Montag, Oktober 14

Bei der Entscheidung für eine lebenslange Rente oder den Kapitalbezug aus der Pensionskasse passieren oft Fehler, oder es gibt Interessenkonflikte bei der Beratung. Wie man den richtigen Weg für sich findet.

Bei der Pensionierung stehen viele Entscheide an. Einer der wichtigsten ist, was mit dem angesparten Vermögen in der Pensionskasse passieren soll. Soll dieses in eine lebenslange Rente umgewandelt werden, oder ist es vorteilhafter, sich das Kapital auszahlen zu lassen? Oder ist doch ein Mix aus beidem am sinnvollsten? Der Entscheid will gut überlegt sein, denn er ist unwiderruflich.

«Kapital ist nicht besser als Rente, und Rente ist nicht besser als Kapital», sagt Daniel Hausherr, Finanzplaner bei dem Beratungsunternehmen Consult in Finance. «Letztlich muss es dem Versicherten wohl sein mit dem Entscheid.»

Sicherheit durch eine lebenslange Rente

Man kann aber einiges falsch machen, deshalb sollte man sich vor dem Entscheid eine Reihe von Fragen stellen. Es sind die folgenden:

1. Wie wichtig ist Sicherheit? Eine lebenslange Rente bietet eine grössere Sicherheit als der Kapitalbezug. «Beim Bezug der Rente vermeiden Pensionierte das Anlage- und das Langlebigkeitsrisiko, das sie bei einem Kapitalbezug haben», sagt Ueli Mettler, Partner bei dem Pensionskassen-Beratungsunternehmen C-Alm.

Mit dem «Langlebigkeitsrisiko» ist gemeint, dass eine Person länger leben könnte als der Durchschnitt und ihr in diesem erfreulichen Fall bei einem Kapitalbezug irgendwann das Geld ausgehen könnte. Eine Rente aus der Pensionskasse wird hingegen lebenslang ausbezahlt.

Das «Anlagerisiko» bezeichnet die Tatsache, dass Geldanlagen – insbesondere Aktien – über die Zeit hinweg in ihrem Wert schwanken. Erfolgt der Kapitalbezug zu einem ungünstigen Zeitpunkt, muss man in diesem Fall auch mit Verlusten umgehen können. Bei der Rente muss man sich darum nicht kümmern.

2. Will und kann man das Geld selber verwalten? Beim Kapitalbezug stellt sich folglich die Frage, ob man das Vermögen überhaupt selbst verwalten kann. Dazu braucht es ein gewisses Fachwissen oder entsprechende Beratung – die oft nicht frei von Interessenkonflikten ist. Selbst wenn man direkt nach der Pensionierung fähig ist, das Kapital zu verwalten, heisst das aber noch lange nicht, dass man dies auch im Alter von 90 Jahren noch kann.

«Viele Pensionierte wollen ihre Ruhe und wollen nicht Vermögen verwalten», sagt Hausherr. Ihnen sei die Rente zu empfehlen, auch wenn sie dann gegebenenfalls etwas mehr Steuern bezahlten als beim Kapitalbezug. Ganz besonders rät er indessen davon ab, Kapital aus der Pensionskasse zu beziehen und dieses in eine Leibrente bei einer Versicherung umzuwandeln. Die Umwandlungssätze seien hier im Allgemeinen deutlich niedriger als bei der Pensionskasse, und steuerlich sei dies auch nicht vorteilhaft.

Gesundheit und Angehörige als Faktoren

3. Wie gut ist die Gesundheit? Ein wichtiger Faktor beim Entscheid zwischen Rente und Kapital ist auch die eigene Gesundheit. Für Personen, die mit einer hohen Lebenserwartung rechnen dürfen, ist die Rente im Vorteil. Hat man aus gesundheitlichen Gründen zu befürchten, kein hohes Alter zu erreichen, sind Kapitalbezüge attraktiver.

4. Will man die Angehörigen absichern? Auch wenn mit einer kürzeren Lebenserwartung nach der Pensionierung zu rechnen ist, sollte der Schutz einer Rente für die Hinterbliebenen nicht ausser acht gelassen werden. Typischerweise erhalte der hinterbliebene Lebenspartner 60 Prozent der ursprünglichen Altersrente, heisst es in einem Paper von C-Alm.

5. Will man etwas vererben? «Wenn man die Rente bezieht, verfällt ein allfälliges Restguthaben in der Pensionskasse», sagt Daniel Hausherr. Das Kapital fällt hingegen in die Erbmasse, und man kann es seinen Erben hinterlassen.

Individuell unterschiedliche Finanzsituationen

6. Wie sieht die finanzielle Lage neben der beruflichen Vorsorge aus? Für viele Versicherte ist die Pensionskasse der grösste Vermögenswert. Im schweizerischen Durchschnitt dürfte das Pensionskassen-Guthaben bei der Pensionierung 550 000 bis 570 000 Franken betragen, sagt Hausherr.

Besitzt jemand beispielsweise drei Immobilien und nimmt hohe Mieteinnahmen ein, hat er bereits ein konstantes Einkommen im Ruhestand und ist weniger auf die Sicherheit einer Rente angewiesen. «Sind AHV und Pensionskasse indessen die wichtigste Einkommensquelle im Alter, spricht dies für die Rente», sagt Mettler.

Ein Argument für den Kapitalbezug kann aber auch beispielsweise sein, dass man mit dem Eintritt in den Ruhestand eine Hypothek zurückzahlen oder reduzieren will. «Je nach Situation kann dies durchaus sinnvoll sein, beispielsweise, wenn sonst die Tragbarkeit nicht erfüllt ist», sagt Hausherr. Viele seiner Kunden entschieden sich für einen Mix aus Rente und Kapital und zahlten mit dem bezogenen Geld einen Teil ihrer Hypothek ab.

7. Was ist steuerlich zu beachten? Für die monatlichen Renten zahlt man jedes Jahr Einkommenssteuern, beim Kapitalbezug fällt hingegen einmal eine Kapitalbezugssteuer an. Man dürfe aber die höheren Vermögenssteuern sowohl im Jahr des Bezugs als auch in den Folgejahren nicht vergessen, teilt C-Alm mit. Schliesslich steigt das Vermögen durch den Kapitalbezug. Wird das Geld angelegt, fallen zudem Einkommenssteuern auf den Kapitalerträgen an.

Zunächst ein Ruhestandsbudget machen

Zu beachten ist auch, dass man sich frühzeitig bei der Pensionskasse melden sollte, falls man einen Kapitalbezug plant. Schliesslich können die Anmeldefristen je nach Kasse bis zu drei Jahre betragen. Bei verheirateten Partnern ist ausserdem die Unterschrift des Ehegatten nötig. Wer sich für die Rente entscheidet, muss indessen nichts unternehmen.

Daniel Hausherr empfiehlt seinen Kundinnen und Kunden zudem, dringend ein Ruhestandsbudget zu machen. Oftmals heisst es, man brauche nach der Pensionierung ungefähr 80 Prozent des Einkommens, das man zuvor erhalten habe. Der Finanzplaner warnt indessen davor, hier eine Prozentzahl zu nennen, denn die Vorstellungen vom Ruhestand seien sehr verschieden. Manche Ruheständler wollten viel reisen, andere die Hypothek auf der Immobilie reduzieren oder grössere Anschaffungen tätigen. Andere hingegen strebten ein bescheidenes Leben an und hätten folglich deutlich geringere Ausgaben.

«Das Budget im Ruhestand ist das A und O», sagt Hausherr. Erst danach sollte man sich der Frage «Rente oder Kapital?» widmen.

Pensionskassen können unabhängig beraten

Pensionskassen haben gegenüber ihren Versicherten eine automatische Informationspflicht. Sie sollten von ihren Kassen in die Lage versetzt werden, den Stand und die Entwicklung ihrer Vorsorgesituation jederzeit nachvollziehen zu können. Zu den Informationspflichten der Pensionskassen zählen aus Sicht von Mettler auch die Wahloptionen rund um die Pensionierung, und folglich sieht er bei der Beratung zum Thema «Rente oder Kapital?» eine wichtige Rolle für die Pensionskassen. Anstatt das Feld Anlageberatern und Vermögensverwaltern zu überlassen, die Kunden aus Eigeninteresse falsch beraten, könnten die Stiftungsräte der Kassen hier mehr Verantwortung übernehmen, findet er. Grosse Pensionskassen wie BVK oder Publica gehen diesbezüglich voran und bauen derzeit ihre entsprechenden Beratungsangebote aus. Laut Mettler ist die Unabhängigkeit der Pensionskassen ihr grosser Pluspunkt gegenüber den vielen Akteuren im Beratungsgeschäft, die versuchen, die Versicherten vom Kapitalbezug zu überzeugen, damit sie selbst Geschäfte machen können. Die Pensionskassen können indessen neutral informieren.

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