Donnerstag, November 28

Der Schweizer Luxusgüterkonzern kommt an der Börse derzeit deutlich besser weg als sein französischer Rivale. Die Risikofaktoren im Sektor sind aber nicht weniger geworden.

Über viele Monate haben sich die Aktien von Richemont im Schatten des grossen Rivalen LVMH aus Frankreich bewegt. Nur während kurzer Phasen ist es den Schweizern seit Anfang 2020 gelungen, die Franzosen an der Börse zu schlagen. Die Titel bewegten sich praktisch im Tandem auf und ab.

Doch jetzt tut sich eine Schere auf.

Ab der zweiten Aprilhälfte 2024 haben die Aktien von LVMH in Franken gerechnet deutlich schwächer abgeschnitten als jene von Richemont. Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Am 24. April publizierte Kering eine Gewinnwarnung. Das französische Unternehmen leidet stärker als erwartet unter der konjunkturbedingt schwachen Nachfrage nach Luxusgütern in China, insbesondere die Marke Gucci kommt weiterhin nicht auf Touren.

Im Sektor herrscht nach dem coronabedingten Boom derzeit Katerstimmung. Der Zyklus hat nach unten gedreht, für 2024 erwarten etwa die Analysten von Bank of America noch ein globales Wachstum von rund 4% für das Luxussegment – zwischen 2019 und 2023 war der Gesamtmarkt laut dem Beratungsunternehmen Bain um 30% gewachsen. Am weitesten fortgeschritten ist die Erholung der Konsummuster nach Euphorie und Einbruch in den USA, während China tief in der Depression steckt.

Richemont kann sich besser entziehen als LVMH

Dem Abwärtsdruck an der Börse konnte sich Richemont bisher besser entziehen als etwa LVMH. Dies auch, weil das Unternehmen Mitte Mai solide Jahreszahlen für das am 31. März abgelaufene Geschäftsjahr 2023/24 vorgelegt hatte: Sowohl der Umsatz als auch die Profitabilität lagen insgesamt innerhalb der Erwartungen. Die Schweizer konnten das unerwartet deutliche Minus in Asien-Pazifik (–12%) mit einstelligem Prozentwachstum in anderen Regionen wettmachen.

Im Anschluss an die Jahreszahlen sind bei den Schweizern auch die Schätzungen für das erste und das zweite Quartal 2024/25 praktisch stabil geblieben, insbesondere bei der Profitabilität scheinen sich die Analysten bei Richemont trotz Abkühlung im Sektor wenig Sorgen zu machen. Das erwartete Wachstum fällt zwar klar niedriger aus als in den vergangenen Boomjahren, der strukturelle Trend aber ist intakt.

In der Folge atmete die Börse auf, die Aktien nahmen Kurs auf das bisherige Rekordhoch bei über 150 Fr.

Beim Branchenprimus LVMH sind die Marktbeobachter etwas skeptischer. Nach einem durchzogenen 2023 ist der Umsatz im ersten Quartal 2024 leicht zurückgegangen. Und bereits seit Anfang Jahr sinken die Umsatz- und Gewinnerwartungen für die kommenden Quartale mal etwas schneller, mal etwas langsamer, aber sie sinken.

Fallhöhe der Richemont-Aktien ist gestiegen

Dabei gibt es kurz- bis mittelfristig durchaus Risikofaktoren, die auch Richemont betreffen: Das makroökonomische Umfeld bleibt schwierig, anhand der jüngsten Konjunkturindikatoren lässt sich die Frage, ob die US-Wirtschaft dieses Jahr doch noch in eine Rezession rutscht, zwar nicht eindeutig beantworten. Es gibt aber Zweifel an der Verfassung der US-Konsumenten, und noch sehen die Analysten von Bank of America keine Anzeichen für eine Normalisierung im Luxussektor. Im wichtigen Markt China ist angesichts der schlechten Konsumentenstimmung der Vergleich mit dem Vorjahr umso anspruchsvoller.

Aus Sicht von The Market ist vor diesem Hintergrund und bei einem Kurs nahe dem Allzeithoch die Fallhöhe bei den Richemont-Aktien gestiegen. Die Zahlen fürs erste Quartal des Geschäftsjahres 2024/25, die am 16. Juli publiziert werden, dürfen nicht enttäuschen. Gleichzeitig fehlt es derzeit wohl an einem Impuls, der die Aktien zu einem neuen Höchst treiben könnte.

Grundsätzlich gilt aber trotz Zyklustief: Die Regeln im Luxusgütermarkt haben sich nicht fundamental geändert. Starke Marken sind der Schlüssel zum Erfolg, das zeigen LVMH und Richemont gegenüber Kering – und das macht ein Blick auf Hermès deutlich. Der französische Star im Bunde hat die beiden Konkurrenten seit 2020 abgehängt.

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