen Europas ignoriert, scheinen ihn nicht zu interessieren. Witkoff betreibt das Geschäft für seinen Chef, dem es in erster Linie um den eigenen Erfolg als «Friedenspräsident» geht.

Auch Russland kommt die Witkoffsche Diplomatie-Imitation zupass: Gelingt es, wenigstens einen fragilen «Frieden» herzustellen und dabei die Ukraine nachhaltig auch politisch und militärisch geschwächt zu belassen, feiert sich Putin mit Trump als Friedensbringer und hofft auf die Dividenden eines neu geordneten Grossmächteverhältnisses.

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