Freitag, November 22

Der Schmuck- und Uhrenhersteller leidet in China, präsentiert sich sonst aber in guter Verfassung. Ausserdem: Also bietet eine Einstiegschance, Nestlé-Aktien suchen den Boden, ein wenig beachteter Star an der Schweizer Börse, und ein Wort zu Lindt & Sprüngli.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Lange Zeit hat sich Richemont der schlechten Stimmung im Sektor einigermassen entziehen können. Die Aktien haben sich im Vergleich zu jenen von Branchenprimus LVMH seit Anfang Jahr gut geschlagen. Doch nun trifft es auch den Schweizer Uhren- und Schmuckhersteller: Er verpasst die Erwartungen ans erste Halbjahr 2024/25 (per Ende September), die Titel stehen am Freitagmorgen unter Druck.

Wie die ganze Branche kämpft Richemont mit dem schwachen Uhrengeschäft, insbesondere in China, wo der Umsatz zuletzt insgesamt um fast einen Drittel zurückging. Das sei eher ein mittel- bis langfristiges Thema, dämpfte CEO Nicolas Bos die Erwartungen an eine schnelle Erholung. Das Management sei aber zuversichtlich, dass die Nachfrage zurückkommen werde – wenngleich nicht mehr auf dem sehr hohen Niveau wie im Nachgang der Pandemie. Wo das neue Gleichgewicht ist, lässt sich heute nicht sagen. Daneben zeigte sich eine Verlangsamung in Japan, wo das erste Quartal noch sehr stark ausgefallen war.

Die Krux: Die Marken und Produkte müssen in den Köpfen der Kunden präsent bleiben. Entsprechend hat Richemont zwar die Produktionskapazitäten und die Distributionskanäle der neuen Nachfragesituation angepasst, einschneidendere Massnahmen zur Kostenreduktion sind laut dem Management aber keine unternommen worden und auch nicht geplant. Die Investitionsstrategie wird fortgeführt. Selbst in China hält das Unternehmen seinen Verkaufs- und Marketingapparat am Laufen und investiert weiter in Wachstum, um im Fall einer Wiederbelebung sofort profitieren zu können, und auch, um die weiterhin vorhandene Nachfrage zu stillen.

Der negative operative Hebel ist aber entsprechend heftig: Bei einer stabilen Umsatzentwicklung in den vergangenen sechs Monaten fiel der Betriebsgewinn auf Stufe Ebit ganze 17% auf 2,21 Mrd. €, wobei die Marge 4,1 Prozentpunkte auf 21,9% schrumpfte. Unter dem Strich verblieb ein Gewinn aus dem weitergeführten Geschäft, ohne die Aktivitäten der Onlinetochter YNAP, von 1,73 Mrd. nach 2,16 Mrd. vor Jahresfrist.

Der Grund, wieso sich Richemont an der Börse trotz all dem nicht schlecht hält, hat einen Namen: Cartier. Trotz aller Schwierigkeiten bewies der Konzern auch dieses Mal, dass er mit ihrem Angebot derzeit hervorragend aufgestellt ist. Cartier ist vielleicht die stärkste Schmuckmarke überhaupt. Der Gesamtumsatz ist zwar zwischen Juli und September in Lokalwährungen 1% gesunken, dank des Wachstums bei den Schmuckmarken von 4% präsentierte sich der Konzern damit aber klar resilienter als die französischen Konkurrenten LVMH (–3%) und Kering (–16%). An Hermès (+11%) kommen aber auch die Schweizer nicht heran.

Das spiegelt sich an der Börse.

Das Management präsentierte sich an der Medienkonferenz denn auch zuversichtlich, was die Entwicklung bei den Schmuckmarken betrifft. Insbesondere die Nachfrage und das Begehren nach Cartier-Produkten sei ungebrochen hoch, gerade was die ikonischen Stücke anbelange. In einem Sektor, in dem Markenstärke enorm wichtig ist, könnte das die schwierige Situation im Uhrengeschäft auch künftig abfedern. Positiv sieht CEO Bos auch die Situation in den USA: Zu den Konsequenzen des Wahlsiegs von Donald Trump – etwa wie sich allfällige Zölle auswirkten – könne er sich zwar nicht äussern, üblicherweise sei die Konsumstimmung aber im Weihnachtsverkauf nach US-Präsidentschaftswahlen sehr gut.

Ich finde, es lohnt sich dabeizubleiben.

Ganz anders die Situation bei Swatch Group: Die enttäuschenden Uhrenverkäufe in China und die Äusserungen des Richemonts Management haben wohl den Eindruck verstärkt, dass die Situation für den angeschlagenen Bieler Uhrenkonzern noch lange schwierig bleiben dürfte. Die Aktien geben am Freitagvormittag stärker nach als jene von Richemont.

Die Aktien von Also kommen nicht mehr richtig in Schwung. Nach einem steilen Anstieg im ersten Halbjahr, notieren sie gegenwärtig nahe dem Jahrestief.

Mitte Juli habe ich meine Sicht auf das Unternehmen dargelegt und erläutert, wieso mich der Investment Case des IT-Distributors überzeugt. Nur kurz haben sich daraufhin die Aktien erholt. Das liegt sicher auch daran, dass sich die Erholung im Computermarkt verzögert. Doch Also liefert längst nicht mehr nur Hardware (Supply, 60,5% des Umsatzes), sondern auch IT-Lösungen etwa im Bereich der Cybersicherheit (Solutions, 30%) und «as-a-Service»-Bestandteile für den digitalen Arbeitsplatz (Services, 9,5%), und in allen Segmenten verändern sich die Kundenbedürfnisse durch die Verbreitung von künstlicher Intelligenz rasant, die Erneuerungszyklen werden kürzer.

In den Fokus rückt die Plattform Also Cloud Marketplace (ACMP), mit der das Unternehmen den Kunden Tausende Cloud-basierte IT-Services anbieten kann, mit Bestellung, Bereitstellung, Abrechnung und Verwaltung auf einer einzigen Plattform. Sie dürfte von zusätzlichen Verkäufen von Software-as-a-Service-Produkten wie Microsoft Copilot oder Adobe Firefly profitieren.

An meiner Meinung mit Blick auf die Aktien hat sich deshalb nichts verändert: Sie bleiben ein Kauf.

Derselben Meinung ist Michael Inauen, Aktienanalyst bei der Zürcher Kantonalbank. Er sieht trotz kurzfristiger Herausforderungen grosses Potenzial im Geschäftsmodell von Also und stuft die Aktien neu mit «Übergewichten» ein, bei einem fairen Preis von 340 Fr.

Das erwartete, längerfristige Wachstum von ACMP durch sowohl mehr Nutzer als auch mehr Umsatz je Nutzer werde auch den Betriebsgewinn auf Stufe Ebitda und die Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROCE) verbessern, ist Inauen überzeugt. «Also hat es ebenfalls verstanden in den letzten Jahren gute kleine und grössere Akquisitionen zu tätigen und die Positionen zu festigen.» Von der letzten – noch nicht abgeschlossenen – Übernahme der britischen Westcoast UK erwartet die ZKB ab 2025 deutliche Wachstumsimpulse. Entsprechend hält der Analyst fest: «Wir sehen das langfristige Potenzial von Also im Aktienkurs nicht adäquat reflektiert.»

Nestlé hat ein schwieriges Jahr hinter sich: Enttäuschende Wachstumszahlen, Margendruck, Prognosesenkungen und ein CEO-Wechsel prägten 2024. In Vevey wird man froh sein, wenn es nach dem Kapitalmarkttag in knapp zwei Wochen in Richtung Weihnachtssaison und Jahreswechsel geht. 2025 steht für den neuen CEO Laurent Freixe sehr viel Arbeit an.

Die Erwartungen sind derweil nicht mehr hoch; die Nestlé-Aktien scheinen den Boden dennoch einfach nicht zu finden. Am Mittwoch fiel der Kurs gar unter 80 Fr.

Im Nachgang der US-Wahlen vom Dienstag kam der gesamte Basiskonsumsektor unter Druck. Auffällig: Damit wiederholt sich das Bild von November 2016, als Trump zum ersten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden ist. Damals hielt die schlechte Stimmung aber nur bis etwa Ende des Monats, schon kurz darauf waren die Aktien gefragt. Das galt auch für jene von Nestlé; bis Ende November 2017 gewannen die Titel mehr als 20%.

Klar, das muss sich nicht so wiederholen, und der Trend ist derzeit hartnäckig negativ, in den letzten Wochen hat er sich gar noch etwas beschleunigt. Ich habe mir mit meiner Empfehlungsänderung von vor gut zwei Wochen auch schon die Finger verbrannt. Ausserdem muss Nestlé am Investorenanlass vom 19. und 20. November liefern. Gelingt dies dem Management aber, könnte das für den positiven Impuls sorgen, der eine nachhaltige Erholung in Gang setzt. So attraktiv bewertet wie heute waren die Aktien lange Zeit nicht mehr.

Kuros gehört gegenwärtig zu den auffälligsten Geschichten an der Schweizer Börse. Vielen – so auch mir – sind die Aktien erst 2024 aufgefallen; seit Anfang Jahr hat sich ihr Wert versiebenfacht.

Der Aufstieg hat einen Grund: MagnetOs. Überspitzt formuliert lässt das Mittel Knochen wieder wachsen. Solche Knochenersatzprodukte werden bisher fast ausschliesslich zur Versteifung von Rückenwirbeln eingesetzt.

Um den Jahreswechsel erreichte Kuros damit den Durchbruch. Das Unternehmen konnte zeigen, dass MagnetOs bei Wirbelsäulenfusionen deutlich besser abschneidet als die bisher beste Lösung, körpereigenes Knochenmaterial zu verwenden. Damit habe Kuros den neuen «Goldstandard» geschaffen, glaubt die Unternehmensleitung. Nach enttäuschenden Daten aus der Phase-II-Studie ihres anderen Produkts, Fibrin PTH, entschied sich Kuros, sich voll und ganz auf MagnetOs zu konzentrieren – ein Entscheid, der an der Börse sehr gut angekommen ist. Auch, weil das Unternehmen damit viel früher als bisher erwartet einen Gewinn schreiben dürfte, den es in die Weiterentwicklung stecken kann.

Der Fall Kuros zeigt: Das Upside bei solchen Biotech-Unternehmen ist enorm. Anlegerinnen, die früh aufspringen, werden entsprechend mit hohen Renditen belohnt.

Aber auch in Zukunft bleibt das Klumpenrisiko beträchtlich. Der weitere Erfolg hängt praktisch allein von MagnetOs ab. Wobei das Anwendungspotenzial derzeit noch nicht ausgeschöpft scheint. In den vergangenen Monaten sind neue Bereiche dazugekommen, und Kuros will ihr Produkt auch für Knochenfusionen in anderen Körperteilen vorantreiben. In einigen Ländern hat sie dafür bereits die Zulassung. Wobei selbst im Hauptmarkt USA nur ein ganz kleiner Teil der Chirurgen das Produkt bereits einsetzt.

Gegenwärtig schätzt das Unternehmen das Marktpotenzial auf insgesamt rund 3 Mrd. $ im Jahr 2028. Ob das tatsächlich realisiert werden kann, muss sich weisen. In den ersten neun Monaten 2024 erzielte MagnetOs einen Umsatz von rund 50 Mio. Fr. Das Wachstum dürfte entsprechend hoch bleiben, wenngleich Absatzverdoppelungen innerhalb von wenigen Monaten wie zuletzt auf dem höheren Niveau nicht wiederholt werden dürften.

Für 2025 erwartet die einzige Analysten, die das Unternehmen abdeckt, Laura Pfeifer-Rossi von Octavian, gemäss Daten von Bloomberg erstmals einen kleinen Gewinn, während das operative Ergebnis bereits dieses Jahr bei einem Umsatz von geschätzt rund 77 Mio. Fr. leicht positiv ausfallen dürfte. Eine sinnvolle Bewertung der Aktien ist entsprechend schwierig. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 150 basierend auf dem für 2025 geschätzten Gewinn ist angesichts der enorm hohen Wachstumsraten schwer einzuordnen, zumal die Schätzung mit viel Unsicherheit verbunden ist. Die Bewertung liegt aber im Rahmen der schwedischen Konkurrentin Bonesupport, obwohl Kuros diese schon im laufenden oder spätestens im kommenden Jahr punkto Umsatz einholen dürfte und bessere Wachstumsaussichten aufweist.

Persönlich werde ich Kuros auch weiterhin von der Seitenlinie aus beobachten. Nicht, weil ich dem Unternehmen per se nicht zutraue, dass es in den kommenden Jahren profitabel wachsen kann. Auch werden die Aktien in den SPI Small aufgenommen, womit sie neu im Anlageuniversum einiger Fondsmanager auftauchen. Das dürfte den Kurs weiter stützen. Aber mir ist das Risiko eines einzelnen Investments im Biotech-Sektor einfach zu hoch. Wer die Aktien hält, sollte sich bewusst sein, dass es sich auch nach dem Durchbruch mit MagnetOs um eine Hochrisikoposition handelt, und kann einen Teil des Gewinns ja auch schon mal realisieren.

Vergangene Woche habe ich mich an dieser Stelle zu Barry Callebaut und Lindt & Sprüngli geäussert. Angesichts der besser als erwartet angelaufenen Kakaoerntesaison in Westafrika können die Schokoladenhersteller kurz durchatmen, der Kostendruck dürfte vorläufig nicht noch stärker werden als er ohnehin schon ist. Und im Fall des Premiumherstellers Lindt bin ich auch zuversichtlich, dass er sich im schwierigen Konsumumfeld weiterhin gut schlagen wird und die höheren Preise ohne grosse Einbussen bei den verkauften Volumen weitergeben kann.

Bei einem Kurs um 10’000 Fr. halte ich die Partizipationsscheine langsam wieder für kaufenswert.

Diese Sichtweise wird nun auch von Managementtransaktionen untermauert. Üblicherweise fällt Lindt in den Daten der SER vor allem mit grossen Verkäufen auf. Die Manager realisieren so ihre grosszügige Entschädigung, die zu einem guten Teil in Optionen auf eigene Aktien ausbezahlt wird. Vergangene Woche aber kam es zu zwei grösseren Käufen: Verwaltungsratspräsident Ernst Tanner und/oder ein Mitglied der Geschäftsleitung haben zugeschlagen. Insgesamt sind Namenaktien im Wert von rund 700’000 Fr. erworben worden.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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