Sonntag, November 24

Die Geldpolitik wird von Amerika über Europa bis nach China gelockert. Riskantere Investments wie Aktien und Kryptowährungen sind damit vermehrt gefragt. Der US-Leitindex S&P 500 und Bitcoin bewegen sich selten so eng im Gleichschritt wie in den vergangenen Tagen. Kommt das gut?

Die Nachricht überrascht: Chinas Zentralbank reisst die Schleusen abrupt auf, indem sie die Zinsen senkt und den heimischen Aktienmarkt zusätzlich mit Liquidität versorgt. Ob die Massnahmen der Wirtschaft aus der Lethargie helfen, wird bezweifelt. Die Börsen in Hongkong und auf dem chinesischen Festland haben in einer ersten Reaktion jedoch einen Freudensprung gemacht.

Die People’s Bank of China ist kein Sonderfall. Die EZB, die Bank of England, die Schweizerische Nationalbank, die Bank of Canada sowie die Zentralbanken Dänemarks und Neuseelands haben die Geldpolitik bereits vor einiger Zeit gelockert. In Schweden hat die Riksbank die Zinsen gestern Mittwoch abermals gesenkt.

Vergangene Woche hat auch das Federal Reserve in den USA den ersten Schritt gemacht. Die Märkte spekulieren darauf, dass die Liquidität bald weiter zunimmt. Im Terminhandel wird die Wahrscheinlichkeit auf rund 60% beziffert, dass Fed-Chef Jerome Powell den Leitzins an der nächsten Sitzung erneut um 50 Basispunkte auf 4,5% senkt. In einem Jahr soll sich die Fed Funds Rate auf 3% bewegen.

Liquidität gibt Auftrieb

Bereits heute schwappt reichlich Liquidität durch das System. Gemäss dem Chicago Fed National Financial Conditions Index sind die finanziellen Rahmenbedingungen so entspannt wie letztmals im Herbst 2021, als die Zentralbanken mit 0% Zinsen und Stimmulusprogrammen die Wirtschaft anheizten. Förderlich wirken derzeit ebenso der schwächere Dollar, der Rückgang des Ölpreises sowie niedrigere Renditen am Bondmarkt.

In diesem Umfeld verspüren riskante Anlagen Auftrieb, wie das Risk Barometer von The Market signalisiert. An den Leitbörsen in den USA handelt der S&P 500 auf Rekordniveau. Aktien aus dem Halbleitersektor wie Nvidia und Broadcom, die von der Euphorie um künstliche Intelligenz profitieren, verzeichnen seit dem Fed-Entscheid einen Kursgewinn von 9%. Einen Satz nach oben haben ebenso Kryptowährungen gemacht. Bitcoin verbucht ein Plus von über 5%, bei Ethereum sind es sogar knapp 11%.

Wie stark US-Aktien und Kryptowährungen momentan zusammenspielen, illustriert die folgende Grafik. Sie zeigt die Korrelation zwischen dem S&P 500 und Bitcoin über einen gleitenden Zeitraum von jeweils vierzig Tagen. Grüne Bereiche signalisieren, dass sich die beiden Anlagen in die gleiche Richtung bewegen, wobei ein positiver Wert von 1 absolutem Gleichschritt entspricht. Umgekehrt verhält es sich mit negativen Werten im roten Bereich.

In den vergangenen Tagen hat die Korrelation rasch zugenommen. Ein ähnlich hoher Wert wurde letztmals gegen Ende 2023 verzeichnet.

Gehebelte Wette auf den Aktienmarkt

Ob es mit Aktien und Kryptowährungen weiter im Tandem nach oben geht, hängt in erster Linie vom Konjunkturverlauf ab. In einem Szenario mit sinkenden Zinsen und einer anhaltend robusten Wirtschaft ist gut möglich, dass die beiden Anlagen von wachsendem Risikoappetit profitieren. Problematischer dürfte es hingegen werden, wenn dem Fed eine sanfte Landung misslingt.

Noch wichtiger aber ist das Fazit, das sich bei der Betrachtung der Korrelation über die vergangenen zehn Jahre ergibt. Verhielten sich der Krypto-Sektor und die Börsen zunächst mehr oder weniger unabhängig voneinander, hat das Regime Anfang 2020 gewechselt. Mit der Spekulationsblase in der Pandemie wurden Bitcoin & Co. zu einem regulären «Risk Asset».

Das muss per se nicht schlecht sein. Da Kryptowährungen heute bei einem breiteren Publikum etabliert sind, hängt ihre Performance aber stärker von den generellen Mittelflüssen an den Finanzmärkten ab. Zur Absicherung des Portfolios eigenen sie sich daher nicht. Das haben die Turbulenzen von Anfang August besonders deutlich demonstriert, als Bitcoin, Ethereum und andere Digitalwährungen mit dem S&P 500 auf Tauchkurs gingen.

Pointiert gesagt: Kryptowährungen sind bis auf Weiteres de facto eine Wette auf den amerikanischen Aktienmarkt – einfach mit einem Hebeleffekt.

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