Freitag, Oktober 18

Die höheren Zinsen bescheren der zweitgrössten Schweizer Bankengruppe auch 2023 viel Gewinn. Diesen will sie mehrheitlich behalten, um kein Risiko für die Schweizer Bevölkerung zu sein.

Raiffeisen setzt ihren Erfolgskurs fort. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023 hat die nach der UBS zweitgrösste Schweizer Bankengruppe einen Gewinn von 1,4 Milliarden Franken gemacht, das ist fast ein Fünftel mehr als im Vorjahr. Die Genossenschaftsbank hat aber ein Luxusproblem – wohin mit dem vielen Geld?

Wie fast alle Schweizer Kantonal- und Regionalbanken profitierte Raiffeisen stark vom gestiegenen Zinsniveau, was ihr Zinsdifferenzgeschäft nochmals einträglicher machte. Die 219 über das Land verteilten Genossenschaften haben fast 4 Prozent mehr Hypotheken vergeben, womit die Banken nun Forderungen im Umfang von 211 Milliarden Franken ausstehend haben. Raiffeisen hat ihre Position als grösste Immobilienfinanziererin der Schweiz nochmals ausgebaut.

Genügsame Kunden

Für die Sparerinnen und Sparer ist der Erfolg nicht wirklich spürbar. Auf einem regulären Sparkonto von Raiffeisen gibt es derzeit 0,7 Prozent Zins, auf einem für Genossenschaftsmitglieder 1,1 Prozent. Das ist gemäss dem Vergleichsdienst Moneyland im Konkurrenzvergleich weder besonders üppig noch kompetitiv. Ob Raiffeisen die Zinskonditionen für Privatkunden angesichts des starken Ergebnisses anheben wird, ist ungewiss, zumal die Bank für 2024 mit einer leicht rückläufigen Zinsmarge rechnet.

«Wir haben die Sparzinsen bereits sukzessive erhöht und ein gutes Niveau erreicht», sagt der Raiffeisen-Chef Heinz Huber. Die gebotenen Zinsen auf Spareinlagen würden von der Zinsentwicklung und dem Verhalten der Mitbewerber abhängen. Auch eine Anpassung bei den Kontoführungsgebühren wie Anfang Jahr bei der ZKB, die ihre Jahresgebühren für Privatkonti gestrichen hat, steht bei Raiffeisen derzeit nicht auf der Tagesordnung.

Gemäss Huber sind Gebühren nur eine Komponente des Angebots. Zudem seien die Hälfte der Raiffeisen-Kundschaft auch Genossenschaftsmitglieder und würden bereits heute von guten Konditionen und kostenloser Kontoführung profitieren. Deshalb glaubt Huber, dass Raiffeisen insgesamt ein «attraktives Paket» biete.

Raiffeisen hat in den letzten Jahren immer mehr verdient

Netto-Erfolg im Zinsgeschäft in Millionen Franken

Wachstum nicht nur bei Immobilien

Das Wachstum der Bankengruppe in den letzten Jahren gibt ihm recht. Raiffeisen ist in den letzten 25 Jahren stark gewachsen. Gemäss einer Auswertung der Hochschule Luzern hat sich seit dem Jahr 2000 die Zahl der Genossenschafter auf 2 Millionen verdoppelt, ebenso die Anzahl Vollzeitstellen, die heute bei rund 10 000 liegt. Die Bilanzsumme wurde vier Mal grösser. Heute zählt Raiffeisen nebst UBS, ZKB und Postfinance zu den systemrelevanten Banken des Landes.

Insbesondere der Immobilienboom der letzten Jahre hat Raiffeisens Wachstum angetrieben. Mehr als 90 Prozent der Ausleihungen sind Hypotheken. Auch 2023 konnte Raiffeisen ihren Marktanteil im Immo-Geschäft erhöhen. Heute stammt fast jede fünfte Schweizer Hypothek von einer Raiffeisenbank. So heiss wie in den vergangenen Jahren ist der Immobilienmarkt wegen der gestiegenen Zinsen zwar nicht mehr.

Trotzdem dürfte Raiffeisens Immobiliengeschäft weiter brummen. Der Markt habe die Zinswende besser weggesteckt als erwartet, schreibt die Bank. Es gebe zwar weniger Transaktionen, und in gewissen Regionen seien leicht sinkende Häuserpreise zu beobachten. Die «Gefahr einer signifikanten Preiskorrektur» wird aber als sehr klein eingeschätzt. Und solange es im Immobilienmarkt läuft, läuft es auch bei Raiffeisen.

Künftig will sich die Bankengruppe aber nicht mehr nur auf den Immo-Markt verlassen. So sieht Huber auch im Anlagegeschäft und im Vermögensaufbau für das Alter Potenzial. In der Vermögensverwaltung seien die Eintrittshürden bei Raiffeisen tief, und man wolle in der Breite wachsen. «In diesem Bereich können wir noch mehr tun», sagt der seit 2019 als CEO amtierende Huber.

Der Höhepunkt des Erfolgs dürfte für Raiffeisen aber vorerst erreicht sein. Angesichts des erwarteten sinkenden Zinsniveaus rechnet Raiffeisen wieder mit rückläufigen Zinserträgen. Deshalb geht man nicht davon aus, dass das gute Ergebnis von 2023 in diesem Jahr ganz erreicht wird. Ein Gewinn von deutlich über einer Milliarde Franken dürfte dennoch weiterhin drinliegen.

Wann ist es zu viel Kapital?

Doch was macht die Bank mit dem Milliardengewinn? Sie hortet ihn. Im Gegensatz zu den Kantonalbanken muss Raiffeisen keine Dividenden an die Kantone ausschütten. 90 Prozent ihres Jahresgewinns verwendet die Bank für den Aufbau von zusätzlichem Kapital, das in schlechten Jahren Verluste abfedern soll. «Gewinnthesaurierung» nennt sie den Vorgang.

Raiffeisens Kapitalpolster ist mit 25 Milliarden Franken mittlerweile so gross, dass die Kernkapitalquote bei fast 20 Prozent liegt. Zum Vergleich: Die UBS kommt derzeit auf 14,5 Prozent. So erfüllt Raiffeisen schon heute die Bestimmungen, die für systemrelevante Banken ab 2026 gelten. Doch ist der Aufbau von weiterem Kapital darüber hinaus noch effizient?

«Über eine starke Kapitalisierung können wir Kundenvertrauen gewinnen», sagt Huber. Es gehöre seit je zur DNA von Raiffeisen, den Grossteil des Gewinns einzubehalten, um noch stärker dazustehen. «Insofern gibt es für uns kein überschüssiges Kapital», sagt der Bankenchef.

«Offen für sachgerechte Regulierung»

Zudem sei noch unklar, ob es künftig strengere regulatorische Auflagen geben werde. «Wir machen das nicht nur für uns. Wir wollen nicht, dass die Schweizer Bevölkerung nochmals ein ungewolltes Risiko eingehen muss», sagt Huber und deutet den Untergang der CS im vergangenen Jahr an, als der Bund eine Verlustgarantie in Milliardenhöhe sprechen musste, damit die Rettung durch die UBS zustande kommen konnte.

Im Hinblick auf möglicherweise strengere regulatorische Auflagen wie ein «Senior-Manager-Regime», das die Verantwortlichkeiten in der Bankführung klarer regelt und formalisiert, zeigt sich Huber «generell offen für eine sachgerechte Regulierung». Sie müsse aber das Geschäftsmodell berücksichtigen: Raiffeisen sei hauptsächlich im Inland tätig, habe kein ausländisches Filialnetz und keine Investmentbank. «Das sind andere Voraussetzungen», sagt Huber.

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