Weil Nissan hohe Verluste schreibt, beschleunigt der neue CEO Ivan Espinosa den Sanierungsplan drastisch. China soll Teil der Rettungsstrategie sein.
Nissans neuer Chef Ivan Espinosa schwor die Belegschaft am Dienstag an der Bilanzmedienkonferenz auf einen radikalen Rettungsplan ein, nachdem er den zweithöchsten Verlust in der Firmengeschichte bekanntgegeben hatte. «Um unsere Zukunft zu sichern, müssen wir weiter und schneller voranschreiten», sagte der Mexikaner.
Die Rettung liegt für den seit April amtierenden Konzernchef in einer radikalen Schrumpfkur, die in Japan ihresgleichen sucht. Voriges Jahr hatte der kriselnde Autobauer bereits angekündigt, 9000 Stellen zu streichen. Nun sollen es im Rahmen des neuen Plans «Re:Nissan» 20 000 werden, etwa 17 Prozent der globalen Belegschaft.
Zudem will er 7 von 13 Auto- und Motorenwerken schliessen, auch in der japanischen Heimat. Damit will er die Produktionskapazität bis 2027 von knapp unter 4 Millionen auf 2,5 Millionen Autos senken, um nach Jahren der Krise wieder dauerhaft profitabel zu werden.
Damit nicht genug: Zusätzliche Kürzungen und eine Reduzierung auf weniger Zulieferer sollen dazu beitragen, die Kostenbasis um 3 Milliarden Euro zu senken. China spielt dabei eine besonders wichtige Rolle – auch als Know-how-Lieferant.
Wie nötig der Konzern harte Schnitte hat, zeigte die Konzernbilanz für das Ende März abgelaufene Geschäftsjahr 2024. Auch andere Hersteller wie Volkswagen leiden unter Einbussen in China, den amerikanischen Autozöllen und den hohen Belastungen durch die Entwicklung von Elektroautos. Aber bei Nissan ist die Krise überlebensbedrohend.
Neue Krise, keine Retter
Der Konzernabsatz schrumpfte um 2,8 Prozent auf 3,3 Millionen Autos, der Umsatz leicht auf 12,6 Billionen Yen (77 Milliarden Euro). Nur dank der Finanzsparte lag die Betriebsgewinnmarge bei 0,6 Prozent. Der Reinverlust legte die Misere dann schonungslos offen. Mit 671 Milliarden Yen (4,1 Milliarden Euro) lag der Verlust knapp unter dem Rekordverlust von 1999, als der französische Autobauer Renault Nissan übernahm und vor der Pleite rettete.
Dieses Mal ist die Herausforderung allerdings grösser als damals, das deutete auch Espinosa an. «Nach den Verlusten, die wir heute bekanntgegeben haben, haben wir einen Berg zu erklimmen», sagte er. «Es wird nicht einfach werden.»
Ein Problem ist der 25-prozentige Autozoll, den US-Präsident Donald Trump verhängt hat. Dank dem Sparprogramm soll Nissan auf der betrieblichen Ebene wieder eine schwarze Null schreiben. Aber der Konzern schätzt, dass die Autozölle wegen Nissans hoher Produktion in Mexiko zusätzliche Kosten von 650 Milliarden Yen (3,7 Milliarden Euro) verursachen werden. Davon können höchstens 30 Prozent durch Sparen und andere Massnahmen aufgefangen werden. Wegen der hohen Unsicherheit verzichtete der Konzern daher auf eine Jahresprognose.
Zudem fehlt Nissan dieses Mal ein zahlungskräftiger Retter. Die Allianz mit Renault läuft nur beschränkt weiter. Nissan will künftig vor allem Fabriken mit den Franzosen teilen, aber kaum noch gemeinsam Autos entwickeln. Und eine Fusion mit dem ebenfalls schwächelnden Lokalrivalen Honda ist Anfang des Jahres geplatzt, weil Nissan seine Selbständigkeit letztlich nicht aufgeben wollte.
Die beiden Unternehmen wollen nun vor allem bei der Technikentwicklung kooperieren. Bezüglich des Interesses anderer Firmen, allen voran des taiwanischen iPhone-Herstellers Foxconn, wurden noch keine Ergebnisse erzielt.
Von China lernen
Espinosa plant daher die Sanierung aus eigener Kraft. Der japanische Autoanalyst Takaki Nakanishi traut dem Mexikaner und seinem von Ausländern durchsetzten Team eine gründlichere Sanierung zu als dem früheren japanischen Konzernchef Makoto Uchida. Der habe aus politischen Gründen die japanischen Werke geschützt. «Ich erwarte, dass nun schnell pragmatischere Entscheidungen getroffen werden», meint Nakanishi in einem Online-Kommentar bei der Zeitung «Nikkei».
Espinosas Plan scheint ihn zu bestätigen. Nissans früherer Produkteplanungschef will nicht nur Fabriken schliessen, sondern auch den Einkauf und die Entwicklung trimmen. Mehrere Teams unter Espinosas Führung sollen Sparpotenziale identifizieren. Insgesamt will er 3000 Mitarbeiter darauf ansetzen.
Erste Ergebnisse stehen bereits fest. Die radikale Fabrikschliessung wird von einer flexiblen Expansionsstrategie ergänzt. Mit zusätzlichen dritten Schichten und der Fertigung in Werken der Partner Renault und Mitsubishi Motors will Nissan die Produktionskapazität flexibel von den geplanten 2,5 auf 3,4 Millionen Autos erhöhen. Auch mit dem Autohersteller Honda, mit dem Nissan bei der Technologieentwicklung zusammenarbeitet, könnte in den USA kooperiert werden, deutete Espinosa an.
Dazu soll das Werk in Nissans wichtigstem Markt, den USA, nicht verkleinert, sondern ausgebaut werden, um die Folgen der Autozölle zu mindern. Zusätzlich wollen die Japaner die Zahl der Zulieferer und die internen Standards bei Bauteilen senken, um Kosten zu sparen.
Grosse Hoffnung setzt Espinosa zudem auf das chinesische Joint Venture Dongfeng Nissan. Erstens will Espinosa die dortigen Werke nun stärker für die Entwicklung von Elektroautos und den Export nutzen. Den Anfang sollen zwei für den chinesischen Markt entwickelte Elektroautos machen. Zudem will Nissan das Know-how des chinesischen Markts nutzen, um die Kosten zu senken und das Entwicklungstempo zu erhöhen.
«Wir schauen uns unsere Zulieferer in China an und überlegen, was wir von ihren Methoden lernen können», sagte Espinosa. Er versprach zudem, die dortigen Lieferanten verstärkt in die globale Lieferkette einzubinden. Damit würde er radikal mit der bisher in der Autoindustrie verbreiteten Strategie brechen, China aus geopolitischen Gründen als getrenntes Geschäft zu führen.
Honda sagt wegen US-Autozöllen Gewinneinbruch voraus
Damit setzt Nissan ein Zeichen, das auch bei seinem Entwicklungspartner Honda auf Interesse stossen könnte. Honda geht es ebenfalls nicht gut. Zwar verbuchte der Konzern am Dienstag dank seiner starken Motorradsparte einen Betriebsgewinn von 1,2 Billionen Yen (7,3 Milliarden Euro).
Das entsprach einer Gewinnmarge von 5,6 Prozent. Zum Vergleich: Toyota kam auf 10 Prozent. Aber die Autosparte leidet. Ihre Gewinnspanne lag schon vor Trumps Autozöllen bei mageren 1,7 Prozent. Die Zölle werden die Bilanz laut Hondas Prognose voraussichtlich mit 650 Milliarden Yen (4 Milliarden Euro) belasten. Honda korrigierte daher die Gewinnprognose für das laufende Jahr um 59 Prozent auf 500 Milliarden Yen (3 Milliarden Euro) nach unten.