Donnerstag, Mai 22

Die Quagga-Muschel breitet sich aus. Was gilt nun im Kampf gegen den gefrässigen Eindringling?

Die Bilder aus dem Bodensee sind eindrücklich. Am Seegrund vor Bottighofen liegt die «Jura». Der Raddampfer sank 1864. Seine Überreste sind ein beliebtes Ziel für Taucher. Vor ein paar Jahren war die Holzkonstruktion des Dampfers noch gut zu erkennen. Aufnahmen der SRF-Sendung «Einstein» vom vergangenen Dezember jedoch zeigen: Jetzt ist das Wrack komplett überwachsen – von Quagga-Muscheln.

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Die Schalentiere haben sich in wenigen Jahren ausgebreitet: im Bodensee, aber auch im Neuenburgersee, im Murtensee, im Vierwaldstätter- und im Zugersee. Mit verheerenden Folgen: Quagga-Muscheln binden Nährstoffe wie Phytoplankton und Phosphat, die den übrigen Wasserlebewesen dann fehlen. Ihre Larven gelangen überall hinein unter Wasser. Das kann teuer werden. Die ETH Lausanne etwa muss ihr Kühlsystem ersetzen, weil die Leitungen im Genfersee von dem Eindringling befallen sind. Kostenpunkt: 60 Millionen Franken.

Die Muscheln verstopfen auch Rohre für die Trinkwasseraufbereitung. Am Bielersee hat man darauf bereits reagiert. Ein neues Seewasserwerk wird mit einem einzigartigen Putzmechanismus versehen sein: Ein zylinderförmiges Gerät fährt regelmässig durchs Wasserrohr, um selbst mikroskopisch kleine Larven zurück in den See zu pressen. Im Herbst geht die Anlage in Betrieb.

Das nächste Opfer

Im Kanton Zürich ist man noch nicht so weit. Der Zürichsee blieb lange verschont. Im vergangenen Spätsommer jedoch wurden bei der Quaibrücke vier Muscheln entdeckt. Weitere Exemplare wurden bei Thalwil und bei Richterswil gefunden, in Ufernähe. Die Grösse der Tierchen lässt darauf schliessen, dass sie schon länger im See lagen und sich somit bereits fortpflanzen konnten.

Julie Conrads vom Wasserforschungsinstitut Eawag bestätigt diesen Verdacht. Das Team der Doktorandin hat die Proben dem Zürichsee entnommen damals. Mittlerweile wurden Quagga-Muscheln auch in tieferen Lagen entdeckt. Im Video-Call mit der NZZ hält die Ökologin ein Röhrchen vor die Kamera. Ganz unten befindet sich ein kleiner dunkler Fleck: ein Quagga-Baby, von Auge kaum zu erkennen.

Conrads sagt: «Die Quagga-Population im Zürichsee wird sich wahrscheinlich ähnlich entwickeln wie diejenige im Bodensee oder im Bielersee. Diesem Szenario steht derzeit nichts im Weg.» Bei der Eawag sind auch schon Anfragen eingetroffen von Unternehmen, die ihre Anlagen im Zürichsee schützen wollen.

Was tun gegen die drohende Plage?

Vertreter von Zürcher Trinkwasserwerken haben das neue Werk am Bielersee besucht. Für Jan Adams, den stellvertretenden Betriebsleiter des Seewasserwerks von Thalwil, Rüschlikon, Kilchberg und Langnau, steht fest: «Wir werden unser Rohr ebenfalls reinigen müssen.» Gefragt ist also auch hier eine Lösung mit einem Gerät, das wie am Bielersee regelmässig durch die Leitung gepresst wird und die Quagga-Muscheln so immer wieder zurück in den See befördert.

Das Problem: Jedes Seewasserwerk ist anders, jede Anlage wäre auf ein eigenes Reinigungssystem angewiesen. In Thalwil denkt man auch über eine zweite Fassungsleitung nach. So wäre die Trinkwasserversorgung auch dann gewährleistet, wenn die andere Leitung von Quagga-Muscheln befallen sein sollte. Ein Konzept dazu sei bereits in Arbeit, sagt Adams.

Noch bleibt für solche Pläne etwas Zeit. Der Kanton jedoch will die Verbreitung des gefrässigen Tierchens auch mit kurzfristigen Massnahmen bekämpfen. Quagga-Muscheln kleben sich überall fest – auch an Schiffsrümpfen. Seit dem 1. April müssen Bootsbesitzer ihr Schiff daher registrieren und fachgerecht reinigen lassen, wenn sie damit ein anderes Gewässer als das angestammte befahren wollen.

Neues Regime am Türlersee

Andere Kantone gehen noch weiter. Für mehrere Innerschweizer Seen gilt seit 2024 ein Einwasserungsverbot für ausserkantonale Boote. So auch am Sihlsee oder am Sarnersee, die bisher von den invasiven Muscheln verschont blieben. Das gilt auch für den Greifensee, den Pfäffikersee und den Türlersee: keine Quagga-Muscheln bis jetzt. Das soll so bleiben. Nach dem Muschelfund im Zürichsee hatte der Kanton ein sofortiges Einwasserungsverbot für diese Seen erlassen.

Doch seit dem 1. April gilt ein anderes Regime. Boote und Schiffe von auswärts sind wieder willkommen – sofern ihre Halter die neue Melde- und Reinigungspflicht befolgen.

Von den neuen Schiffsregeln ausgenommen sind Sportgeräte wie Ruderboote, Kanus, Schlauchboote oder Stand-up-Paddle-Boards. Dennoch gilt: «bei jedem Gewässerwechsel reinigen, sorgfältig kontrollieren und vollständig trocknen». So steht es im entsprechenden Communiqué des Regierungsrats.

Am Türlersee, einem wunderbaren Ausflugsziel mitten in einem Naturschutzgebiet, möchte man den Paddlern entgegenkommen. Zwar sollte man seit dieser Saison nur noch via Strandbad auf den See. Ausserdem müssen Paddler für ihr Board eine Tagesgebühr von 5 Franken bezahlen. Dafür steht bei der Badi eine Waschanlage zur Verfügung, wo Stand-up-Paddler ihre Bretter fachgerecht mit warmem Wasser abspritzen können.

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