Das Edelmetall ist wieder auf Rekordjagd – trotz eines starken Dollars, steigender US-Zinsen und einer schwachen Investorennachfrage im Westen. Entscheidend sind die Käufe der Zentralbanken.
Goldanleger in der Schweiz und im Euroraum dürfen sich freuen: Der Kilopreis erreicht ein Allzeithoch nach dem anderen und liegt derzeit bei 82’049 Fr. bzw. 86’887 €. Auch der Goldpreis in Dollar befindet sich mit 2801 je Unze auf Rekordniveau.
«Die Treiber der Rally sind die anhaltende Marktunsicherheit, die meiner Meinung nach durch US-Präsident Donald Trump verstärkt wird. Zölle, Abschiebungen und Steuersenkungen deuten auf eine weiter steigende Inflation hin», sagt Giovanni Staunovo, Rohstoffanalyst bei der UBS. Zudem sorgen die wachsende Verschuldung und geopolitische Unsicherheiten für eine erhöhte Nachfrage nach sicheren Häfen wie Gold.
Dollar und US-Realzinsen ohne messbaren Einfluss
Allerdings gibt es zwei Faktoren, die eigentlich gegen diese Entwicklung sprechen. Zum einen die anhaltende Stärke des Dollars: Auf Jahressicht hat der Dollar-Index, der den Wert der US-Valuta anhand eines Korbs aus sechs Währungen misst, um 4% zugelegt. Normalerweise besteht eine negative Korrelation zwischen Gold und dem Dollar.
Zudem fällt der Goldpreis in der Regel, wenn die Realzinsen in den USA steigen. Die inflationsbereinigte Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen ist im vergangenen Jahr um 35 Basispunkte auf 2,13% gestiegen.
Die Korrelation von Gold mit dem Dollar und den Realzinsen ist derzeit nicht gegeben – eine ungewöhnliche Situation, die in der Vergangenheit eher die Ausnahme als die Regel war.
«Angesichts des stärkeren Dollars und der höheren US-Anleiherenditen ist die Widerstandsfähigkeit des Goldpreises bemerkenswert», sagt Carsten Menke, Edelmetallexperte bei der Bank Julius Bär.
Westliche Anleger halten sich zurück
Die Marktstimmung bleibt derweil äusserst optimistisch, was sich in der Positionierung an den Terminmärkten zeigt: Die Wetten auf steigende Goldpreise übersteigen die Wetten auf fallende Preise um das Sechsfache – der höchste Stand seit rund fünf Jahren. Eine derart einseitige Positionierung birgt jedoch kurzfristig Rückschlagsrisiken.
Gleichzeitig bleiben westliche Investoren dem Markt fern, was die physische Nachfrage schwächt. In China hingegen ist die Nachfrage gestiegen, wenn auch von einem niedrigen Niveau aus. ETF-Investitionen spielen im Reich der Mitte nur eine geringe Rolle, der Grossteil der Nachfrage entfällt auf Barren und Münzen.
«Für einen weiteren Preisanstieg sind niedrigere Realzinsen erforderlich, die die Anlegernachfrage im Westen zusätzlich ankurbeln würden», argumentiert Staunovo.
Die Schmucknachfrage spielt hingegen eine untergeordnete Rolle, weil sie stark preissensitiv ist. Schmuckkäufer sind Preisnehmer – hohe Preise dämpfen die Nachfrage. Anders verhält es sich bei Investoren und Zentralbanken: Sie halten Gold als Vermögensschutz, weitgehend unabhängig vom Preis.
Gleichzeitig beeinflusst die Angebotsseite den Gesamtmarkt kaum. Bisher wurden nach offiziellen Angaben weltweit rund 212’500 Tonnen Gold gefördert, das zu 99% recycelt wird. Jährlich kommen etwa 3500 Tonnen hinzu, was den Gesamtbestand um nur 1,5% erhöht.
Zentralbanken wieder treibende Kraft
Die Zentralbanken sind derzeit die treibende Kraft auf dem Goldmarkt. Ihre Käufe haben gegen Ende des vergangenen Jahres zugenommen – allerdings vor allem durch nicht gemeldete Transaktionen, die sich anhand der Handelsströme nach und aus dem Vereinigten Königreich und der Schweiz verfolgen lassen. Die offiziell gemeldeten Käufe blieben dagegen moderat.
Die chinesische Zentralbank meldete für das vierte Quartal des vergangenen Jahres Goldkäufe in Höhe von 15 Tonnen, während Schätzungen von insgesamt rund 70 Tonnen ausgehen. Ob diese beschleunigten Käufe in direktem Zusammenhang mit der Präsidentschaft Trumps und seinen Zolldrohungen stehen, bleibt unklar. Für das Gesamtjahr geht die Bank Julius Bär davon aus, dass China seine Goldreserven um mehr als 300 Tonnen aufgestockt hat – davon wurden jedoch lediglich 44 Tonnen offiziell gemeldet.
Goldkäufe der Zentralbanken sind derzeit der wichtigste strukturelle Treiber des Goldmarkts. Solange die geopolitischen Spannungen anhalten, dürften insbesondere Zentralbanken aus Schwellenländern weiterhin Gold erwerben, um ihre Abhängigkeit vom Dollar zu reduzieren. Dieses Muster war in den vergangenen Monaten klar erkennbar und trägt massgeblich zur Stärke des Goldpreises bei.
Trump sorgt für Unsicherheit
«Die Verschuldung dürfte weiter steigen und früher oder später in den Fokus rücken. Denken Sie an das KI-Startup Deepseek: sieben Tage lang kaum beachtet – und erst am letzten Tag wurde es zum Hurrikan», argumentiert Hans Peter Schmidlin, Rohstoff-Analyst und Investment Advisor der Basler Kantonalbank und der Bank Cler. Ähnlich könnte es mit der Staatsverschuldung verlaufen: Plötzlich wird das Thema brisant, und Gold könnte als stabiler Anker dienen. Schmidlin erwartet bis Jahresende einen Kilopreis von 90’000 Fr.
Menke sieht die globale Schuldenlage hingegen als weniger relevant für die Goldnachfrage: «Einige Investoren achten darauf, aber sie sind in der Minderheit.» Vielmehr bringt die Präsidentschaft von Donald Trump Unsicherheit mit sich.
Seine Politik kann den Goldpreis sowohl stützen als auch belasten. Preistreibend wirken mögliche Handelskonflikte sowie Sorgen über die US-Staatsverschuldung, die den Dollar langfristig schwächen könnten. Gemessen an der Kaufkraftparität oder dem langfristigen historischen Durchschnitt ist der Dollar gegenüber den wichtigsten anderen Währungen zudem um mindestens 10% überbewertet.
Trumps wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik, die den Dollar und die Anleiherenditen stärkt, belasten dagegen den Goldpreis.
Daniel Hartmann, Chefökonom beim Vermögensverwalter Bantleon geht davon aus, dass der Dollar dank Trump in den kommenden Monaten sein Niveau gegenüber anderen Währungen zumindest halten oder sich sogar weiter aufwerten wird. Auch bei den US-Renditen zehnjähriger Staatsanleihen rechnet Hartmann – nach einem Rücksetzer im ersten Halbjahr – wegen der Dynamik der US-Wirtschaft und Inflation Ende 2025 mit einem Anstieg in Richtung 5 bis 5,2%
Unter normalen Umständen keine guten Vorzeichen für Gold. In einer multipolaren Welt, in der die Goldkäufe der Zentralbanken auch geopolitisch motiviert sind, verliert der Ausblick zur US-Konjunktur jedoch an Brisanz.