Montag, September 30

Eine Übernahme birgt Risiken für deutsche Bankkunden und Steuerzahler.

Für deutsche Steuerzahler und Bankkunden ist es ein Risiko, wenn es Andrea Orcel, dem CEO der italienischen Bank Unicredit, tatsächlich gelingen sollte, die Commerzbank zu übernehmen. Denn sollte der neue Bankriese tatsächlich einmal in eine Schieflage geraten, müssten im Extremfall wohl auch die deutschen Steuerzahler einspringen.

Systemrelevant wäre eine solche Superbank zweifellos. Als bedeutender Gläubiger des italienischen Staats zementiert sie via Bankenunion de facto eine Transfer- und Haftungsgemeinschaft.

Italiens Banken sind schon früher teilweise in die Bresche gesprungen, wenn es darum ging, Staatstitel aufzukaufen. Und wie zur Bestätigung möglichen politischen Drucks hat Italiens Bankenverband Abi gerade angekündigt, «Massnahmen zu prüfen, die dem Staatshaushalt mehr Liquidität verschaffen könnten». Rom will aufgrund der schwierigen Budgetsituation einen «freiwilligen Beitrag» von Banken,
Versicherungen und Unternehmen verlangen, «die es sich leisten können».

Schlechtes Rating von Italien färbt ab

2023 war eine geplante Sondersteuer auf «Übergewinne» von Banken gescheitert. Italiens Finanzinstitute haben ihren Anteil an italienischen Anleihen zwar von 27,8 Prozent im April 2020 auf unter 22 Prozent reduziert. Doch eine Aufstockung ist jederzeit möglich. Unicredit hält 30 Prozent seines Bestands an Staatstiteln in italienischen Anleihen. Das ist verständlich. Die Titel sind attraktiv verzinst, weil Rom für sie einen Risikoaufschlag zahlen muss. Deshalb hält etwa auch die Commerzbank 7,7 Milliarden Euro bzw. 16 Prozent ihres Bestands und die Deutsche Bank 10,3 Milliarden Euro (18,5 Prozent) in italienischen Staatsanleihen.

Mit der guten Verzinsung kommt aber auch eine Schattenseite: Die schlechte Bewertung Italiens durch die Rating-Agenturen färbt auf das Unicredit-Rating ab. Die Bewertung bei Standard & Poor’s (S&P) und Fitch etwa liegt nur bei BBB, bei Moody’s bei Baa1, jeweils mit stabilem Ausblick. Zum Vergleich: S&P bewertet die Commerzbank mit A (stabil) und Moody’s mit A2 deutlich positiver. Standard & Poor’s Global Ratings sieht das Commerzbank-Rating bei einer Übernahme «möglicherweise unter Druck».

Für Stefano Caselli, den Dekan der Mailänder SDA Bocconi School of Management, gibt es aus deutscher Sicht keinen Grund zur Sorge. «Wenn die Commerzbank übernommen wird, können klare Regeln festgelegt werden. Es gibt viele Modelle mit einem guten Gleichgewicht zwischen den Ländern», sagt er.

Das Beispiel Hypo Vereinsbank gibt Anlass zur Vorsicht

Gewisse Zweifel sind dennoch angebracht. Als Unicredit 2005
die Hypo Vereinsbank übernahm, gab es anfangs auch zahlreiche Garantien, die der deutschen Seite Gleichgewicht und Mitsprache sichern sollten. Doch davon ist nichts geblieben. Eckhard Wurzel, ein langjähriger OECD-Ökonom, der an der Universität Konstanz Europäische Ökonomie unterrichtet, sieht gerade im konkreten Fall Risiken.

Die Sanierung oder Abwicklung einer grossen Bank sei schwierig. Geriete Unicredit in eine Krise, sei ein Überschwappen der Krise auf angegliederte Institute nicht auszuschliessen. Die Eigentümerbank könnte Ressourcen umlenken, um ihre eigene Position zu verbessern. Schlechte Risiken werden ins Ausland abgeschoben, solide Positionen verbleiben bei der Mutter. Das Vertrauen der Marktteilnehmer in das Tochterunternehmen würde leiden, was in einer zweiten Stufe deren Finanzierung erschweren würde.

Eine entscheidende Rollen spielt dabei der Bestand an Staatsanleihen. Stammen diese aus dem Euro-Raum, müssen sie nach geltendem Recht nicht mit risikoabsorbierendem Eigenkapital unterlegt werden.
Der Ökonom Wurzel sagt warnend: «In einer ernsthaften Schieflage können negative Rückkopplungen zwischen den Staatsanleihen auf der Aktivseite der Bankbilanz und den finanziellen Verpflichtungen der Bank entstehen.» Das könne ein enormer Krisenverstärker sein. Wurzel betrachtet es deshalb als «groteskes Versagen der Regierungen im Euro-Gebiet, dass Staatsanleihen in den Bankbilanzen immer noch privilegiert» behandelt würden.

Regierungen lieben es, wenn Banken ihre Anleihen kaufen

Laut Wurzel «lieben es die Regierungen, wenn Banken ihre Anleihen kaufen». Umgekehrt kaufen die Banken diese Staatsanleihen gern, denn für sie fällt keine Unterfütterung mit Eigenkapital an. So kann leicht eine Art unheiliger Allianz entstehen.

Im unwahrscheinlichen Fall der Abwicklung einer Bank wie Unicredit könne die Europäische Bankenaufsicht auch entscheiden, «dass die Abwicklung nicht im gemeinschaftlichen Interesse ist, und nach nationalem Insolvenzrecht erfolgen sollte», so Wurzel. In Ausnahmefällen könne «zur Sanierung auch mit Staatshilfe rekapitalisiert werden».

Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass die Politik schnell gewillt ist, Banken notfalls auch mit erheblichen Staatshilfen aufzufangen. Das könne, so Wurzel, auch den deutschen Staat
betreffen, «wenn eine Bank vom Scheitern bedroht wäre».

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