Montag, Oktober 28

Mit dem R5 bringt Renault einen Verkaufsschlager vergangener Tage in neuem Gewand auf den Markt. Dem vollelektrischen Kleinwagen trauen viele den Durchbruch zu – in der Schweiz soll er zum Bestseller der Marke werden. Das Zeug dazu hat er.

Bei Renault verkauft sich in der Schweiz derzeit am besten ein Auto mit Verbrennungsmotor: Der Clio fand fast 1600 Käufer. Doch diese Position wird er im kommenden Jahr kaum verteidigen können, glaubt man Renault-Schweiz-Chefin Claudia Meyer: «Unser bestverkauftes Auto 2025 wird der neue Renault 5 sein.» Der Optimismus Meyers speist sich aus dem grossen Interesse, das potenzielle Kunden am R5 E-Tech, so der vollständige Modellnamen, haben.

Die Erwartungen sind also hoch gesteckt für den wiederbelebten Renault-Klassiker, der in den 1970er bis 1990er Jahren fast neun Millionen Käufer fand. In nur drei Jahren wurde aus einer Designstudie das aktuelle Serienmodell entwickelt, das komplett in Frankreich produziert wird. Vielleicht schielt man bei Renault auch mit einem Auge auf den Erfolg des Fiat 500, mit 3,2 Millionen Käufern seit seiner Einführung 2007 erfolgreichstes Retro-Modell überhaupt.

E-Autos sollen mehr Emotionen wecken

Renaults neue Modelle – neben dem R5 wird im kommenden Jahr auch eine elektrische Neuauflage des R4 auf den Markt kommen – sollen mit ihren zahlreichen Anspielungen und Zitaten das eher nüchterne Thema Elektromobilität emotional aufladen.

Ob dieser Anspruch erfüllt wird? Es scheint möglich. Für erste Testfahrten stand die stärkste Version zur Verfügung. Sie kombiniert eine 52 Kilowattstunden grosse Batterie mit einem 110 kW (150 PS) starken Elektromotor, der die Vorderräder antreibt. Mehr als 400 Kilometer Reichweite nach WLTP sollen so möglich sein, die Preisliste beginnt vorerst bei 32 500 Franken.

Das ist noch kein Sparpreis, aber dies wird sich im Laufe der Monate ändern, wenn nicht nur leistungsschwächere Motoren mit 70 oder 90 kW (95 oder 122 PS) bestellbar sind, sondern auch die Urban-Batterie mit 40 kWh Speicherkapazität. Die soll für bis zu 300 Kilometer gut sein – und den Einstiegspreis auf rund 25 000 Franken senken.

Mit 3,92 Metern Länge und knapp 1,50 Metern Höhe ist der R5 eine Handbreit kürzer als der Quasi-Vorgänger Zoe. Die Sitzposition auf den vorderen Plätzen ist angenehm, das Lenkrad lässt sich gut an die eigenen Vorlieben anpassen, Polsterung und Stoffe fühlen sich gut an, auch der Seitenhalt auf den Sitzen passt. Hinten geht es beengt zu. Die Füsse und Knie haben wenig Spielraum, und auch die Kopffreiheit lässt den Schluss zu: Hinten nehmen am besten Kinder Platz. Der Kofferraum des R5 erreicht mit 326 Litern Klassendurchschnitt. Mit geklappten Rücksitzen sind es gut 1100 Liter, allerdings mit einer grossen Stufe im Ladeboden.

Das zehn Zoll grosse digitale Cockpit gibt alle Informationen zum Fahrzeug, für das Infotainment steht ein ebenfalls zehn Zoll grosser Touchscreen bereit. Unter den grossen Lüftungsdüsen lassen sich die wichtigsten Funktionen der Klimatisierung über Schalter direkt bedienen.

Das Lenkrad selbst ist reichlich bestückt mit Bedienfeldern für Assistenzsysteme und Infotainment, dazu kommen Satelliten und Lenkstockhebel für Blinker und Licht, für Scheibenwischer und Lautstärkeregelung, den Schalter für die Fahrmodi Comfort, Sport und Eco sowie die Wahl der Fahrstufe – ein filigranes Hebelchen, das weit oben am Lenkstock andockt. Nicht zu vergessen ist ein Schalter neben dem Lenkrad, mit dem sich fünf Assistenzsysteme über einen Knopfdruck ein- oder ausschalten lassen – die Auswahl erfolgt zuvor über das Bildschirmmenu. Insgesamt sind 26 Assistenzsysteme im Einsatz.

Die Bedienung des Multimediasystems, das auf Android Automotive aufsetzt, ist intuitiv, das System reagiert schnell und flüssig. Neu ist der sprachgesteuerte Avatar Reno, der Antworten auf die meisten Fragen zur Bedienung des R5 liefert und dabei auch auf die künstliche Intelligenz Chat-GPT zurückgreift.

Bei der Navigation via Google wird nun auch eine Ladeplanung angeboten. Für die Strecke von Nizza nach Zürich plante das System mit drei Ladestopps, die Schnelllader sollten jeweils mit einem Batterieladestand von 15 Prozent angefahren werden.

Bidirektionales Laden ist beim R5 bereits möglich

Schnelles Laden ist beim R5 allerdings nicht unbedingt die Stärke. Die Ladeleistung von maximal 100 kW bei der grossen Batterie und 80 kW bei der kleinen ist durchschnittlich. Es braucht rund eine halbe Stunde, bis die Batterie wieder auf 80 Prozent aufgeladen ist.

Der R5 kann auch Energie wieder abgeben, über die Funktion Vehicle2Load lassen sich Elektrogeräte betreiben oder der Akku des Elektrovelos aufladen. Für die Schweiz noch Zukunftsmusik, in Frankreich und Deutschland aber demnächst Realität, ist die Einbindung der Fahrzeugbatterie ins Stromnetz. Nach Vereinbarung mit dem Stromanbieter dient der R5 als Puffer, um zum Beispiel bei viel erneuerbaren Energien im Netz diese lokal zu speichern – und bei Strombedarf wieder abzugeben.

Angetrieben wird der R5 von einem stromerregten Elektromotor an der Vorderachse. Das Magnetfeld wird elektrisch erzeugt, auf teure Magnete im Rotor wird verzichtet – und damit auch auf seltene Erden. Mit 110 kW Leistung und 245 Newtonmetern Drehmoment beschleunigt die elektrische Maschine den rund 1500 Kilogramm schweren R5 in acht Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Zum Vergleich: der erste VW Golf GTI brauchte dafür 9,2 Sekunden.

Während aber in der guten alten Zeit das forcierte Abrufen der Leistung gerne mit scharrenden Vorderrädern und Zucken im Lenkrad quittiert wurde, verläuft die elektronisch überwachte Leistungsabgabe im R5 ohne solch störenden Nebengeräusche. Der Kleinwagen reagiert selbst im Comfort-Modus unmittelbar auf die Befehle des Fahrpedals, im Sportmodus packt er noch eine Spur griffiger zu. Somit ist man auf der Landstrasse jederzeit gewappnet für ein möglichst kurzgehaltenes Überholmanöver, auf der Autobahn reichen die Fahrleistungen für weit mehr als blosses Mitschwimmen. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei 150 km/h abgeregelt – mehr als genug für Schweizer Strassen.

Überraschend positiv zeigt sich das Fahrverhalten des kleinen Renault. Dazu trägt einerseits der tiefe Schwerpunkt bei und andererseits das Fahrwerk mit einer Mehrlenker-Hinterachse. Damit wird der R5 den sportlichen Ambitionen gerecht, bleibt aber trotzdem komfortabel. Schnelle Spurwechsel sind ebenso wenig ein Problem wie sportliches Beschleunigen aus der Kurve heraus oder die Fahrt über unebene, wellige Strassenoberflächen. Die Lenkung ist leichtgängig und dabei exakt, der Wendekreis fällt mit 10,30 Metern klein aus.

Der Gangwahlhebel bietet neben dem normalen D-Modus auch noch die Fahrstufe B. In dieser rekuperiert der Elektromotor stärker, gewinnt also bei der Verlangsamung mehr Batteriestrom zurück. Der Effekt ist spürbar, in vielen Situationen kann so auf den Einsatz der hydraulischen Bremse verzichtet werden und das Auto nur durch Heben des rechten Fusses abgebremst werden. Allerdings ist im R5 kein richtiges Ein-Pedal-Fahren möglich, bei dem das Auto allein durch Rekuperation zum Stillstand kommt – das wird erst der nächstgrössere R4 im kommenden Jahr bieten.

Zum Marktstart ist der Renault 5 in der Schweiz in den gehobenen Ausstattungslinien Techno und Iconic verfügbar. Zur Serienausstattung gehören unter anderem Wärmepumpe, 18-Zoll-Räder, schlüsselloses Zugangs- und Startsystem und die kabellose Integration des Smartphones über Android Auto oder Apple Car Play. Im kommenden Jahr wird die Einstiegslinie Five folgen, die nur über eine Basisausstattung verfügt.

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