Samstag, September 28

Christian Stracke vom Vermögensverwalter Pimco investiert in Rettungsfinanzierungen für hoch verschuldete Unternehmen. Viele davon gehören Private-Equity-Fonds. Die Zinsen entschädigen für die erheblichen Risiken.

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Christian Stracke ist nicht nur Research-Chef von Pimco, sondern als leitender Portfoliomanager auch für das Geschäft mit direkt an Unternehmen vergebenen Krediten zuständig. Der Private-Credit-Markt hat sich binnen zehn Jahren verdreifacht, auf zuletzt rund 1600 Mrd. $, schätzt der Informationsdienstleister PitchBook. Davon sind rund 500 Mrd. $ bereits von Anlegern für Private-Credit-Fonds zugesagt, aber noch nicht an Unternehmen als Kredite vergeben (sogenanntes Dry Powder). Wegen der teils hohen Zinsen in diesem Geschäft haben die Fonds zuletzt einen Anlegeransturm erlebt.

Herr Stracke, wo sehen Sie derzeit die besten Chancen an den Anleihenmärkten?

Es gibt eine grosse Streuung. Einerseits sind die Märkte für Unternehmensanleihen sehr heiss gelaufen: Die Renditeaufschläge von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen lagen bis vor kurzem nahe den historischen Tiefstständen. Sie haben sich in den letzten Wochen ein wenig erholt, sind aber immer noch ziemlich niedrig. Dies gilt für Unternehmen mit guter und mit weniger guter Bonität ebenso wie für Übernahmefinanzierungen.

Welche Märkte sind denn weniger heiss gelaufen?

In entwickelten Volkswirtschaften ausserhalb der USA sehen wir einige Chancen darin, das aktuelle Zinsniveau für Anleger durch den Kauf von Staatsanleihen mit längerer Laufzeit zu sichern. Denn Notenbanken wie die Bank of England und die Europäische Zentralbank (EZB) werden die Zinsen aggressiver senken als das Federal Reserve (Fed) in den USA.

Wie sieht es mit den Schwellenländern aus?

Wir sehen dort Wert, wo es Wahlen gab, zum Beispiel in Mexiko und in Indien. Das hat zu Kursausschlägen geführt und zu Kaufgelegenheiten.

Die Märkte haben sich nach den Wahlen in Mexiko stark bewegt. Claudia Sheinbaum von der linken Regierungspartei hat mit ihrer Koalition eine Zweidrittelmehrheit gewonnen und könnte damit die Verfassung ändern. Beunruhigt Sie das nicht?

In Mexiko kommt es aus unserer Sicht vor allem auf Kontinuität in der Fiskal- und der Geldpolitik an. Und da sehen wir guten Grund für Zuversicht. Rogelio Ramírez de la O soll erneut zum Finanzminister Mexikos ernannt werden. Das ist ein sehr wichtiges Signal an die Märkte.

Was ist mit den Aussagen von Sheinbaum über die Änderung der Verfassung?

Keine der vorgeschlagenen Verfassungsreformen betrifft die Unabhängigkeit der Zentralbank. Wir sehen weitgehende Kontinuität in der Fiskal- und der Geldpolitik, was Mexiko nach dem kleinen Ausverkauf nach den Wahlen wahrscheinlich noch attraktiver macht.

Welche anderen Schwellenländer sind für Anleger einen Blick wert?

Brasilien bleibt eine interessante Chance. Sicherlich wird das Land von Zeit zu Zeit in den Schlagzeilen sein, aber auch hier haben wir eine sehr starke, orthodoxe Geldpolitik und eine Verpflichtung dazu, die Inflation zu senken und niedrig zu halten. Tatsächlich war Brasilien, wie einige andere Schwellenländer, erfolgreicher als die Industrieländer bei der Bewältigung der Inflation. Diese Disziplin trägt jetzt Früchte.

Wie sieht es mit Private Debt aus, wo Vermögensverwalter wie Pimco direkt Kredite an Unternehmen vergeben? Sind dort immer noch mehr als 10% Rendite zu erzielen?

In Europa sind Renditen im hohen einstelligen Prozentbereich und in den USA Renditen im niedrigen zweistelligen Prozentbereich realistisch. Das ist eine überzeugende Gelegenheit.

Ist der Markt trotz all der neuen Fondsmanager, die in dieses Geschäft drängen, denn noch nicht überlaufen?

Die Renditeaufschläge sind bereits gesunken bei direkt vergebenen Privatkrediten. In all den Jahren gab es kaum einen Private Credit mit einem Spread von weniger als 500 Basispunkten. Jetzt schon. Aber auch an den öffentlichen Kreditmärkten hat es eine sehr deutliche Straffung gegeben. Private Credit ist immer noch attraktiv, mit bedeutenden Renditeaufschlägen von 200 bis 400 Basispunkten.

Sie können noch viel höhere Renditen in Private Credit erzielen: mit Notkrediten für hoch verschuldete Unternehmen, die oft im Besitz von Private-Equity-Fonds sind. Ist das aus Risiko-Rendite-Sicht sinnvoll?

Wir halten das für attraktiv. Das ist ein Bereich, in dem Pimco ziemlich stark investiert. Wir haben ein aktives Team, das sogenannte Capital Solutions bereitstellt.

Wenn Sie eine Lösung anbieten, muss es ein Problem geben. Welches ist es?

Das Problem sind zu hohe Zinskosten für manche Unternehmen: wenn der Private-Equity-Fonds, dem das Unternehmen gehört, einen Kredit zu einer variablen Rendite aufgenommen hat, die in der Niedrigzinsära noch 5% betrug, und das Unternehmen nach der Zinswende jetzt 10, 11 oder 12% zahlt. Viele dieser Gesellschaften benötigen eine Art Rettungsfinanzierung, um einen Ausfall des bestehenden Kredits zu vermeiden. Als neuer Kreditgeber müssen Sie aufpassen, dass Sie die richtigen Sicherheiten und Strukturen erhalten.

Sie bürden also einem Unternehmen weitere Schulden auf, das schon die bisherigen Schulden kaum noch tragen kann. Wie kann das gutgehen?

Sie müssen Unternehmen finden, von denen Sie glauben, dass sie in dieser Zeit höherer Zinsen widerstandsfähig sind und später, wenn die Zinsen zu sinken beginnen, profitieren werden. Manchmal möchte man als Kompensation für das Ausfallrisiko etwas Eigenkapital erhalten, wenn es gut läuft, damit nicht nur der Private-Equity-Eigentümer des Unternehmens an der Rettung verdient.

Welche Renditen sind mit diesen Kapitallösungen realistisch?

Bruttorenditen von 15 bis 20% sind möglich, in Dollar gerechnet. Die Nettorenditen hängen von den Kosten des Investmentvehikels ab, in das Sie investieren. Die 15% gelten für die besser besicherte Variante. Die 20% würden normalerweise eine erwartete Rendite aus Eigenkapitalkomponenten umfassen.

Bleibt auf diese Weise ein Gewinn für die ursprünglichen Private-Equity-Eigentümer übrig, oder ist das eher eine gesichtswahrende Massnahme, bei der die Private-Equity-Fonds zwar verlieren, aber zumindest nicht unter dem Preis verkaufen müssen, den sie für das Unternehmen bezahlt haben?

Ich würde sagen, es ist beides, und es kommt darauf an. In vielen Fällen wollen die Fonds nicht unter der Bewertung verkaufen, die sie bezahlt haben. Sie wollen auch die Option bewahren, dass sich die Dinge zum Guten wenden, auch wenn sie nicht unbedingt damit rechnen.

Welche Ausfallraten erwarten Sie bei den Unternehmen mit niedriger Bonität für die nächsten Jahre?

Im Jahr 2023 lagen die Ausfallraten bei 3 bis 5%, und sie werden 2024 und 2025 ähnlich hoch bleiben. Das Problem ist, dass dies auf Sicht von drei Jahren kumuliert bis zu 15% Ausfälle bedeutet. Dies wird sich anfühlen wie die Ausfallraten nach der Finanzkrise oder Anfang der 2000er-Jahre.

Wie unterscheidet sich die heutige Lage bei hoch verschuldeten Unternehmen von ihrer Lage in der Finanzkrise oder im Dotcom-Crash?

Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Gläubiger bei solchen Zahlungsausfällen nur einen geringeren Teil ihres Kapitals zurückerhalten werden als gewohnt. Eine Ratingagentur hat errechnet, dass die Verwertungsquoten für ausgefallene Kredite auf dem öffentlichen Markt 2023 bei etwa 40 Cent pro Dollar an Forderungen liegen werden, während die Kreditgeber in der Vergangenheit eher 60 bis 80 Cent pro Dollar zurückerhalten haben. Dies ist zum Teil auf die sehr schlechten Kreditbedingungen vieler dieser Finanzierungen zurückzuführen.

Was bedeutet dieses Szenario für das Bankensystem?

Die gute Nachricht für das Finanzsystem ist, dass die Banken diese Kredite nicht auf ihren Bilanzen haben.

Sondern die Vermögensverwalter und letztlich ihre Kunden.

Das systemische Risiko dieser Ausfälle dürfte aus unserer Sicht sehr überschaubar sein. Die wirtschaftlichen Auswirkungen könnten aber erheblich sein. Denn die Entwicklung beeinflusst die Kreditvergabe insgesamt, die ein wichtiger Faktor für die Konjunktur ist.

Sie erwarten dadurch eine Belastung für das Wachstum?

Ja, denn in den vergangenen zehn Jahren haben vor allem die Unternehmen mehr Kredite aufgenommen, ebenso wie die Staaten. Die privaten Haushalte haben dagegen Schulden abgebaut. Nun gibt es auch viele Fragen zur Nachhaltigkeit der Haushaltsdefizite in den Industrieländern. Wir könnten also einen Schuldenabbauzyklus im gesamten System erleben, was eine Herausforderung wäre für das Wirtschaftswachstum.

Wir haben in der Tat sehr hohe Haushaltsdefizite in Teilen Europas, vor allem aber in den USA. Kann das so weitergehen, oder erwarten Sie, dass die Defizite in naher Zukunft stark reduziert werden?

Die Staatsverschuldung in den grossen Industrieländern ist ein sehr langfristiges Thema. Für die nächsten drei bis fünf Jahre erwarten wir keine grundsätzlichen Zweifel an der Kreditwürdigkeit von Staaten wie den USA, Deutschland und letztlich auch nicht mit Bezug auf Frankreich, trotz des jüngsten Anstiegs der Renditeaufschläge bei französischen Staatsanleihen.

Lassen Sie uns diese langfristige Perspektive einnehmen. Haben Sie einen Hinweis darauf, bei welcher Art von Verschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt grössere Probleme auftreten könnten?

Schauen Sie sich China an: Wenn Sie die Regionen, die Kommunen, die staatlichen Unternehmen – also wirklich den gesamten öffentlichen Sektor – einbeziehen, dann hat China eine Verschuldung, die der Japans entspricht oder sogar darüber liegt. Und trotzdem sehen wir da kein Problem. Offensichtlich können Staaten einen sehr viel höheren Schuldenstand verkraften, als beispielsweise die USA oder Deutschland derzeit haben. Letztlich ist ein hohes Schuldenniveau aber nicht nachhaltig und muss langfristig angegangen werden.

Sehen Sie ein gewisses Risiko, dass irgendwann in der Zukunft eine Art Eurokrisenszenario zurückkehren könnte?

Einiges hat sich in den zurückliegenden fünfzehn Jahren deutlich verbessert. Selbst in der Rezession, die wir in Europa hatten, waren die Kreditausfälle gering. Die Banken sind einfach viel besser kapitalisiert, viel besser reguliert. Das hat das Wachstum gebremst, da die Banken nicht in der Lage und nicht willens sind, Kredite zu vergeben. Aber die Risiken für das Eigenkapital und die Liquidität sind viel geringer. Es gab auch einige Strukturreformen, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, in Ländern wie Italien und Spanien. Die Wahrscheinlichkeit einer umfassenden Krise in der Eurozone scheint heute viel geringer zu sein als vor fünfzehn Jahren.

Zur Person

Christian Stracke ist Geschäftsführer, President und Leiter des globalen Teams für Credit Research bei Pimco. Die Allianz-Tochter verwaltet mehr als 1890 Mrd. $. Von London aus überwacht Stracke die internationalen Aktivitäten ausserhalb Amerikas. Er ist auch leitender Portfoliomanager für alternative Strategien wie Private Credit. Bevor er 2008 zu Pimco kam, war er leitender Kreditstratege beim Analysehaus CreditSights. Davor arbeitete er bei Commerzbank und Deutsche Bank.

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