Montag, November 25

Die Swiss Marketplace Group ist als «nationaler Champion» angetreten, der Facebook und Google Paroli bieten soll. Doch die Kunden beklagen sich über die Preispolitik.

Wer in der Schweiz eine Wohnung mieten, einen Gebrauchtwagen kaufen oder ein Occasionsvelo loswerden möchte, kommt um dieses Unternehmen kaum herum. Die Swiss Marketplace Group (SMG) vereinigt die grössten Online-Marktplätze des Landes unter ihrem Dach – von den Tauschbörsen Ricardo, Tutti und Anibis über die Immobilienportale Homegate und Immoscout24 bis zu den Autoportalen Autoscout24 und Carforyou.

Gegenentwurf zu Google und Facebook

Hervorgegangen ist das Unternehmen vor rund zwei Jahren aus einer Fusion. Das Medienunternehmen TX Group auf der einen Seite sowie das Medienhaus Ringier und die Mobiliar-Versicherung auf der anderen Seite brachten ihre Rubrikenportale, die bisher Konkurrenten gewesen waren, in das Gemeinschaftsunternehmen SMG ein. Als weiterer Aktionär beteiligte sich der Finanzinvestor General Atlantic.

Bei der Ankündigung der Fusion wurden grosse Vergleiche gezogen. Es gehe darum, der mächtigen internationalen Konkurrenz wie Facebook, Google oder Ebay «mit einem mächtigen nationalen Champion Paroli bieten zu können», sagte der Verwaltungsratspräsident des neuen Unternehmens.

Doch seit der Fusion begleiten auch Bedenken die Firma. Ist sie auf dem Schweizer Markt möglicherweise selbst so mächtig, dass sie die Kunden ausnutzen kann?

Garagisten kritisieren Preispolitik

Unter den Garagisten in der Schweiz herrscht Unzufriedenheit. «Die Preispolitik von Autoscout24 stösst unseren Mitgliedern sauer auf», sagt Markus Aegerter vom Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS), dem 4000 Garagisten angehören. «Wir haben das auch wiederholt beim Unternehmen moniert.» In den vergangenen Jahren seien die Preise für Autoinserate mehrfach erhöht worden.

Eine mittelgrosse Autohandelskette gibt auf Anfrage an, die Preiserhöhungen hätten jeweils zwischen 10 und 15 Prozent pro Jahr betragen. Das habe schon vor der Fusion begonnen, weil Autoscout24 seit längerem eine dominante Stellung auf dem Markt für Online-Portale habe und mehr als 95 Prozent der Kundenkontakte über die Plattform zustande kämen. Die Preissteigerungen hätten sich nach dem Zusammenschluss fortgesetzt.

Noch stärker als die Preispolitik scheint die Garagisten zu stören, dass sie sich Autoscout24 ohnmächtig ausgeliefert fühlen. Man müsse bei den Inserate-Abos etwa das volle Paket kaufen, auch wenn man manche Zusatz-Features, mit denen die Preiserhöhungen zum Teil gerechtfertigt würden, gar nicht wolle.

Höhere Gebühren bei Ricardo

Auch aus der Immobilienbranche ist Unmut zu hören. Mit der Fusion kamen die führenden Portale Homegate und Immoscout24 bei der SMG zusammen. Die Preise für Immobilieninserate seien im vergangenen Jahr um 15 Prozent erhöht worden, heisst es in der Branche.

Eine leichte Preiserhöhung hat es ausserdem für Kleinkunden gegeben, die auf der Auktionsplattform Ricardo inserieren. Im Herbst 2022 wurde die Erfolgsprovision von 9 auf 10 Prozent erhöht und gleichzeitig die Maximalprovision pro verkauften Artikel von 190 auf 290 Franken heraufgesetzt. Im Frühling 2023 differenzierte Ricardo die Gebühren; je nach Produkttyp wird seither eine Erfolgsprovision zwischen 8 und 12 Prozent fällig.

SMG-Chef: «Wir investieren viel»

Der Chef der SMG, Christoph Tonini, widerspricht der Kritik. «Vergessen wird meist, dass wir massiv in unsere Plattformen investieren, um sie für unsere Kunden effizienter, nutzerfreundlicher und sicherer zu machen», sagt er im Gespräch.

Bei Ricardo habe man jüngst den Dienst Moneyguard zum Schutz von Transaktionen sowie weitere Tools zur Betrugsbekämpfung eingeführt. Im Immobiliensektor profitierten die Kunden stark von der Möglichkeit, Inserate automatisch sowohl auf Homegate wie auf Immoscout24 zu schalten. «Die Makler können damit durchschnittlich rund 60 Prozent mehr Kontaktanfragen erhalten und finden so schneller Mieter und Käufer für ihre Objekte.»

Den Garagisten entgegnet Tonini, dass die Investitionen in die Autoportale ihren Preis hätten. Autoscout24 gebe viel Geld für Google-Werbung, für Marketingkampagnen und für die Weiterentwicklung der Technologie aus. Von der Bekanntheit des Portals profitierten auch die Garagisten, denn so würden sie ihre Gebrauchtwagen einfacher und schneller loswerden.

«Wir sind mit Abstand der günstigste Kanal pro verkauftes Auto», erklärt Tonini. «Bei der SMG geben die Garagisten das Geld am effizientesten aus.» Zudem verrechne man gemessen am Transaktionswert tiefere Preise als vergleichbare Online-Plattformen in Europa.

Gibt es genügend Wettbewerb?

Im Kern geht es um eine Grundsatzfrage der digitalen Welt. Bei Online-Diensten besteht eine Tendenz zur Monopolisierung («the winner takes it all»): Die grösste Plattform zieht alle Aufmerksamkeit auf sich und das ganze Geschäft. Dies bereitet Politikern und Bürgern Sorgen. Die Regulatoren in den USA und in der EU gehen deshalb gegen marktmächtige Unternehmen wie Google, Facebook oder Apple vor. Könnte es in der Schweiz bei den Online-Marktplätzen ein ähnliches Wettbewerbsproblem geben?

SMG-Chef Tonini widerspricht: «Der Markt ist dynamisch, es gibt Alternativen, und mit KI werden wir noch neue Marktteilnehmer sehen.» Bei den allgemeinen Marktplätzen sei Facebook Marketplaces ein wichtiger Konkurrent von Ricardo, Tutti und Anibis. Bei den Autoinseraten habe im vergangenen Jahr mit der Emil-Frey-Gruppe ein potenter Autohändler das Konkurrenzportal Carmarket lanciert. Ein weiterer Wettbewerber sei Autolina, zudem gebe es viele ausländische Portalbetreiber und Startups, die potenziell in den Schweizer Markt vorstossen könnten. In der Immobilienbranche stehe man unter anderem in Konkurrenz mit Newhome oder Comparis.

Tatsächlich haben beide Immobilienportale in den vergangenen Tagen neue Initiativen bekanntgegeben. Bei Newhome beteiligt sich der Versicherer Axa mit 20 Prozent, um die Marktposition des Portals zu stärken. Das reichweitenstarke Vergleichsportal Comparis führt kostenlose Immobilienanzeigen auf seiner Seite ein, was den Wettbewerb ebenfalls beleben dürfte.

Stillhalten der Weko

Die Regulatoren in der Schweiz beobachten den Markt bis jetzt aus Distanz. Als die Fusion zur SMG angekündigt wurde, hatte die Wettbewerbskommission (Weko) keine Kompetenz für eine Prüfung des Zusammenschlusses, weil das Unternehmen weniger Umsatz machte als die vom Kartellgesetz vorgesehene Schwelle von 500 Millionen Franken.

Die Weko erklärt auf Anfrage, zwar erhalte man seit der Fusion vereinzelt Meldungen und Hinweise zu den Preisen der Swiss Marketplace Group. «Aber wir führen kein Verfahren zur SMG und planen derzeit nicht, ein solches zu eröffnen.»

Ein Grund dafür dürfte sein, dass die meisten Konsumentinnen und Konsumenten die Preispolitik der SMG kaum spüren. Beim Endpreis eines Gebrauchtwagens oder einer Wohnung machen die Inseratekosten nur einen kleinen Teil aus.

Deshalb bleiben auch viele Garagisten Autoscout24 trotz ihrer Unzufriedenheit treu. «Nur wenige Garagisten kündigen ihr Autoscout-Abo», erklärt Markus Aegerter vom Branchenverband AGVS. «Sie machen die Faust im Sack, auch weil sie das Portal an sich schätzen.» Als Verband ermuntere man die Mitglieder jedoch, auch Inserate bei Konkurrenten wie Autolina und Carmarket zu schalten. «Wir finden es wichtig, dass es Auswahl gibt.»

Ambitionierte Wachstumspläne

Die SMG will ihre Marktposition derweil weiter ausbauen. Firmenchef Tonini sagt, die Losung laute «innovieren und wachsen».

Nach der Fusion musste das Unternehmen allerdings zunächst Probleme lösen, wie sie häufig vorkommen bei Firmenzusammenschlüssen. Im Jahr 2022 wurden rund 10 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut, weil es zahlreiche doppelt besetzte Stellen gegeben hatte. Zudem investierte das Management viel Energie in die Verschmelzung der Kulturen der zwei Unternehmen, die sich vorher als Konkurrenten gesehen hatten.

Das Wachstum hat sich jüngst aber beschleunigt. Im Jahr 2022 erzielte die SMG einen Umsatz von 250 Millionen Franken und einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 50 Millionen Franken, wie dem Geschäftsbericht des Miteigentümers TX Group zu entnehmen ist. Im ersten Halbjahr 2023 lagen Umsatz und Betriebsgewinn bereits deutlich höher. Die Ebitda-Marge stieg von 20 auf 35 Prozent.

Börsengang als Ziel

SMG-Chef Tonini möchte noch mehr. «Unser Anspruch muss es sein, bei den Kennzahlen gleich gut zu werden wie andere europäische Online-Marktplätze mit einer starken Marktstellung.» Das heisst konkret: ein Umsatzwachstum von 15 Prozent pro Jahr und eine Ebitda-Marge von mehr als 50 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse das Unternehmen vor allem weiterhin innovative Produkte auf den Markt bringen, für die die Kunden zu zahlen bereit seien.

Das mittelfristige Ziel bleibt der Börsengang, der schon bei der Fusion in Aussicht gestellt worden war. Laut Tonini gibt es noch keinen Zeitplan. Aber das Thema könne in den nächsten zwei Jahren aktuell werden.

Der Börsengang werde wohl eine grosse Sache. Der «nationale Champion» SMG wird in den Büchern des Miteigentümers TX Group mit 2,7 Milliarden Franken bewertet.

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