Dienstag, März 4

Die Freisinnigen finden Ja, der Stadtrat meint Nein – und argumentiert ungewohnterweise mit den Kosten.

Die Stadt Zürich ist eine grosse Baustelle. So kommt es einem zuweilen vor. Überall aufgerissene Strassen, Umleitungen, Bagger, Lärm. Und es ist kein Ende in Sicht: Dieses Jahr nimmt das städtische Tiefbauamt 80 neue Baustellen in Angriff, wie es kürzlich mitgeteilt hat. Zusammen mit den bereits laufenden Vorhaben werden es 165 auf dem gesamten Stadtgebiet sein.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Das anhaltende Baufieber stört viele. Anwohner nerven sich wegen des Lärms, Auto- und Velofahrer wegen komplizierter Umwege. Existenziell kann es aber für Gewerbebetriebe werden. Die NZZ hat vergangenes Jahr über einen Gastronomen im Seefeld berichtet, der wegen einer Baustelle vor seinem Lokal von Umsatzrückgängen von durchschnittlich 40 Prozent sprach.

Die Stadt ersetzte vor der «Enoteca Riviera» alte Werkleitungen und verlegte Fernwärmeleitungen. Die Baustelle war von Februar bis Ende Oktober angesetzt. Der Wirt schilderte die Lage eindrücklich: Wenn die Bagger nebenan um 13 Uhr krachend loslegten, halte es im Sommer niemand auf seiner Terrasse aus. «Dann trinkt keiner mehr einen Espresso. Die Gäste zahlen und eilen davon.» Zudem seien wegen der Baustelle zig Parkplätze gestrichen werden, auch das führe zu Einbussen.

Der Wirt war verzweifelt. Ein Antrag auf Kurzarbeit für seine Mitarbeiter wurde abgelehnt. Baustellen gälten als unternehmerisches Risiko, beschied man ihm.

Ungerecht finden das zwei freisinnige Stadtparlamentarier, Emanuel Tschannen und Sebastian Vogel. Sie haben vergangenen August eine Motion eingereicht, die Gewerbetreibenden wie dem «Riviera»-Pächter helfen würde. Sie wollen, dass die Stadt künftig Selbständigerwerbende und kleine Unternehmen mit maximal 50 Mitarbeitern finanziell entschädigt, wenn diese Einbussen wegen Baustellen erleiden.

Einzige Bedingungen: Die Baustelle muss auf öffentlichem Grund liegen und mindestens drei Monate dauern. Zudem sollen die Einbussen nur zu 50 Prozent entschädigt werden. Damit wollen die beiden FDP-Männer dem Umstand Rechnung tragen, «dass auch Unternehmen von einer gut unterhaltenen Infrastruktur profitieren». So schreiben sie es in ihrem Vorstoss. Die betroffenen Betriebe müssen auf Laufkundschaft angewiesen sein.

Mittlerweile hat sich der Stadtrat mit dem Anliegen auseinandergesetzt. Wie seinen Ausführungen zu entnehmen ist, sieht er den Vorstoss kritisch. Er beurteilt die Umsetzung als juristisch heikel, bürokratisch und teuer.

Zu den Kosten: Schon heute ist es so, dass die Stadt unter Umständen Entschädigungen zahlen muss. Allerdings nur, wenn die Baustelle mindestens sechs Monate dauert, zu «erheblichen» Immissionen führt und Umsatzeinbussen von mindestens 20 bis 30 Prozent verursacht. Das ist die gängige Rechtsprechung.

Die Kriterien der FDP-Motion sind viel lockerer formuliert. Entsprechend grösser werde die Zahl der Anspruchsberechtigten, schreibt der Stadtrat. Dies führe angesichts der zahlreichen städtischen Strassenbaustellen, die länger als drei Monate dauerten, zu «sehr hohen Kosten in noch unbestimmbarer Höhe».

Juristisch «problematisch» sei der Vorstoss mit Blick auf die in der Bundesverfassung gesicherte Rechtsgleichheit. Direkte Konkurrenten müssten gleich behandelt werden. Somit ist es laut Stadtrat etwa heikel, eine Obergrenze von 50 Mitarbeitern zu definieren. Auch sei es kompliziert festzulegen, welche Betriebe auf Laufkundschaft angewiesen seien und welche nicht.

Zudem gebe es für Umsatzrückgänge viele andere mögliche Gründe als eine Baustelle in der Nachbarschaft. Die adäquate Prüfung und Beurteilung würde laut Stadtrat zu einem «erheblichen Verwaltungsaufwand» führen.

Der FDP-Gemeinderat Tschannen ist nicht zufrieden mit der Haltung des Stadtrats. Dessen Argumentation bezeichnet er auf Anfrage als «schwach». «Der Stadtrat verneint das konkrete Problem und kämpft mit allgemeinen Argumenten wie Recht, Kosten und Komplexität, die man bei fast allen linken Vorstössen ebenfalls ins Feld führen kann», sagt er.

Tschannen sieht keine rechtlichen Hürden zur Umsetzung seines Vorstosses. Dass es zu Mehrkosten komme, sei hingegen nicht zu bestreiten. Dass die Stadt betroffene Betriebe entschädigt, hält er jedoch für richtig. Er sagt: «Wer einen Schaden verursacht, soll dafür auch geradestehen.»

Die vielen Baustellen seien in Zürich zu einem «existenziellen Problem» für Unternehmen geworden, kritisiert Tschannen. Die rege Bautätigkeit sei überwiegend eine Folge des «Klimaumbaus» der Stadt, etwa wegen immer neuer Velorouten und Verkehrsberuhigungen. «Ganz offensichtlich sollen KMU diesen Umbau finanzieren und auf den erlittenen Umsatzeinbussen sitzen bleiben.» Diese Mehrbelastung sei falsch.

Tschannens Vorstoss wird in den nächsten Wochen im Stadtparlament diskutiert.

Exit mobile version