Sonntag, November 24

Der Schmuck- und Uhrenhersteller findet endlich eine Lösung für die defizitäre YNAP, bleibt mit dieser aber verbunden. Ausserdem: Zwei Themen beschäftigen Georg Fischer, die Erwartungen an Nestlé sinken und sinken, und ein Wort zu Tecan.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Es ist ein teurer Flop, ein sehr teurer: 2,8 Mrd. € hatte Richemont 2018 für die Onlineplattform Yoox-Net-A-Porter, kurz YNAP, hingeblättert – und in den Sand gesetzt. Das Versprechen, dank YNAP im lukrativen E-Commerce mitmischen zu können, hat sich nie erfüllt. Die Onlineplattform blieb stets hinter den Wachstumserwartungen zurück und schrieb bis zum Schluss einen Verlust. Laut Schätzung der ZKB dürfte sich der allein im laufenden Geschäftsjahr 2024/25 (per Ende September) auf rund 200 Mio. € belaufen, bei einem erwarteten Betriebsgewinn von Richemont in Höhe von 6,17 Mrd. €.

Auf der Suche nach einer Lösung für YNAP war Richemont indes schon lange. Bereits Ende 2021 brachte sie eine Öffnung der Plattform ist Spiel, auch wenn sich von Beginn weg abzeichnete, dass dies ein schwieriges Unterfangen werden dürfte. Luxusgüterhersteller sind bei der Auswahl ihrer Vertriebskanäle aus Angst vor der Konkurrenz und der Kannibalisierung ihres Angebots sehr zurückhaltend.

Als erstes hätte die britische Farfetch investieren sollen. Doch der Deal mit dem Onlinehändler scheiterte. Die Briten gerieten selbst in finanzielle Schwierigkeiten und mussten Ende 2023 durch den E-Commerce-Giganten Coupang gerettet werden.

Nun wird YNAP verkauft. Wobei Verkauf in diesem Fall kaum der passende Ausdruck ist. Zum einen, weil Richemont die Transaktion mitfinanziert. 555 Mio. € Barmittel wechseln mit YNAP die Eigentümerin, Finanzschulden dagegen keine, zudem gewähren die Schweizer einen Kredit von 100 Mio. €. Zum anderen, weil Richemont auch nachher noch ein beträchtliches Risiko trägt. Sie wird mit 33% an der Käuferin Mytheresa beteiligt sein und muss darauf hoffen, dass die Onlineplattform mit Sitz in München mit ihrer Strategie mehr Erfolg hat. Diese plant die Einrichtung einer High-End-Division mit Net-A-Porter, Mytheresa und Mr Porter und die Abtrennung von Yoox und The Outnet. Der Wert der neu ausgegeben Aktien wird auf rund 123 Mio. € beziffert.

Bleibt für die Schweizer ein riesiger Abschreiber von rund 1,3 Mrd. € und aus Anlegersicht nicht einmal die Genugtuung, dass damit der Schrecken ein definitives Ende findet. Die Richemont-Aktien reagierten am Montag wenig überraschend verhalten.

Derzeit kann Richemont das verschmerzen, der Luxusgüterkonzern befindet sich in einer beneidenswerten Verfassung. Cartier ist die Schmuckmarke der Stunde. Das könnte auch mit der Preispolitik im Sektor zusammenhängen, wie die «Financial Times» basierend auf einer Studie von Bernstein in einem lesenswerten Artikel aufzeigt (Paywall): Von 2020 bis 2023 haben die Luxusgüterhersteller ihre Preise markant erhöht, allen voran LVMH. Viele Evergreen-Produkte von Dior und Chanel kosten rund zwei Drittel mehr als noch vor der Pandemie; aber auch die Häuser Louis Vuitton, Tiffany und Bulgari haben die Preise rund 30 bis 40% angehoben.

Richemont zeigte sich in dieser Hinsicht geradezu zurückhaltend, Cartier-Schmuck kostet gemäss den Analysten von Bernstein «nur» rund 10% mehr als noch 2019. Der zuständige Analyst des Researchhauses, Luca Solca, jedenfalls stuft die Aktien mit «Outperform» ein. Und laut FT könnten sich die in der Preissetzung forscheren Branchennachbarn nun gezwungen sehen, ihre Preise der Nachfrage anzupassen, sprich weiter zu senken. Bereits werden günstigere Produktlinien lanciert, der grosse Ansturm im High-end-Bereich ist vorbei.

Und einmal mehr sind alle Augen auf China gerichtet: Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der chinesischen Konjunktur, angeheizt durch die von der Regierung angekündigten Stimulierungsmassnahmen, hatten den Luxusaktien seit Ende September starken Auftrieb verliehen. Doch wie schnelllebig das Ganze sein kann, zeigte sich bereits gestern Dienstag. Peking enttäuschte die Finanzmärkte mit weiteren Details zu den fiskalischen Stützungsmassnahmen. Die Börse Hongkong brach nach der Rally der vergangenen Tage ein. Die Aktien von Richemont und Swatch Group gehörten am Schweizer Markt zu den grössten Verlierern.

Insgesamt zweifle ich daran, dass das Stimuluspaket in China allein die grosse Wende bringt, wie ich an dieser Stelle bereits vor einer Woche mit Blick auf Swatch Group geschrieben habe. Wobei Richemont am Luxusmarkt klar besser positioniert ist als die Bieler – und mit einem Umsatzanteil von 18% zuletzt eine halb so hohe China-Exponierung aufwies. Ich bin jedenfalls gespannt auf die Zahlen für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr, die am 8. November präsentiert werden.

Die Aktien von Georg Fischer stehen seit einigen Wochen stark unter Druck. Am Dienstag schlossen sie sogar das erste Mal seit Februar unter 60 Fr.

Das Unternehmen ist an verschiedenen Fronten mit dem schwierigen Marktumfeld konfrontiert: Die Segmente Machining Solutions und Casting Solutions leiden unter der schwachen Nachfrage im Automobilmarkt. Die erst 2023 gekaufte Uponor und damit das Segment Building Flow Solutions spüren die Baurezession in Europa. Nun sind das zwar keine Neuigkeiten. Am Markt scheint sich aber immer mehr die Wahrnehmung durchzusetzen, dass – gerade was das Automobilgeschäft betrifft – die noch zu den Halbjahreszahlen erhoffte Erholung kaum mehr dieses Jahr eintreffen wird. Im Gegenteil, das Umfeld ist eher noch etwas rauer geworden, sagen mir Beobachter.

Wenig überraschend wird auch die Jahresprognose infrage gestellt. Sofern keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten, rechnet Georg Fischer für 2024 weiterhin mit einer Profitabilität innerhalb des strategischen Zielkorridors, sprich mit einer vergleichbaren Ebitda-Marge zwischen 13 und 15% sowie einer vergleichbaren Ebit-Marge von 10 bis 12%. Erst Mitte September hat das Unternehmen die Vorgaben an der Investorenkonferenz Investora in Zürich bestätigt. Schon dort machte Investor-Relations-Chefin Nadine Gruber aber klar, dass das Erreichen der Vorgaben kein Selbstläufer wird. Einen besonders überzeugenden Eindruck hinterliess sie bei mir dabei nicht.

Und so baut die Haltung des Managements wohl wie in den Quartalen zuvor vor allem auf das Prinzip Hoffnung. Immerhin: Das vierte Quartal war das schwächste im vergangenen Jahr, die Vergleichsbasis wird also durchaus einfacher. Das Potenzial für eine positive Überraschung ist indes sehr klein.

Das andere grosse Thema, das Marktteilnehmer mit Blick auf Georg Fischer offensichtlich umtreibt, ist die deutlich gestiegene Verschuldung. Durch die zur Finanzierung der Uponor-Übernahme aufgenommenen Kredite ist das Verhältnis von Nettoverschuldung zu Ebitda kurzfristig deutlich gestiegen. Bis Ende Jahr dürfte es unter 3 sinken, und dann soll der Schuldenberg über die Jahre langsam abgebaut werden.

Noch handelt sich dabei um eine Überbrückungsfinanzierung in Form von zwei Krediten über 636 Mio. und 986 Mio. Fr. Derzeit kostet der bis nächstes Jahr laufende Brückenkredit 2,4% p. a., für das Darlehen mit Laufzeit bis im Juni 2028 (Term Loan) zahlt Georg Fischer 3,8%. Die Zinssätze sind variabel und das Ergebnis von Verhandlungen mit dem Bankenkonsortium, Details dazu seien vertraulich, schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Gemäss ursprünglicher Kommunikation plant das Unternehmen noch dieses Jahr die Ausgabe von Unternehmensanleihen, um die Kredite zumindest teilweise zu ersetzen. Der genaue Zeitpunkt hänge aber von den Marktbedingungen und -verhältnissen ab.

Es wird spannend, zu welchen Konditionen Georg Fischer die Anleihen auf den Markt bringen kann. Klar ist: So günstig wie die drei ausstehenden Bonds, die 2016, 2018 und 2020 mit einer Verzinsung um 1% emittiert wurden, wird es nicht nur wegen des insgesamt höheren Zinsniveaus in der Schweiz, sondern auch wegen der Finanzierungssituation des Unternehmens nicht mehr werden.

2024 ist ein Jahr zum Vergessen für Nestlé. Am Markt gilt das Verfehlen der Finanzziele für das Gesamtjahr bereits als sicher, die durchschnittliche Erwartung der Analysten für das organische Wachstum im laufenden Jahr beträgt noch rund 2,8% – und sinkt stetig. Kein Wunder, geht auch der Sinkflug der Aktien weiter.

Der Konzern hält offiziell bisher an der Zielgrösse von «mindestens 3%» fest, nachdem der inzwischen abgetretene Konzernchef Mark Schneider diese noch im Sommer hatte nach unten korrigieren müssen. Doch an der Telefonkonferenz anlässlich des CEO-Wechsels Ende August konnte sich VR-Präsident Paul Bulcke nicht zu einer definitiven Bestätigung der Ziele durchringen, trotz mehrfachem Nachfragen der Analysten und Investorinnen. Er musste von Finanzchefin Anna Manz gerettet werden, die betonte, dass Nestlé eine Ad-hoc-Meldung hätte publizieren müssen, wenn sie die Prognose revidiert hätte.

Geglaubt hat ihr der Markt das offensichtlich nicht ganz.

2,8 oder 3,1% – so gross ist der Unterschied nicht, würde man denken. Klar, mit den Wachstumserwartungen werden auch die Gewinnschätzungen nach unten revidiert. Dies umso mehr, als dass der Markt mittlerweile davon ausgeht, dass die bereinigte Betriebsgewinnmarge für das laufende Jahr bei 17,3% verharren wird, was ein Rückgang im zweiten Halbjahr bedeuten würde. Für 2025 erwarten die Analysten sogar einen leichten Rückgang der Profitabilität. Eine Rückkehr zum Niveau bei 17,7% von vor dem Inflationsschub der vergangenen Jahre scheint bis auf weiteres unrealistisch zu sein.

Schwerer wiegt aus meiner Sicht der Vertrauensverlust. Das wird denn auch die wichtigste Aufgabe für den Neuen an der Konzernspitze: Laurent Freixe muss sowohl intern als auch extern das Vertrauen wieder aufbauen. Mit guten Resultaten einerseits, aber auch mit einer verbesserten Kommunikation. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich ihm schon kommende Woche: Am 17. Oktober präsentiert Nestlé die Wachstumszahlen für die ersten neun Monate 2024. Eine Enttäuschung wird vorweggenommen, der Raum für positive Überraschungen ist aber begrenzt.

Schwache Zahlen und mangelhafte Kommunikation: Das trifft auch auf Tecan zu. Der Laborausrüster hat den Markt mit einer herben Enttäuschung zum Halbjahr aufgeschreckt. Die Aktien haben sich daraufhin nur kurzzeitig etwas erholt, mittlerweile notieren sie auf Jahrestief.

Mein Kollege Giorgio Müller hat es anlässlich der Halbjahreszahlen Mitte August vorausgesagt: «Es wird nicht einfach sein, den negativen Trend zu brechen. Eher kommt es zu einer Unterschiessung, wenn weiteren Investoren der Geduldsfaden reisst.» Und: Dann komme wohl der beste Zeitpunkt, sich längerfristig in Tecan zu engagieren.

Ob der beste Zeitpunkt genau heute oder erst morgen oder übermorgen ist, sei dahingestellt. Ich bin vom Investment Case überzeugt: Tecan ist in einem strukturell wachsenden Markt sehr gut positioniert und profitiert vom starken Spardruck im Gesundheitsbereich, die Bilanz ist grundsolide. Die Auftragsflaute, die das Unternehmen derzeit bremst, wird vorübergehen, wenn vielleicht auch erst im Lauf des nächsten Jahres. Aber bereits am Kapitalmarkttag vom 22. Oktober hat das Management die Möglichkeit, die kommunikative Fehlleistung vom August auszubügeln und mit Wachstumsperspektiven auch den Aktien frische Impulse zu geben.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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