Freitag, April 25

Nissans Zukunftsaussichten verdüstern sich. Allerdings wird der Führungswechsel in der Branche bereits als positives Signal gesehen.

Der angeschlagene japanische Autobauer Nissan hat am Donnerstag einen neuen Rekordverlust angekündigt. Der Nettoverlust werde in dem im März abgelaufenen Bilanzjahr bei 700 bis 750 Milliarden Yen liegen, umgerechnet 4,3 bis 4,6 Milliarden Euro. Damit übersteigt der Verlust den bisherigen Rekordverlust vor 25 Jahren.

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Der Grund sind höhere Abschreibungen für Wertminderungen, die im Rahmen von Nissans Sanierungsplan anfallen. «Wir passen unseren Ausblick für das Gesamtjahr umsichtig an und berücksichtigen dabei eine gründliche Überprüfung unserer Leistung und des Buchwerts unserer Produktionsanlagen», erklärte der neue Nissan-Chef Ivan Espinosa.

Über 500 Milliarden Yen tragen Wertminderungen in Nordamerika, Lateinamerika, Europa und Japan zu dem höheren Verlust bei. Zusätzlich fallen Restrukturierungskosten von mehr als 60 Milliarden Yen an. Details wird Nissan mit seiner Jahresbilanz am 13. Mai veröffentlichen.

Nissan muss wieder ums Überleben zittern

Die Ankündigung kommt nicht völlig überraschend. Analysten hatten sich bereits gewundert, dass Nissan bisher nur ausserordentliche Posten von 100 Milliarden Yen (614 Millionen Euro) angekündigt hatte – zu wenig angesichts der schweren, langjährigen Krise des Autokonzerns, der 1999 von Renault gerettet werden musste.

Schon 2023 kam der Konzern ins Schlingern. Eine mögliche Fusion mit dem japanischen Rivalen Honda sollte Hilfe bringen. Doch die Verhandlungen scheiterten Anfang des Jahres. Mit den Autozöllen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump drohen nun ausgerechnet in Nissans wichtigem US-Markt weitere finanzielle Auswirkungen. Nissan produziert zwar in den USA, liefert aber viele Modelle aus Mexiko und Japan zu.

Der japanische Autoanalyst Takaki Nakanishi sagte vor der Veröffentlichung der Nachricht, dass Nissan «ziemlich verwundbar» sei. Kurzfristig hält er Nissans Überleben zwar wegen der Bargeldreserven von einer Billion Yen (6,2 Milliarden Euro) nicht für gefährdet, mittelfristig allerdings schon.

«Nissan ist heute reich an Bargeld, wird es aber möglicherweise in 365 Tagen nicht mehr sein», mahnte der renommierte japanische Analyst. Denn neben einem negativen Cashflow von umgerechnet 1,8 bis 2,5 Milliarden Euro werden Anleihen in Höhe von 4 Milliarden Euro fällig. Die Reserven könnten daher schnell aufgebraucht sein.

Nakanishi erwartet daher schwere Jahre für das Unternehmen, die Mitarbeiter und Aktionäre. «Es ist unmöglich, in nur zwei bis drei Jahren eine Wende herbeizuführen», meinte Nakanishi. Die nächsten wettbewerbsfähigen Produkte kämen erst 2028 auf den Markt. Aber wenn das Unternehmen diese Zeit überlebe, könnte es wieder eine Erholung geben. Notwendig seien aber grundlegende Reformen mit «einer starken Führung, die eine neue Richtung vorgibt».

Eine neue Führung soll die Wende bringen

Immerhin hat Nissan gerade den langjährigen Konzernchef Makoto Uchida durch den jüngeren mexikanischen Chief Planning Officer Espinosa ersetzt. Dieser steht nun unter Druck, bis zur Bilanzpressekonferenz weitere Massnahmen zur Sanierung des Unternehmens vorzustellen.

Mit einfachen Kostensenkungen ist es nicht getan. Japans Autowelt macht vor allem Nissans Unternehmenskultur für die Krise verantwortlich. Unter der Führung von Renault und des langjährigen Chefs Carlos Ghosn, der später auch Renault in Personalunion führte, hatte sich Nissan schnell saniert und internationalisiert.

Doch nach Ghosns Verhaftung in Japan wegen Bilanz-Tricksereien habe sich Nissan «re-japanisiert» und wiederhole seine alten Fehler, sagt Nakanishi. Die Liste der Probleme ist lang: sehr langsame Entscheidungsfindung wegen komplexer Managementstrukturen, die Herrschaft älterer Männer, Realitätsverweigerung, falsche Produkt- und Markenstrategie, die besonders in den USA den Markenwert beschädigt hat, und die falsche Entscheidung, Kapazitäten in Japan auf Kosten der amerikanischen Werke zu halten.

Nissans Hauptproblem: Mit nur 3,3 Millionen verkauften Autos sind die Japaner zu klein, um allein die hohen Kosten für die Entwicklung von Elektroautos und die anderen Herausforderungen dauerhaft zu stemmen. Nach dem Scheitern der Fusionsverhandlungen mit Honda stellt sich daher auch die Frage, wie Nissans künftige Allianzstrategie aussehen wird.

Wer wird Nissans neuer Retter?

Die Verhandlung mit Honda über die Zusammenarbeit in einigen technologischen Bereichen gehen weiter. Zudem kursieren in Japan Gerüchte, dass amerikanische Technikunternehmen, zum Beispiel Amazon, bei Nissan einsteigen könnten. Der taiwanische Auftragsfertiger Foxconn wirbt bereits offen darum, sich an Nissan beteiligen zu können. Nakanishi glaubt, dass der taiwanische Konzern, der selbst Elektroautos entwickelt, Interesse an Investitionen in Nissan-Fabriken haben könnte.

Für Nakanishi hat Nissan mit dem Generationenwechsel an der Spitze allerdings bereits einen wichtigen Schritt getan. «Was das neue Managementteam angeht, bin ich sehr positiv gestimmt.» Anders als in der Vergangenheit werde es nicht mehr von japanischen Veteranen kontrolliert.

Er traut es Espinosa daher zu, eine Trendwende herbeiführen zu können, zum Wohle des Unternehmens wie der Nation. «Die Wiederbelebung von Nissan ist ein wichtiger Bestandteil der globalen Wettbewerbsfähigkeit Japans», urteilte Nakanishi. «Der japanische Automobilsektor muss weltweit wettbewerbsfähig bleiben – wir können diese Branche nicht aufgeben.»

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