Freitag, Januar 3

Die Welt steht mit Quantencomputing vor einem riesigen technologischen Umbruch. Diese Technologie verspricht erhebliche Effizienzgewinne, aber auch massive Disruption. Gleichzeitig ergeben sich spezielle Herausforderungen und Risiken vor allem bei Datensicherheit und Geopolitik.

Nach Künstlicher Intelligenz gilt die Quantentechnologie als nächster massgeblicher Treiber der Digitalisierung, der noch stärkere disruptive Kraft entfalten wird. Im Gegensatz zu klassischen Computern, die Informationen sequenziell in Form von Bits verarbeiten, operieren Quantencomputer mit sogenannten Qubits.

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Diese nutzen Prinzipien der Quantenmechanik – wie Superposition und Verschränkung – und können auf diese Weise zahlreiche Berechnungen gleichzeitig durchführen. Die damit verbundene massive Steigerung der Rechenleistung ermöglicht es, äusserst komplexe Probleme in sehr viel kürzerer Zeit zu lösen, als dies selbst mit heutigen Supercomputern möglich wäre. Dadurch eröffnen sich in einer Vielzahl spezialisierter Anwendungsbereiche völlig neue Perspektiven:

Zahlreiche innovative Anwendungsbereiche

In der medizinischen Forschung könnten Quantencomputer die Entwicklung neuer Medikamente durch präzisere Molekülanalysen beschleunigen. In der Materialwissenschaft bereiten sie den Weg für die revolutionäre Entwicklung neuer Werkstoffe. Auch die Luft- und Raumfahrt sowie die Logistik und das Lieferkettenmanagement profitieren von der enormen Rechenkapazität, die eine hocheffiziente Prozessoptimierung ermöglicht – mit einer Vielzahl dynamischer Variablen und in Echtzeit.

Ähnliches gilt für den Bereich hochkomplexer Umwelt- und Klimamodellierungen, wo selbst heutige Hochleistungsrechner an ihre Grenzen stossen. Für die Finanzwirtschaft versprechen neuartige Quantenalgorithmen sprunghafte Fortschritte im Risikomanagement und in der Portfoliooptimierung. Zugleich entstehen mit Hilfe der Quantentechnologie völlig neue Kryptographie-Standards, die den Schutz sensibler Daten und strategischer Kommunikationswege auf bislang unerreichbare Niveaus heben.

Von besonderer Bedeutung ist künftig zudem das Zusammenspiel von Quantencomputern mit Systemen der Künstlichen Intelligenz (KI). Potenziell ergeben sich aus dieser Kombination, auch bekannt als QAI (Quantum Artificial Intelligence), sprunghafte Beschleunigungseffekte beim Training und der selbständigen Weiterentwicklung von KI-Systemen. Das mögliche Ziel einer «Allgemeinen Künstlichen Intelligenz» (AGI), also einer KI, die in allen relevanten Bereichen leistungsfähiger ist als jeder Mensch, könnte dadurch sehr viel schneller erreicht werden als bislang erwartet. Ob ein solcher Durchbruch für die Menschheit jedoch wirklich erstrebenswert wäre, wird in Fachkreisen seit Jahren äusserst kontrovers diskutiert.

Marktfähige Anwendungen noch in diesem Jahrzehnt möglich

Dennoch dürften all diese Entwicklungen bereits in naher Zukunft eintreten; sie werden damit auch für Unternehmer und Investoren zunehmend relevant. Denn trotz noch bestehender Optimierungsprobleme hat Quantencomputing das experimentelle Stadium inzwischen hinter sich gelassen und befindet sich auf dem Weg zum kommerziellen Durchbruch. Noch in diesem Jahrzehnt könnten skalierbare Quantencomputer und marktfähige Anwendungen zum Einsatz kommen. Wenig später wäre sogar die Entstehung eines «Quanteninternets» denkbar. Ganz ähnlich wie schon heute das Thema KI wird die Quantenrevolution voraussichtlich schon in wenigen Jahren massiven Einfluss auf alle Lebensbereiche nehmen:

Quantencomputer werden die klassischen Computer allerdings nicht ersetzen, denn: Sie sind keine Weiterentwicklung herkömmlicher Systeme, sondern hochspezialisierte Werkzeuge zur Lösung komplexer Optimierungsaufgaben. Aufgrund ihrer Grösse und vieler technischer Besonderheiten, darunter aufwendige Kühlsysteme, sind Quantencomputer aktuell noch extrem teuer.

Ihr Einsatzbereich beschränkt sich deshalb überwiegend noch auf staatliche Forschungszentren und finanzstarke Grossunternehmen. Künftig wird die kommerzielle Nutzung von Quantencomputern jedoch sehr viel breiter angelegt sein, etwa über dezentrale und Cloud-ähnliche Zugangsstrukturen, auch bekannt als «Quantum-as-a-Service» (QaaS).

Der globale Wettlauf um Quantencomputing

Ein unvermeidlicher Nebeneffekt der Quantenrevolution ist das Entstehen neuer sicherheits- und geopolitischer Risiken. Ein brisantes Thema ist dabei die Bedrohung der aktuellen Verschlüsselungstechniken. Denn Quantencomputer sind in der Lage, konventionelle kryptographische Verfahren wie RSA (Rivest-Shamir-Adleman) und ECC (Elliptic Curve Cryptography), die derzeit oft die Grundlage für die Sicherheit von Online-Transaktionen und den Schutz sensibler Daten bilden, potenziell sehr leicht zu durchbrechen.

Diese Fähigkeit birgt nicht nur hohe Risiken für den Kommunikations- und Finanzsektor, sondern gefährdet auch staatliche Sicherheitsinfrastrukturen. Um diese Bedrohung zu entschärfen, wird im Hintergrund bereits an «quantensicheren» Verschlüsselungsmethoden gearbeitet, die auch möglichen Angriffen von Quantencomputern standhalten. Vorreiter einer solchen «Post-Quantum Cryptography» sind nicht zuletzt führende Akteure der Blockchain- und Krypto-Szene, wie etwa Vitalik Buterin, der Kopf hinter der Kryptowährung Ethereum.

Falls Quantencomputing führenden Nationen ermöglicht, technologische und wirtschaftliche Vorherrschaft zu erlangen, könnte die schnelle Beherrschung der Technologie ein wichtiges Element bei der Neuordnung globaler Machtverhältnisse werden. Gleichzeitig werden dadurch die Sicherheitsarchitektur der Weltwirtschaft und bestehende geopolitische Allianzen auf die Probe gestellt.

USA und China verfolgen unterschiedliche Strategien

Angesichts dieser Herausforderungen investieren die Grossmächte USA und China erheblich in die Forschung, mit einem besonderen Fokus auf Post-Quantum-Kryptographie. Ähnlich wie bei Künstlicher Intelligenz stehen sie auch hier in einem harten Wettlauf um die Vorherrschaft. Die beiden Kontrahenten verfolgen dabei allem Anschein nach unterschiedliche Strategien: China fokussiert sich vor allem auf abhörsichere Quanten-Kommunikation und den Schutz sensibler Daten. Dies deutet darauf hin, dass China sich gegen potenzielle Cybersicherheitsbedrohungen wappnet und gleichzeitig eine führende Position in der sicheren Datenübertragung anstrebt (vgl. überblickartig Abb. 3).

Die USA hingegen konzentrieren sich auf die Entwicklung von Quantencomputern, die bestehende Verschlüsselungsverfahren überwinden und komplexe Berechnungen in Bereichen wie Materialwissenschaften, Pharmaforschung und Künstlicher Intelligenz ausführen können. Ziel ist es, durch maximale Rechenleistung die wirtschaftliche und technologische Vormachtstellung der USA zu sichern. Der europäische Quantentechnologie-Sektor versucht seinerseits, durch koordinierte Forschungsprogramme aufzuholen und seine Stärken in der Grundlagenforschung zu nutzen.

Strategische Investitionschancen

Die wirtschaftlichen Chancen, die sich künftig durch Quantencomputing bieten, sind enorm. Doch die Technologie wird nur dann ihr volles Potenzial entfalten, wenn die sicherheits- und geopolitischen Risiken erkannt und richtig adressiert werden. Unternehmen und Investoren sollten sich daher rechtzeitig auf die neue Ära des Quantencomputing vorbereiten.

Dazu gehört es, quantensichere Infrastrukturen zu entwickeln, um auch in einer Welt der Quantencomputer jederzeit zuverlässige Datensicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig sollten Unternehmen die Entwicklung eigener Quantenkompetenz gezielt vorantreiben, um diesen wichtigen Zukunftstrend schon heute zu verstehen. Auch die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten sollte systematisch verstärkt werden, um frühzeitig auf kommende revolutionäre Quantenlösungen reagieren und von diesen profitieren zu können.

Vor diesem Hintergrund eröffnet das Zukunftsthema Quantencomputing nicht nur Unternehmern, sondern auch strategischen Investoren attraktive Anlagechancen. Neben etablierten Technologiekonzernen mit starkem Engagement im Quantenbereich rücken spezialisierte Start-ups in den Fokus. Denkbar sind auch indirekte Investitionen, etwa in Zulieferer von Quantenhardware, Kryotechnik und Spezialelektronik. Unternehmer und Investoren sollten sich frühzeitig auf das kommende Quantenzeitalter vorbereiten, um das Potenziale dieser Technologie optimal zu nutzen, gleichzeitig aber auch neuartige Risiken zu erkennen.

Zum Hintergrund des Artikels hat das FERI Cognitive Finance Institute vor kurzem die ausführliche Analyse «Quantenzeitalter: Quantencomputing als Gamechanger für Finanz- und Realwirtschaft» veröffentlicht.

Heinz-Werner Rapp

Dr. Heinz-Werner Rapp leitet das von ihm 2016 gegründete FERI Cognitive Finance Institute, das als strategisches Forschungszentrum und kreative Denkfabrik der FERI Gruppe dient, dem unabhängigen Multi-Asset-Investmenthaus mit Standorten in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz. Bis 2023 war Rapp Vorstand und CIO der FERI Gruppe, für die er seit 1995 tätig ist. Er hat an der Universität Mannheim Wirtschaftswissenschaften studiert und über psychologisch geprägtes Anlegerverhalten promoviert.

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