Sonntag, April 27

The Market macht sich regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen. Die Schweizer Auswahl wächst um zwei Namen. In Europa stösst ein drittes Unternehmen aus Deutschland zu den zwanzig günstigsten Werten, und in den USA kommt es zu zwei Neueintritten.

Donald Trump hält die Börsen in Atem. Seit seiner Wahl ist fast ein Monat vergangen. Das US-Leitbarometer S&P 500 hat in dieser Zeit 4,6% zugelegt und alle anderen bedeutenden Indizes hinter sich gelassen. Noch deutlicher wirkt sich die Wahl des neuen US-Präsidenten auf einzelne Sektoren aus, wo vor allem Finanz- und zyklische Werte zulegen konnten, während defensive Branchen wie Basiskonsum oder Gesundheit wenig gefragt waren.

Diese Entwicklung macht sich in der Qualitätsauswahl von The Market bemerkbar. Zwar konnte die industrielastige Schweizer Selektion wegen einzelner Ausreisser seit der letzten Bestandesaufnahme nicht mit dem SPI mithalten, die europäische und die beiden US-Auswahlen haben ihren Vergleichsindex jedoch auch dank des Branchenmixes geschlagen:

Zur Erinnerung: Seit der Lancierung 2019 macht sich The Market an den Börsen der Schweiz, Europas und der USA regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen.

Die Kriterien

Was Qualität ausmacht, ist nicht einheitlich definiert. The Market versteht darunter Aktien von Gesellschaften, die eine höhere Kapitalrendite erzielen, eine robustere Bilanz aufweisen und günstiger bewertet sind als das Durchschnittsunternehmen im Vergleichsindex.

Als Kriterien werden die Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC), das Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie der Unternehmenswert (Enterprise Value, EV) in Relation zum Ebit verwendet.

In jeder Region wird je nach Aussagekraft ein viertes Kriterium eingesetzt. In der Schweiz ist es das Wachstum des Buchwerts je Titel über fünf Jahre, in den USA die totale Ausschüttungsrendite – definiert als Dividenden und Nettoaktienrückkäufe im Verhältnis zum Unternehmenswert – und in Europa das Momentum der Gewinnprognosen.

In der Schweiz kommt es zu vier Comebacks

In der Schweiz erfüllen achtzehn Namen alle Kriterien, nach sechzehn bei der letzten Ausmarchung. Nicht mehr dabei sind der Aufzugs- und Rolltreppenhersteller Schindler und das Finanzberatungsunternehmen VZ Holding, zwei langjährige Vertreter, weil ihre Bewertung über den Median des durchschnittlichen SPI-Unternehmens gestiegen ist. Bei Schindler beträgt das Verhältnis des Unternehmenswerts zum Ebit 20,1, bei VZ sogar 20,9, beim SPI sind es 18,3.

Dafür kommt es zum Wiedersehen mit gleich vier alten Bekannten: Der Logistiker Kühne + Nagel, der Computerzubehörhersteller Logitech, der Broker Compagnie Financière Tradition und die Dentalgruppe Coltene schaffen nach mehr oder weniger langer Absenz den Wiedereinstieg:

Kühne + Nagel hat ein zufriedenstellendes Quartalsresultat vorgelegt. Der Ebit stieg erstmals, nachdem er sieben Quartale in Folge gesunken war. Während das Volumen im Luftfrachtgeschäft fast 7% stieg, waren es im Seefrachtgeschäft – bereinigt um den Verzicht auf einen unprofitablen Grosskunden – nur 2%. Zu schaffen machen die Seefrachtraten, die Anfang Jahr wegen der Huthi-Angriffe im Roten Meer zwar angezogen haben, seither jedoch wieder sinken, weil die Kapazitäten durch neue Schiffe und damit durch ein wachsendes Angebot an verfügbaren Containern zunehmen.

Konversionsrate liegt über dem Vor-Covid-Niveau

Ermutigend ist die Konversionsrate, die jüngst gestiegen ist. Sie zeigt das Verhältnis des Ebit zu dem um die Frachtraten bereinigten Umsatz und spiegelt die eigentliche Leistung eines Logistikers. Nach den ersten neun Monaten des Geschäftsjahrs liegt sie bei 20,8% und damit deutlich über dem Vor-Covid-Jahr 2019, als sie zwischen 12 und 13% schwankte.

Noch interessanter könnte die mittlere Frist werden: Gemäss Quellen von The Market stellt K+N auf Basis der «Roadmap 2026» für übernächstes Jahr implizit einen Ebit von 2,5 bis 3 Mrd. Fr. in Aussicht, wogegen der Markt nur knapp 1,9 Mrd. Fr. erwartet. Sollte das Unternehmen recht behalten, müssten Analysten und Anleger ihre Erwartungen nach oben anpassen, was höhere Kurse zur Folge haben dürfte.

Logitech schafft den Wiedereinstieg dank guter Zahlen, die die Erwartungen der Anleger dennoch enttäuscht hatten. Am Tag der Publikation verloren die Valoren des Computerzubehörherstellers bis zu 7%. Immerhin sind die Erwartungen vor der eben angelaufenen, entscheidenden Feiertagssaison dieses Mal gedämpft. Die Innovationskraft des Unternehmens scheint ungebrochen zu sein, die Lager sind gefüllt, aber nicht übervoll, und die Stimmung der Konsumenten ausserhalb Chinas ist recht solide. Das schafft Raum für positive Überraschungen.

Der unbekannte Big Player aus der Romandie

Compagnie Financière Tradition (CFT) bietet Brokerage-Dienstleistungen zwischen Finanzinstituten. Das wenig bekannte Unternehmen mit Sitz in Lausanne geschäftet in mehr als dreissig Ländern und ist einer der weltweit grössten Broker bei OTC-Instrumenten, die zwischen den Parteien direkt ausgehandelt und nicht über eine regulierte Börse abgewickelt werden. Wie andere Broker profitiert CFT von einer Zunahme der Volatilität an den Finanzmärkten.

Coltene weist als Hersteller von zahnmedizinischen Verbrauchsgütern und Kleingeräten eine stabile Nachfrage auf, die Titel befinden sich allerdings seit 2021 im Sinkflug. Immerhin zeichnet sich seit Sommer eine Bodenbildung ab, die allerdings noch nicht abgeschlossen ist.

Mit Fuchs stösst ein weiteres deutsches Unternehmen unter die zwanzig günstigsten Werte vor

In Europa erfüllen 51 Namen alle Kriterien, nach 43 bei der letzten Bestandesaufnahme. Unter den zwanzig günstigsten europäischen Qualitätswerten sind erstmals der deutsche Schmiermittelspezialist Fuchs, der britische Detailhändler Marks & Spencer, der finnische Chemiewert Kemira und der spanische Glasverpackungshersteller Vidrala vertreten:

Der Vorstoss von Fuchs unter die zwanzig günstigsten Werte zeigt die Widerstandskraft des Geschäftsmodells, denn die Mannheimer erzielen fast die Hälfte des Umsatzes mit Kunden aus der kriselnden Autoindustrie. Fuchs bestätigte bei der Vorstellung des Berichts zum dritten Quartal die Jahresziele von 3,6 Mrd. € Umsatz und 430 Mio. € Ebit. Für 2025 sagen die Analysten dem Unternehmen gut 10% Umsatzzuwachs und ein Plus von 9% beim Ebit voraus.

Heute Donnerstag veranstaltet Fuchs einen Kapitalmarkttag, der ab 9 Uhr online übertragen wird. Analyst Oliver Schwarz von Warburg Research erwartet, dass das Unternehmen dabei neue Mittelfristziele vorstellen wird. Sie sollten den Einstieg des Unternehmens in die Produktion von Schmierstoffen für Elektroautos reflektieren, was sich ab 2025 vorteilhaft in den Geschäftszahlen bemerkbar machen werde, denkt der Analyst.

Moderate Bewertung

Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18 und einer Dividendenrendite von 2,7% (beides geschätzt für 2024) sind die Aktien angesichts des erwarteten Wachstums, der starken Bilanz und der guten Marktposition nicht teuer. Das gilt auch für andere Bewertungskennziffern wie das Verhältnis von Unternehmenswert zu Ebit, wie The Market im Juni berichtet hat.

Marks & Spencer (M&S) legte in den letzten Jahren einen erstaunlichen Turnaround hin. Nachdem der Umsatz bis 2021 stetig gesunken war, hat er seither von 9,2 Mrd. auf 11,9 Mrd. £ zugelegt. Gemäss den Analysten von Deutsche Bank (DB) sollen es dieses Jahr bereits 13 Mrd. £ und nächstes Jahr 13,9 Mrd. £ sein. Auch die Margen haben sich leicht verbessert.

Marks & Spencer kann weiterwachsen

Geht es nach den DB-Spezialisten, ist weiteres Wachstum möglich. Das, weil erst rund ein Viertel der Ladenfläche dem neuen, luftigeren Format folgt und erst rund die Hälfte der 2022 für die nächsten fünf Jahre versprochenen Kosteneinsparungen von 500 Mio. £ umgesetzt worden sind. Weitere Gewinnverbesserungen versprechen das internationale Geschäft sowie der Lebensmittel-Online-Shop Ocado.com, den M&S als Joint Venture mit dem Technologieunternehmen Ocado betreibt.

M&S selbst verspricht sich den grössten Fortschritt im gezielteren Einsatz von Technologie, dem zunehmenden Anteil an Ladenflächen im neuen Format – 2028 soll die Hälfte der Fläche neu gestaltet sein – sowie Investitionen, um schneller liefern zu können und unnötige Kosten abzubauen.

Kemira ist auf Chemikalien für die Wasseraufbereitung und zur Herstellung von Papier- und Zellstoffen spezialisiert. Beide Bereiche tragen gleich viel zum Ebitda bei. Dank des Verkaufs des Öl- und Gasgeschäfts in diesem Frühjahr wurde Kemira etwas weniger zyklisch; im Wassergeschäft bedient das Unternehmen viele Gemeinden. Auch die Profitabilität sollte gemäss den Analysten von Danske Bank im Zug der Fokussierung steigen.

Die Valoren handeln auf Basis der Analystenschätzungen für die nächsten zwölf Monate zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,4 und sind damit günstiger bewertet als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (13,5). Unter den grössten Aktionären befindet sich die New Yorker Value-Boutique Tweedy, Browne.

In den USA kommt es zu zwei Neueintritten

In den USA qualifizieren sich 69 Unternehmen, nach 72 bei der letzten Erhebung. Unter den zwanzig günstigsten Werten ist erstmals der Krankenversicherer Elevance Health vertreten:

Elevance Health ist im Juni 2022 aus dem Versicherer Anthem hervorgegangen, der auch schon in der Auswahl war. Das Unternehmen erzielt einen grossen Teil des Umsatzes mit den staatlichen Programmen Medicare und Medicaid, die sich an Rentner, Invalide und Bedürftige richten. Wegen hoher Kosten im Bereich Medicaid musste Elevance kürzlich die Gewinnschätzung für dieses und nächstes Jahr deutlich reduzieren, was von den Aktionären nicht goutiert wurde. Die Titel verloren seit Mitte September ein Viertel an Wert.

Elevance ist zwar überzeugt, dass Medicaid langfristig ein attraktives Geschäft bleibt und die Probleme temporär sind. «Die Herausforderungen dürften aber erst nach 2025 gemeistert werden», schreiben die Analysten von Deutsche Bank. Deshalb dürften die meisten Investoren zuwarten, bevor sie die Aktien kaufen. Dennoch halten die DB-Spezialisten wegen der führenden Marktstellung und wegen des differenzierten und kompetitiven Angebots an ihrer Kaufempfehlung für Elevance fest, reduzieren wegen der nach unten angepassten Gewinnaussichten das Kursziel aber von 565 auf 467 $. Derzeit notieren die Titel bei 408 $.

Expedia gesellt sich zu Booking Holdings

Unter den zwanzig Werten mit der höchsten Ausschüttungsrendite taucht erstmals die Online-Reiseplattform Expedia auf:

In den Nullerjahren war Expedia die führende Online-Reiseplattform, der Rang wurde dem Unternehmen aber von Booking Holdings und Airbnb abgelaufen. «Expedia hat seit der Covid-Pandemie bei Übernachtungen Marktanteile verloren», schreiben die Analysten von Wells Fargo, «doch wir glauben, dass sich der Anteil dieses Jahr normalisieren wird.» Dennoch stufen sie die Titel nur mit «Gleichgewichten» ein. «Expedia muss die Strategie weiterhin konsequent umsetzen, um den Bewertungsabschlag zur Konkurrenz zu reduzieren», mahnen sie.

Auch Barclays führt ein neutrales Rating: «Expedia hat von der seit der Pandemie aufgetretenen Erholung im Reisegeschäft profitiert, wenn auch weniger als die Konkurrenz», schreiben sie. «Die strukturelle Ineffizienz beim Marketing dürfte hingegen schwieriger zu überwinden sein, und die Bewertung ist fair.» Anleger dürften beim Platzhirschen Booking Holdings, der lange in der Auswahl vertreten war, nun aber aus Bewertungsgründen ausgeschieden ist, besser aufgehoben sein. Allerdings ist es ratsam, eine Konsolidierung abzuwarten, weil die Titel in den letzten Monaten deutlich gestiegen sind.

Durch die jüngsten Auswechslungen ist die Auswahl noch zyklischer geworden, als sie es ohnehin schon war. Deshalb würde sie unter Druck geraten, wenn die Weltwirtschaft in eine Rezession abgleiten sollte. Auch ein erneutes Aufflackern des Hypes um künstliche Intelligenz würde auf der Performance lasten, weil zunehmend Geld aus Old-Economy-Branchen abgezogen und in die (vermeintlichen) Gewinner aus dem Tech-Sektor umgeschichtet würde. Andererseits bieten gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten die besten Gelegenheiten für den Einstieg in konjunktursensitive Werte.

An diesem Artikel hat Mark Böschen mitgearbeitet.

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