Sonntag, November 24

Mit dem batterieelektrischen Kompakt-SUV will der französische Hersteller gegen Vorurteile zu Reichweitenangst und hohen Preisen ankämpfen. Der erste Fahreindruck zeigt: Das könnte gelingen.

Als Hersteller von Elektroautos ist Renault ein alter Hase. Bereits 2013 kam mit dem Kleinwagen Zoe der erste Batterie-Stromer auf den Markt, der noch heute in zweiter Generation zu den populären Elektroautos auf dem europäischen Markt zählt. Seither hat der Hersteller seine E-Auto-Strategie stetig weiterentwickelt. Mit der vor wenigen Wochen gefeierten Premiere des Renault 5 Electric als einer der wenigen Autobauer da, die einen Kleinwagen mit Batterieantrieb für unter 30 000 Franken anbieten können.

Als zweiten Paukenschlag kann Renault die Wahl des Scenic E-Tech Electric zu Europas Auto des Jahres 2024 vorweisen. Das kompakte SUV mit Batterieantrieb überzeugte die 58-köpfige Jury aus 22 Ländern mit seinem Platzangebot, seiner grossen elektrischen Reichweite und seinem guten Preis-/Leistungsverhältnis. Erste Fahrten mit dem ab Mai 2024 erhältlichen Fahrzeug ergeben ein ähnliches Bild.

Schon der erste Eindruck des 4,47 Meter langen Wagens ist ansprechend. Das erste elektrische Familienauto des Herstellers zeigt sich mit einer Karosserie im SUV-Stil, die an den Flanken über grosszügige Flächen verfügt, andererseits an Front und Heck sowie der Fenstergrafik kontrastierende Winkel und Kanten aufweist. Die Karosserie folgt beim Design dem des Espace, der sich in seiner jüngsten Ausprägung vom Grossraumtransporter zum SUV wandelte. Entsprechend verfügt auch der Scenic Electric über kurze Fahrzeugüberhänge vorne und hinten und einen 2,79 Meter langen Achsabstand.

Langer Radstand sorgt für luftigen Innenraum

Dies kommt der Raumausnutzung im Interieur zugute. Es ergibt sich ein grosszügiger Innenraum, der den Passagieren in Kombination mit einem elektronisch dimmbaren Glasdach viel Freiraum gewährt. Es kostet allerdings in allen Ausstattungsstufen 1500 Franken extra. Die von Renault für die Rücksitze angegebene Kniefreiheit von maximal 278 Millimetern und Kopffreiheit von 884 Millimetern sind gute Werte, die man sonst von der VW-Konzernmarke Skoda kennt.

Ein kleines Minus ergibt sich beim zerklüfteten Kofferraum. Er lässt sich zwar mit 545 Litern ordentlich befüllen, doch ist die Ladekante mit 78 Zentimetern hoch, der Ladeboden hingegen tief und weiter vorne mit einer deutlichen Stufe ausgelegt. Wer einen flachen Kofferraumboden möchte, kann gegen Aufpreis einen Einsatz bestellen, der das Niveau ausgleicht, aber den Stauraum etwas einschränkt.

Auf den ersten Fahrten im Renault Scenic Electric zeigt sich neben dem luftigen Raumgefühl auch eine gelungen Lärmdämmung, die selbst bei Autobahntempo 120 km/h weder Windgeräusche noch ein ausgeprägtes Pfeifen des Elektroantriebs ans Interieur überträgt. Die Beschleunigung ist E-Auto-typisch zügig, das Drehmoment mit 300 Nm gibt dem knapp 1,9 Tonnen wiegenden Renault die nötige Souveränität, ohne ihn jedoch zum Sportwagen zu machen.

Zu den Vorteilen des Scenic Electric etwa gegenüber Elektroautos aus dem VW-Konzern gehört die mehrstufig per Lenkradpaddel einstellbare Verzögerungswirkung des Elektromotors, die der Rekuperation von Energie dient. Auf leicht abschüssiger Strasse liessen sich auf rund 15 Kilometern Fahrt mehr als 100 Kilometer Batteriereichweite zurückgewinnen. Andere Hersteller lassen die Wahl nur zwischen den Fahrstufen D und B für minimale und maximale Rekuperation.

Auf diese Weise lässt sich die von Renault mit 625 Kilometern angegebene Durchschnitts-Reichweite nachvollziehen. Das Thema Reichweitenangst scheint aufgrund der hohen Energiedichte der Nickel-Mangan-Cobalt-Batterie (NMC) keines mehr zu sein. Das war offenbar auch das Ziel der Renault-Ingenieure, wie Produktchef Bruno Vanel bestätigt: «Der Scenic soll nicht nur als elektrisches Familienauto überzeugen, sondern alle Ängste und Vorurteile gegenüber Elektroautos beseitigen». Hilfreich bei der Effizienz des Scenic-Antriebs ist zudem die serienmässig verbaute Wärmepumpe, die es dem Akku ermöglicht, seine Energie nicht ans Fahrzeugklima zu verschwenden.

Fahrwerk und Wendigkeit beeindrucken

Die Lenkung des Scenic Electric arbeitet sehr präzis, ist ausreichend direkt und wirkt nie synthetisch. Bei engen Manövern und dem Parkieren profitiert der Scenic Electric zudem von einem engen Wendekreis von weniger als 11 Metern.

Freude bereitet das ausgewogene Fahrwerk, das im Fahrmodus Sport nur geringfügig straffer ausgelegt ist. Damit lassen sich Stadtfahrten wie auch Ausflüge auf den Pass gut bewerkstelligen, die Wankbewegungen der Karosserie sind nur gering, und die bequemen Vordersitze verfügen über eine gute Seitenführung in der Kurvenfahrt.

Wie bei vielen Elektroautos typisch ist die zuverlässige Traktion des Scenic Electric, und dies auf trockener wie feuchter Fahrbahn. Selbst bei schlagartiger Beschleunigung in der Kurve dreht kein Rad durch, und ein Ziehen am Lenkrad ist ebenfalls nicht spürbar. Hier arbeiten Software und Radsensoren in bestem Einklang.

Wie bei neuen Autos ab 1. Juli 2024 gesetzlich vorgeschrieben, verfügt der Renault Scenic Electric über viele Fahrassistenz-Systeme. Der Hersteller spricht von 30 Assistenten. Diese können durch akustische und optische Warnungen das Fahrvergnügen durchaus einschränken, lassen sich aber abschalten – bis zum nächsten Start des Wagens. Die Franzosen haben aber eine Lösung gefunden, um diesen Vorgang zu vereinfachen. Per zweimaligen Druck auf die programmierbare «Safety Switch»-Taste lassen sich die piepsenden Helferlein wegschalten.

Nach den ersten Testfahrten erscheint die Wahl des Scenic-Stromers zu Europas Auto des Jahres 2024 nachvollziehen. Selten hat ein nicht einmal 4,50 Meter langes Elektroauto in so vielen Kriterien zu überzeugen gewusst. Gegenüber seinem Hauptkonkurrenten VW ID.4 liegt der Franzose in den meisten Kategorien vorne. Einzig die Ladegeschwindigkeit dürfte noch etwas besser sein, und die Aufteilung des Kofferraums bedarf einer Überarbeitung.

Und das Beste zum Schluss: Der in der Schweiz nur mit der stärkeren 87-kWh-Batterie angebotene Renault Scenic Electric ist bereits ab 43 700 Franken erhältlich. Insgesamt bietet Renault Schweiz den Wagen ab Mai 2024 in vier verschiedenen Ausstattungen an. Das Topmodell kostet 49 700 Franken. Damit liegt Renault attraktiv im Markt der E-SUV und könnte so manchen Umsteiger vom Stromantrieb überzeugen.

Renault-Verkäufe Schweiz, nach Modellen

Die fünf verkaufsstärksten Modelle 2013–2023

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