Wer Shopping ernsthaft betreibt, weiss genau, dass diese Tätigkeit mit mentalen und körperlichen Anstrengungen verbunden ist und hungrig macht. Das neueröffnete Zürcher Modehaus Bongénie bietet mit seinem Bistro-Restaurant «Émile» Abhilfe bei Speisen und Weinen, die Luxus und Bodenständigkeit verbinden.
Mode und Essen passen ausgezeichnet zusammen – und Zürich ist beileibe nicht der erste Ort der Welt, an dem dieses Prinzip erkannt wurde. In der Genfer Filiale von Bongénie kann man bereits auf japanische Art geniessen, und im deutschen Mannheim existiert gar ein Zwei-Sterne-Restaurant im obersten Stock des Modehauses Engelhorn.
Nun lässt es auch Bongénie in Zürich krachen. Oder wie soll man sonst bezeichnen, was hier auf zwei Ebenen angeboten wird? Die Bar des «Émile» befindet sich ebenerdig, das Bistro-Restaurant eine Etage weiter oben, und dessen Angebot ist weitaus umfangreicher und ambitionierter, als man es von einem Lokal dieser Art erwartet. Das hängt wohl auch mit der kulinarischen Leitung zusammen. Der Küchenchef Ludovico De Vivo ist in der Szene kein Unbekannter, hat eine Weile das «Château Gütsch» bekocht, zuvor schon einmal im Kopenhagener «Noma» gearbeitet.
Speisen von morgens bis abends – ausser am Sonntag
Einer der Vorteile des Restaurants «Émile» sind die Öffnungszeiten. Zu essen und zu trinken gibt es immer etwas, vom frühen Morgen bis zum späten Abend; nur sonntags ist zu. Warum also dann speisen, wenn alle zu Tisch gehen, sagten wir uns, und kehrten nicht zu Lunch oder Dinner, sondern am Nachmittag ein. Einen freien Tisch bekamen wir schnell, und dass die Kellnerin darauf hinwies, dass zu dieser Zeit nur die mit einem Stern markierten Speisen zu haben seien, störte uns nicht.
Auf Jakobsmuscheln (mit schwarzen Trüffeln) oder Thunfisch (auch mit schwarzen Trüffeln sowie zusätzlich mit Foie gras) mussten wir also verzichten; selbige gehören zum Abendangebot. Was uns deshalb nicht schwerfiel, weil uns bei derart plakativer Verwendung vermeintlicher oder tatsächlicher Luxusprodukte immer ein bisschen Skepsis überfällt. Angesprochen werden von so etwas ja nicht zuletzt die Distinktionskunden, denen es gar nicht in erster Linie um den Geschmack geht, sondern um den Wow-Effekt.
Ein Burger, der mit seiner Präzision überrascht
Wie schön, dass es zum Burger weder Trüffeln noch Gänseleber gab und auch keinen Kaviar. Stattdessen fragte die Kellnerin, wie das Fleisch gebraten werden solle. Wir schwankten ein bisschen zwischen «medium rare» und «medium», entschieden uns dann für die etwas länger gegarte Version und bekamen es exakt so. Kompliment. Auch die Konsistenz des Pattys gefiel, der Bun schmeckte ausgezeichnet, und auch die Pommes allumettes fielen knusprig und dünn aus, wurden locker und perfekt gesalzen serviert; Ketchup und Mayonnaise wurden in Gläschen gereicht.
Zürichs bester Burger? Nein, ganz so weit würden wir nicht gehen. Aber in den Top Ten rangiert das «Émile»-Fleischbrötchen, für das übrigens 39 Franken berechnet wurde, unseres Erachtens schon. Den passenden Wein gäbe es natürlich auch. Champagner von Philipponnat zu 21 Franken das Glas (nicht billig), den Kult-Rosé Whispering Angel (13 Franken pro Deziliter) oder einen Tempranillo der Bodegas Rosario Vera zu 15 Franken pro Glas. Dazu eine ganze Menge guter Flaschen.
Kaffee, Kuchen und vielleicht einen Fingerhut voll Süsswein
Patisserie aus der Vitrine zu wählen, wäre möglich gewesen, aber wir entschieden uns nach entsprechender Beratung für einen Café gourmand. Drei filigrane, wirklich überdurchschnittlich gut zubereitete Süssigkeiten gab es auf einem Teller, dazu reichte man einen Kaffee – und das alles zum sehr fairen Preis von 14 Franken.
Hätten wir dazu Süsswein bestellen wollen, hätten wir indes tiefer in die Tasche greifen müssen. 14 Franken für 0,04 Liter Sauternes (in diesem Falle vom Château Raymond-Lafon) erscheint uns schon ein bisschen prohibitiv. Und wann wurde eigentlich die Sitte eingeführt, nicht nur Spirituosen, sondern auch Wein in derartigen Miniaturmengen auszuschenken?
Auf einen Blick
Adresse:
«Émile» im Bongénie, Bahnhofstrasse 3, 8001 Zürich
Kosten:
Hauptgerichte kosten ab 32 Franken.
Bewertung:
Küche: 6,5/10 (Nachmittagskarte), Gastkultur: 7/10
Anmerkung: Die Bewertungen orientieren sich an der denkbaren Höchstnote von 10 Punkten. Die Note für die Küche betrifft ausschliesslich die Qualität der Speisen, jene für Gastkultur umfasst sämtliche übrigen Aspekte eines Restaurantbesuchs.