Dienstag, Februar 25

Die Notenbanken kämpfen mit den immensen Wertpapierkäufen der Vergangenheit. Der Bundesbank-Präsident Nagel kündigt zudem einen Vorschlag zur Reform der deutschen Schuldenbremse an.

Europas Notenbanken spüren seit zwei Jahren mit voller Wucht die Folgen der einst lange Zeit extrem expansiven Geldpolitik und der Wertpapierkäufe in Billionenhöhe. Am Dienstag wies die Deutsche Bundesbank einen Bilanzverlust von 19,2 Milliarden Euro für 2024 aus. Ohne die Auflösung weniger verbliebener Rücklagen hätte der Verlust sogar knapp 20 Milliarden Euro betragen. Für die Bundesbank ist es der erste Verlust seit 1979 und zugleich der grösste in der Geschichte.

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Letzte Woche hatte bereits die Europäische Zentralbank (EZB) mitgeteilt, 2024 einen Verlust von knapp 8 Milliarden Euro erlitten zu haben.

Schon im Vorjahr hätten die beiden Notenbanken beinahe milliardenschwere Verluste erlitten. Sie konnten das entstandene operative Minus jedoch durch die vorhandenen Rücklagen noch kompensieren. Dieses Jahr gab es allerdings kaum noch Rücklagen, weswegen die Verluste nun fast voll durchschlagen.

Billionenschwere Wertpapierkäufe als Ursache

Für 2023 hatten die operativen Verluste der Bundesbank 21,6 Milliarden Euro betragen. Dank Rückstellungen und Rücklagen hatte das Institut diese Verluste jedoch gerade so noch auffangen können, so dass unter dem Strich eine rote Null stand. Die EZB hatte im vergangenen Jahr sogar bereits einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro veröffentlichen müssen, da die Rückstellungen nicht mehr ausgereicht hatten.

Die Ursache für die roten Zahlen sind die immensen Wertpapierkäufe der Vorjahre, die zu einer enormen Überschussliquidität im System geführt haben. Einerseits hatten Notenbanken wie die Bundesbank im Rahmen der Geldpolitik der EZB überwiegend Staatsanleihen erworben, die allerdings sehr niedrig verzinst werden. Dabei haben die nationalen Zentralbanken, die teilweise für die Umsetzung der EZB-Geldpolitik zuständig sind, überwiegend Staatsanleihen ihrer Heimatländer erworben. Deutsche Papiere werfen aufgrund der exzellenten Bonität Deutschlands jedoch nur eine sehr geringe Verzinsung ab.

Zugleich sind die Notenbanken verpflichtet, kurzfristige Einlagen der Geschäftsbanken zum jeweils aktuellen Niveau zu verzinsen. Das war in der Null- und der Negativzinsphase kein Problem. Die EZB hatte dann jedoch aufgrund der hohen Inflation die Leitzinsen gemessen am Einlagensatz von Mitte 2022 bis Mitte 2023 in einer wohl nie zuvor gesehenen Geschwindigkeit von –0,5 auf 4 Prozent angehoben.

Derzeit notiert der Einlagensatz aufgrund von fünf Zinssenkungen seit vergangenem Juni nur noch bei 2,75 Prozent. Dennoch sind die Kosten der Notenbanken für die Verzinsung der Einlagen der Geschäftsbanken immer noch erheblich grösser als die Erträge aus den Staatsanleihen.

Berlin muss lange auf Gewinn warten

Die Belastungen dürften in den kommenden Jahren sehr hoch bleiben, allerdings langsam abnehmen, erklärten der Bundesbank-Präsident Joachim Nagel und die Vizepräsidentin Sabine Mauderer vor Medienvertretern. Zum einen würden die niedrig verzinsten Anleihen im Portfolio nach und nach auslaufen. Zum anderen sollten die Zinskosten für Einlagen der Kreditinstitute angesichts des sinkenden Zinsniveaus weiter nachlassen.

Die immensen Verluste sind für die Bundesbank nicht neu. Bereits in den 1970er Jahren musste die Bank kumulierte Bilanzverluste von gut 20 Milliarden D-Mark ausweisen und konnte deshalb neun Jahre lang keinen Gewinn an die Regierung nach Bonn überweisen. Damals operierte die Bundesbank mit sogenannten Verlustvorträgen, die sie dann mit späteren Gewinnen nach und nach wieder abbaute.

So ist es auch in diesem Jahrzehnt geplant. Den letzten Gewinn hat die Deutsche Bundesbank 2019 nach Berlin überwiesen. Danach gingen die Gewinne entweder in den Aufbau von Rückstellungen, oder es gab operativ gar keine mehr. Das wird aufgrund der beschriebenen Mechanismen auch in den kommenden Jahren so bleiben.

Notenbanken können grosse Verluste aushalten

Der Internationale Währungsfonds rechnet damit, dass erst im Jahr 2032 möglicherweise wieder ein Gewinn für den Bund übrigbleiben könnte. Präsident Nagel wollte sich zur zeitlichen Perspektive jedoch nicht konkret äussern – unter anderem, weil die Entwicklung des Zinsniveaus auf so lange Sicht schwer kalkulierbar sei.

In der Phase der billionenschweren Staatsanleihekäufe hatten Finanzminister und Steuerzahler in der Euro-Zone von niedrigen Zinsen profitiert. Dadurch konnten sie sich unter anderem äusserst günstig verschulden. Damals wollte die EZB dadurch die von ihr gesehene Gefahr einer Deflation bekämpfen und die Teuerung durch niedrige Leitzinsen und massive Wertpapierkäufe ankurbeln. Doch jetzt kommt die Rechnung für diese Politik in Form von erheblichen Verlusten.

Anders als für Geschäftsbanken ist es für Notenbanken jedoch kein grösseres Problem, auch mehrere Jahre milliardenschwere Fehlbeträge auszuweisen. In Schweden wurde aufgrund einer anderen Rechtslage jedoch die Reichsbank bereits rekapitalisiert. Dieses Szenario droht in Deutschland allerdings noch lange nicht.

Der Grund dafür ist unter anderem, dass die Bundesbank von erheblichen Bewertungsreserven profitiert, vor allem beim Goldpreis. Die Bank hat ihre Goldbestände zu einem im Vergleich mit dem gegenwärtigen Börsenpreis sehr viel niedrigeren Wert in den Büchern stehen. Daraus resultierte Ende 2024 eine Bewertungsreserve der Bundesbank von insgesamt 267 Milliarden Euro.

Bundesbank plädiert für Reform der Schuldenbremse

Nagel kündigte angesichts der leeren Kassen der Bundesregierung ferner einen neuen Vorschlag der Bundesbank zur Reform der Schuldenbremse an. Dieser soll in weniger als zwei Wochen vorliegen. Es sei wichtig, dass die Schuldenbremse als Stabilitätsinstrument verankert bleibe, sagte er.

Allerdings befindet sich Deutschland laut Nagel in einer anderen Umgebung als vor fünfzehn Jahren, als die Schuldenbremse begründet wurde. In Deutschland steigt seit langem der Druck zu einer Reform, um Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz von den als eng empfundenen Vorgaben der Schuldenbremse zu befreien.

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