Mittwoch, März 19

Die Migros gibt viel auf ihr Erbe. Doch dieses passt immer weniger zu den wirtschaftlichen Realitäten. Der nun geplante Umbau wird kaum reichen.

Für viele «Migros-Kinder» – und von ihnen gibt es viele in der Schweiz – dürfte es ein Schock sein. Das Unternehmen hat am Freitag einen radikalen Umbau angekündigt. Wie weit dieser geht, zeigt die Tatsache, dass die Migros sogar mit Teilen ihres Duttweiler-Erbes bricht.

Die Reisetochter Hotelplan soll verkauft werden. Sie gehört seit fast neunzig Jahren zur Migros-DNA. Der Firmengründer Gottlieb Duttweiler persönlich hatte Hotelplan 1935 ins Leben gerufen mit seinem typischen sozialen Anspruch, den einfachen Leuten Ferien zu ermöglichen. Doch nun muss die Migros eingestehen, dass dieses Ziel mittlerweile «durch viele Anbieter gut erfüllt» werde. Für eine Pauschalreise braucht es den Migros-Nimbus tatsächlich nicht mehr.

Nostalgische Verklärung

Der Umbau geht noch viel weiter. Die Migros-Supermärkte sollen mit der neuen Supermarkt AG umgekrempelt werden, und die Tochter Denner erhält ein neues Ladenkonzept. Die stolze Migros-Industrie, welche die vielen Eigenmarken herstellt, wird die Pflegemitteltochter Mibelle verlieren; die anderen Betriebe werden auf Effizienz getrimmt. Die Migros gibt die Fachmärkte Melectronics und SportX auf und stellt auch die Möbelhäuser und Baumärkte auf den Prüfstand. Nicht zuletzt fallen 1500 Vollzeitstellen weg.

Der radikale Umbau wird nötig, weil sich die Migros zu lange selbstzufrieden in ihrem Duttweiler-Erbe gesonnt hat. Und viele Kunden und Genossenschafter haben bei der nostalgischen Verklärung mitgemacht. Das zeigte sich etwa bei der Alkohol-Abstimmung im Jahr 2022, als die Genossenschafter urteilten, die Migros solle wie seit knapp hundert Jahren weiterhin keinen Alkohol verkaufen.

Doch nun bestätigt sich, dass die Probleme der Migros ganz andere sind. Sie leistet sich eine überaus komplexe Struktur mit zehn Regionalgenossenschaften und dem Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) als Zentrale. Als sich das Unternehmen im vergangenen Jahr anschickte, sein Supermarktgeschäft behutsam zu modernisieren, musste das Geschäft durch nicht weniger als 22 Gremien.

Diese historisch gewachsene Struktur macht die Migros zwar zu einer «kleinen Schweiz» – dezentral verankert und demokratisch kontrolliert. Aber die Struktur kollidiert immer mehr mit den wirtschaftlichen Realitäten. Der Verkauf von Lebensmitteln und Non-Food-Produkten ist längst ein normales Geschäft. Der Wettbewerb in der Schweiz hat in den vergangenen fünfzehn Jahren durch den Markteintritt der deutschen Discounter Aldi und Lidl zugenommen. Die Online-Konkurrenz wächst. In diesem Umfeld ist die Migros zu schwerfällig.

Der grosse Konkurrent Coop hat schon vor zwanzig Jahren seine Strukturen radikal vereinfacht. Die Regionalgenossenschaften wurden abgeschafft. Das Unternehmen fokussiert sich seither klar auf den Detail- und den Grosshandel. Coop konnte sich zu diesem Schritt durchringen, weil dem Unternehmen damals das Wasser bis zum Hals stand. Doch seither hat es sich gut entwickelt.

Es braucht klare Strukturen

Der jetzige Umbau der Migros ist dagegen der Versuch, die alte «Dutti-Welt» nochmals in die neue Zeit hinüberzuretten. Man hält an den komplizierten Genossenschaftsstrukturen fest und hofft, das Unternehmen lasse sich dennoch auf die nötige Effizienz trimmen.

Aber der jetzige Umbau wird kaum reichen. Strategisch wirkt die Ausrichtung der Migros wenig überzeugend. Es gehört kaum zum Kerngeschäft eines Detailhändlers, eine Bank zu führen – auch wenn sie wie die Migros Bank einen Grossteil zum Firmengewinn beisteuert. Coop war konsequenter und hat seine Bank verkauft. Ferner ist zu bezweifeln, dass eine Detailhändlerin wie die Migros mit Arztpraxen und Apotheken im Gesundheitsgeschäft mitmischen sollte.

Für eine gute Zukunft braucht die Migros vor allem eines: klare Strukturen und einen klaren Fokus auf das Kerngeschäft Detailhandel. Nur wenn die Migros wirtschaftlich erfolgreich ist, kann sie weiterhin auch ihren sozialen Anspruch erfüllen, «mehr für die Schweiz zu machen».

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