Mittwoch, Oktober 2

Der Goldpreis notiert über 2400 Dollar und hat seit Jahresbeginn stark zugelegt. Was für weitere Gewinne bei der «Krisenwährung» spricht und was dagegen – und welche Prognosen die Experten abgeben.

Der Goldpreis eilt von Rekord zu Rekord. Der Preis für eine Unze des Edelmetalls lag am Freitag bei 2411 Dollar und damit knapp 17 Prozent höher als zu Jahresbeginn. Als Auslöser für den jüngsten Preisanstieg gilt die niedriger als erwartet ausgefallene Inflation in den USA. Anleger hoffen nun wieder verstärkt auf baldige Zinssenkungen der US-Notenbank Federal Reserve – und niedrigere Zinsen verringern die Opportunitätskosten des Haltens von Gold, das weder Zinsen noch Dividenden abwirft.

Der starke Anstieg in diesem Jahr kam für viele Beobachter unerwartet. Historisch gesehen reagiert der Goldpreis vor allem auf niedrigere Realzinsen oder einen schwachen Dollar – beides war jüngst aber nicht der Fall. Zudem hielt sich jüngst auch die Nachfrage von Anlegern nach Exchange-Traded Funds (ETF) auf Gold in Grenzen. Dies sind Anlageprodukte, mit denen Investoren indirekt Gelder in das Edelmetall anlegen können.

Gründe für den Höhenflug

Hinter dem rasanten Anstieg des Goldpreises stehen aber einige mächtige Treiber. Als Hauptgründe für den jüngsten Anstieg des Edelmetalls gelten folgende:

Käufe von Zentralbanken aus Schwellenländern: Laut Claudio Wewel, Währungsstratege bei der Bank J. Safra Sarasin, hat die türkische Notenbank im ersten Quartal dieses Jahres besonders stark Gold zugekauft, es folgt die chinesische Zentralbank. Letztere hat 18 Monate in Folge Zukäufe zu ihren Goldreserven ausgewiesen, wie es in dem am Freitag publizierten jährlichen Gold-Bericht des Vermögensverwalters Incrementum heisst. «Das ist eine strukturelle Bewegung, die seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs verstärkt zu beobachten ist», sagt Wewel. Oftmals handle es sich dabei um Regime, die sich gegen US-Sanktionen in der Zukunft absichern wollten.

Das Einfrieren der russischen Währungsreserven habe den dortigen Regierungen gezeigt, dass schuldenbasierte Währungsreserven letztlich «nur ein Versprechen darstellen» und im Konfliktfall zu wertlosen Datenbankeinträgen umgewandelt werden können, heisst es in dem Bericht, der in der Branche stark beachtet wird.

Käufe von chinesischen Privatanlegern: Zudem dürfte die Immobilienkrise in China sowie die schwache Performance des chinesischen Aktienmarkts eine wichtige Rolle beim Anstieg des Goldpreises spielen. Zudem überwacht die chinesische Regierung zunehmend Auslandsinvestitionen der Bürger. «Dies hat dazu geführt, dass Gold zu einer der letzten verbleibenden Möglichkeiten für chinesische Sparer geworden ist, Geld anzulegen», sagt Wewel.

Schwierige geopolitische Lage: Auch die traditionelle Rolle von Gold als «Krisenwährung» kommt immer stärker zur Geltung. Nach dem Krieg in der Ukraine sorgt auch der Gaza-Krieg nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres für grosse geopolitische Spannungen.

Ein neues Paradigma? Ronald-Peter Stöferle und Mark Valek von Incrementum beobachten sogar eine Aufwertung von Gold im Spektrum der Anlageinstrumente. Schliesslich sei der Preis für das Edelmetall in einem Umfeld gestiegen, in dem er laut den Erfahrungswerten hätte fallen müssen, teilen sie mit. «Im alten Paradigma war es undenkbar, dass der Goldpreis während einer Phase stark steigender Realzinsen fester tendiert.» Ein Faktor dabei sei die jahrelange Null- und Negativzinspolitik der Zentralbanken, die jegliche Risikoprämien «atomisiert» habe.

Hohe Staatsverschuldung: Die Niedrigzinsen haben Staaten zudem Anreize zu einer starken Verschuldung geliefert. Laut Incrementum ist etwa der Schuldenstand der USA seit dem vierten Quartal 2019 – also vor dem Ausbruch der Corona-Krise – um 11 Billionen Dollar beziehungsweise rund einen Drittel gestiegen. Historisch gesehen hätten Überschuldungen meist zu Staatsfinanzierungen durch die Notenbanken, zu verstärkter finanzieller Repression und zu Inflation geführt, heisst es in dem Bericht. Auch dies spricht für Anlagen in Gold.

Unterschiedliche Prognosen

Nach dem rasanten Anstieg sind die Meinungen der Finanzmarktteilnehmer über die weitere Entwicklung des Goldpreises nun gespalten.

«Ein Sprung von 2000 auf 2400 Dollar innerhalb solch kurzer Zeit lässt sich nicht fundamental erklären», sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank (SGKB). «Da ist sehr viel Spekulation dabei.» Der Goldpreis könne folglich auch rasch um 200 bis 300 Dollar korrigieren, denn bei schnellen Anstiegen gebe es stets auch ein Rückschlagspotenzial. Natürlich seien die Käufe der Zentralbanken ein wichtiger Faktor für den Anstieg, doch dies sei auch keine neue Entwicklung, sagt Stucki. «Auf dem aktuellen Preisniveau können Anleger bei Gold auch Gewinne mitnehmen.»

«Irgendwann kommt die Zeit für einen Verschnaufer, eine Konsolidierung beim Goldpreis», sagte auch Stöferle am Freitag bei der Präsentation des Berichts. Bis Ende 2030 rechnet Incrementum aber mit einem Anstieg des Preises auf 4800 Dollar pro Unze. Dies würde bis zum Ende dieses Jahrzehnts im Durchschnitt ein Plus von 12 Prozent pro Jahr bedeuten.

Auch der Safra-Sarasin-Währungsstratege Wewel sieht keine Gefahr für einen deutlichen Rückschlag beim Goldpreis. Vor allem die Käufe der Zentralbanken sorgten dafür, dass der Preis für das Edelmetall einen gewissen Boden habe. «Damit der Goldpreis wieder unter 2200 Dollar fällt, müsste es zu einem sehr speziellen Szenario kommen», sagt er. Ein solches könnte beispielsweise eine deutliche Annäherung von China und den USA oder ein deutlicher Rückgang der geopolitischen Spannungen sein. Beides sei derzeit aber leider unwahrscheinlich, sagt Wewel.

Vielmehr sieht auch er Potenzial für einen weiteren Anstieg des Goldpreises. Die klassischen Faktoren für Gold-Haussen dürften aus seiner Sicht für zusätzliches Aufwärtspotenzial sorgen. Wenn die Zinsen sinken, verringern sich die Opportunitätskosten des Haltens von Gold – es wird folglich attraktiver, in das Edelmetall zu investieren.

Zudem drückt ein starker Dollar unter normalen Umständen meist den Goldpreis. Schwächt sich der derzeit starke Dollar ab, könnte dies den Goldpreis weiter unterstützen. Die Bank J. Safra Sarasin hat folglich ihre Preisziele für Gold jüngst heraufgesetzt. Für das vierte Quartal dieses Jahres rechnet sie mit einem Goldpreis von 2500 Dollar, für das vierte Quartal 2026 mit einem solchen von 2600 Dollar.

Obwohl der Goldpreis jüngst im Gleichschritt mit den Aktienmärkten gestiegen ist, glaubt Wewel nicht, dass das Edelmetall seine Diversifikationseigenschaften in einem Portfolio eingebüsst hat. Auch wenn der Konjunkturzyklus sich abschwäche, dürften die strukturellen Treiber des Goldpreises wie die Nachfrage der Zentralbanken erhalten bleiben. Selbst wenn es also am Aktienmarkt zu einem Rückschlag komme, heisse das nicht, dass auch der Goldpreis zurückgehe.

Chancen für einen weiteren Anstieg von Silber?

Im Windschatten des Goldes ist auch der Preis für Silber deutlich gestiegen. Eine Unze des Edelmetalls, das auch als «kleiner Bruder» von Gold bezeichnet wird, kostete am Freitag mit 30,70 Dollar rund 29 Prozent mehr als zum Jahresanfang.

Auch für die Entwicklung des Silberpreises ist Wewel positiv gestimmt. Silber sei in den letzten Jahren etwas im Schatten von Gold gestanden, nun könnte der Preis dafür stärker nachziehen, erwartet der Währungsstratege. Silber wird im Gegensatz zu Gold auch stärker als Industriemetall eingesetzt, so wird es beispielsweise in elektronischen Applikationen benötigt. Der Silberpreis könnte folglich vom Boom im Bereich der künstlichen Intelligenz profitieren. Anleger sollten indessen beachten, dass der Silberpreis stark schwankt – und zwar noch deutlich mehr als der Goldpreis.

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