Sonntag, September 29

In den Tagen nach dem tödlichen Unfall gedenken viele Radprofis der verstorbenen Kollegin. Die Umstände des Sturzes beschäftigen Fahrer wie Publikum nach wie vor.

Es ist Sonntagvormittag, die Zürcher Innenstadt ist schon ziemlich bevölkert. Belgische und niederländische Velofans spazieren mit einem Bier in der Hand dem Limmatquai entlang. An einem Baum bei der Wasserkirche ist eine Trauerstätte für Muriel Furrer eingerichtet. Kerzen, Bilder und Blumen erinnern an die 18-jährige Velofahrerin, die an der WM in Zürich tödlich verunglückte.

Frühmorgens am Sonntag war das ursprünglich geplante Volksrennen kurzfristig in eine Gedenkfahrt umgewandelt worden. Rund 1500 Trauernde nahmen teil, darunter die Schweizer Profi-Fahrerinnen, der WM-Sportdirektor Olivier Senn oder der Präsident des Weltverbandes David Lappartient. Die Runde startete im Dunkeln, im Laufe der Fahrt auf dem City Circuit der WM-Strecke kroch die Sonne über den Horizont, zum ersten Mal seit Tagen.

Die Sonne tat gut nach den düsteren Tagen, an dem Tränen wie auch der Regen unaufhörlich flossen. Niemand liess der Tod der jungen Zürcher Oberländerin Furrer kalt. Sie war am Donnerstag im Rennen der Juniorinnen gestürzt und am Freitag ihren schweren Kopfverletzungen erlegen.

Der niederländische Star Mathieu van der Poel sagte: «Obwohl ich sie nicht kannte, trifft mich das sehr hart. Jeder, der auf dem Rad sitzt, ist davon stark betroffen.» Viele der Fahrerinnen, die am Samstag im Einsatz waren, gedachten Furrer auf Einträgen in den sozialen Medien oder in Interviews. Sie trugen Trauerflor oder schrieben auf ihre Startnummer «Ride for Muriel». Sie kriegten den Unfall auch während des Rennens nicht aus dem Kopf.

Die belgische Weltmeisterin Lotte Kopecky sprach nach ihrem Sieg als erstes über Furrer, und die italienische Bronzemedaillengewinnerin Elisa Longo Borghini sagte: «Rennen zu fahren ist ein Weg für mich, ihr Leben zu feiern».

Das schwierigste Rennen ihres Lebens

Besonders emotional war der Samstag für die Schweizerinnen. Aufs Rennen verzichtet keine, beim Start des Strassenrennens in Uster stehen die sechs Fahrerinnen während der Schweigeminute Arm in Arm im Regen. Vier Stunden lang fahren sie im Dauerregen, es ist kalt, viele kommen trotz der Anstrengung bibbernd ins Ziel. Es sei wohl das schwierigste Rennen ihres Lebens gewesen, sagt Noemi Rüegg, die Elfte wird. Manchmal ringt sie in der Mixed Zone um Worte. «Unter diesen Umständen war das alles, was ich geben konnte.»

Auch die Para-Radfahrerinnen gedenken Furrer. «Wir sind alle eine Familie», sagt Flurina Rigling nach ihrem zweiten WM-Titel, als sie beim Zielinterview weint. Die Silbermedaillengewinnerin Franziska Matile-Dörig führt aus, weshalb sie dankbar ist, selbst in dieser Situation das Rennen fahren zu können. «Es ist wichtig, dass wir die Saison nicht mit Angst und Trauer abschliessen. Dass wir das machen, was Muriel geliebt hat.»

Nicht nur der Tod der jungen Athletin an sich, sondern auch die tragischen Umstände beschäftigen Involvierte wie auch das Publikum. Vermutlich war Furrer zum Zeitpunkt des Sturzes in einem Waldstück oberhalb von Küsnacht alleine unterwegs gewesen. Deshalb weiss man bis heute nicht, wie lange es dauerte, bis sie gefunden wurde.

Das Bedürfnis nach mehr Informationen ist gross. Die Staatsanwaltschaft und die Kantonspolizei ermitteln zum Unfallhergang; wie lange es dauert, bis Resultate vorliegen, ist nicht abzuschätzen.

Das Thema Sicherheit im Radsport bleibt jedenfalls präsent. Doch am Ende ist auch für Fahrer wie van der Poel, die sich ausgiebig damit beschäftigen, klar: «Es ist eine Utopie zu glauben, dass alle Gefahren vollständig beseitigt werden können.»

Exit mobile version