Donnerstag, November 21

Im Kartellverfahren gegen Google schlägt das amerikanische Justizministerium vor, dass der Konzern seine Geschäftssparte Chrome abspalte. Die neue Regierung von Donald Trump könnte zur letzten Hoffnung von Google werden.

Das amerikanische Justizministerium hat am Mittwoch dem zuständigen Bundesgericht mitgeteilt, wie sich Googles illegales Monopol im Suchmaschinenmarkt auflösen lasse: Der Konzern solle seine Geschäftssparte um den Internetbrowser Chrome verkaufen. Die Anwälte des Justizministeriums argumentieren, dass Wettbewerb im Suchmaschinenmarkt künftig nur gewährleistet sei, wenn Google seine Suchfunktion von Produkten löse, mit denen man ins Internet gehe, konkret also dem Browser Chrome.

Es war nicht der einzige Vorschlag des Justizministeriums: Ebenso müsse Google seine Vereinbarungen mit Firmen wie Apple beenden, die Google zur vorinstallierten Suchmaschine auf dem iPhone und dem iPad machten. Insgesamt zahlte Googles Mutterkonzern Alphabet im Jahr 2021 mehr als 26 Milliarden Dollar an Drittfirmen, um als Standardsuchmaschine auf Elektronikgeräten vorinstalliert zu sein. Weiter solle Google die Daten, die es aus den Suchanfragen von Nutzern ableite, mit Konkurrenten teilen müssen. Und zudem dürfe Google nicht mehr die bevorzugte Suchmaschine des Smartphone-Betriebssystems Android sein, welches Milliarden von Nutzern weltweit verwendeten.

Verfahren hatte unter Trump begonnen

Die Vorschläge des Justizministeriums greifen Googles Stellung im Suchmarkt an allen wichtigen Fronten an. Es ist die jüngste Entwicklung in einem seit Jahren andauernden Verfahren gegen die weltgrösste Suchmaschine. Während der ersten Amtszeit von Donald Trump hatte das Justizministerium Ermittlungen gegen Google eingeleitet mit dem Vorwurf, Google habe eine Monopolstellung im Suchmaschinenmarkt erlangt. Zahlreiche Gliedstaaten hatten sich der Klage angeschlossen.

Das Verfahren wurde unter Präsident Joe Biden fortgesetzt. Ein amerikanisches Bundesgericht hatte dann im August in einem aufsehenerregenden Urteil befunden, dass Google tatsächlich ein illegales Monopol bei der Internetsuche habe.

Der zuständige Bezirksrichter hatte das Justizministerium aufgefordert, bis Mittwoch Vorschläge anzubringen, wie Googles Suchmonopol beendet werden könnte. Dem kam das Justizministerium nun am späten Mittwochabend amerikanischer Ostküstenzeit nach.

Dank der Suche wurde Google zum weltgrössten Anbieter für Digitalwerbung

Tatsächlich ist Googles Rolle im Suchmarkt bemerkenswert. 90 Prozent aller Suchanfragen laufen über Google, die zweitgrösste Suchmaschine Bing hat einen Marktanteil im einstelligen Prozentbereich.

Dank der Suche sammelt der Konzern viele Informationen über seine Nutzer, die er wiederum nutzt, um zielgerichtete Anzeigen im Internet verkaufen zu können. Auf diese Weise wurde Google zum weltgrössten Anbieter für Digitalwerbung. Allein im dritten Quartal 2024 machte Google damit einen Umsatz von knapp 66 Milliarden Dollar.

Gleichzeitig ist Googles hauseigener Browser Chrome einer der beliebtesten weltweit mit einem Marktanteil von etwa zwei Dritteln gemäss der Website Statcounter. Google ist natürlich die voreingestellte Suchmaschine bei Chrome, und das Zusammenspiel von beidem ermöglicht es Google, das Such- und Surf-Verhalten seiner Nutzer noch genauer zu erfassen und zu monetarisieren.

Ob eine Abspaltung von Chrome tatsächlich das Suchmaschinenmonopol auflösen würde, darf hinterfragt werden. In Europa müssen Google und auch Apple auf Druck der EU hin den Nutzern bereits mehrere Suchmaschinen zur Auswahl anbieten; doch die meisten Nutzer entscheiden sich wieder für Google.

Zudem ist die Frage, was Chrome allein einer Drittfirma nutzen würde – der Wert von Chrome ist zurzeit vor allem als Baustein im Google-Ökosystem zu sehen. Der Wert dürfte gemäss Bloomberg bei stolzen 20 Milliarden Dollar liegen. Der Technologieautor John Gruber fand einen treffenden Vergleich: Auf seinem Blog «Daring Fireball» schrieb er, das sei so, als würde er gezwungen, seinen linken Fuss abzuspalten und zu verkaufen. «Er ist für mich sehr wertvoll, aber nutzlos für jeden anderen.»

Trumps Wiederwahl dürfte den Fall beeinflussen

Der laufende Prozess gegen Google ist das grösste Kartellrechtsverfahren gegen einen amerikanischen Technologiekonzern seit zwanzig Jahren. Ende der neunziger Jahre hatte das Justizministerium schwere Kartellrechtsverstösse bei Microsoft beanstandet. Im Berufungsverfahren siegte der Konzern, letztlich einigte man sich aussergerichtlich. Doch das Verfahren absorbierte über Jahre hinweg Ressourcen im Top-Management.

In jener Zeit strebte auch ein kleines kalifornisches Startup namens Google auf; manche Beobachter sagen, dass Microsoft durch das Kartellrechtsverfahren zu abgelenkt war, um die Konkurrenz durch Google wirklich ernst nehmen zu können.

Die Analogie zur heutigen Zeit könnte die Firma Open AI sein, die Googles Suchgeschäft mit Chatbots wie Chat-GPT Konkurrenz macht. Ironischerweise ist nun ausgerechnet Microsoft der grösste Investor bei Open AI.

Das letzte Wort ist auch in diesem Verfahren noch lange nicht gesprochen, es dürfte weiter die Aufmerksamkeit des Google-Managements absorbieren: Bei den am Mittwoch präsentierten Vorschlägen des Justizministeriums handelt es sich zunächst nur um Ideen. Diese werden im April 2025 vor dem Bundesgericht verhandelt. Das Urteil dürfte dann im August erfolgen. Google dürfte nahezu sicher in Berufung gehen, und dieses Verfahren könnte wiederum mehrere Jahre dauern.

Googles Hoffnung dürfte nun sein, dass sich der Regierungswechsel in Washington im Januar grundsätzlich auf das Verfahren auswirkt. Zwar hatten die Ermittlungen des Justizministeriums gegen Googles Suchmaschinenmonopol in der ersten Amtszeit von Trump begonnen; doch der Republikaner gilt gemeinhin als wirtschaftsfreundlicher als die Biden-Regierung. An einer Wahlkampfveranstaltung vor wenigen Wochen hatte Trump zudem angedeutet, dass er Google nicht aufspalten wolle.

Trump könnte indirekt durchaus den Fall entscheiden: Als Präsident wird er voraussichtlich einen neuen Vorsitzenden der Kartellrechtsabteilung des Justizministeriums benennen. Diese Person wird dann die Hoheit über die Google-Klage sowie alle anderen laufenden Prozesse gegen Big-Tech-Firmen übernehmen – und kann letztlich entscheiden, diese fortzusetzen oder sie ganz einzustellen.

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