Der unabhängige Präsidentschaftskandidat hat den Wahlbehörden einen falschen Wohnort angegeben. Eine Richterin in New York streicht ihn deshalb von der Wahlliste. Warum das nicht unbedingt den Demokraten nützt.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Robert F. Kennedy hat bereits angekündigt, dass er das Urteil bei der höheren Instanz anfechten wird. Falls er dabei aber scheitert, könnte seine Aussenseiterkandidatur de facto beendet sein. Es wäre ihm verwehrt, in New York und möglicherweise in fast zwanzig anderen Gliedstaaten überhaupt zur Wahl anzutreten.
Genau das ist das Ansinnen der den Demokraten nahestehenden Organisation Clear Choice Action, welche Anfang Juni beantragt hatte, Robert F. Kennedy von der Wahlliste in New York zu streichen. Drittkandidaten gelten in amerikanischen Wahlen allgemein als «Spielverderber» – sie haben keine Chance, gewählt zu werden, aber können die Wahl des einen oder des anderen Kandidaten verhindern.
Anti-Kennedy-Kampagne der Demokraten
Die Demokraten sahen in Robert Kennedy eine Gefahr für Joe Biden und steckten deshalb beträchtliche Mittel in eine juristische Kampagne, um die Kandidatur des ehemaligen Demokraten und Sprösslings der Kennedy-Dynastie zu blockieren.
In New York fanden die Anwälte von Clear Choice Action einen triftigen Grund, um gegen Kennedy vorzugehen: Sie machten geltend, dass Kennedy gegenüber den Wahlbehörden einen falschen Wohnort angegeben habe, nämlich Katonah, New York. Kennedy lebe aber seit zehn Jahren mit seiner zweiten Ehefrau in Malibu, Kalifornien. Weil er die Behörden angelogen und die Wähler getäuscht habe, müsse der Präsidentschaftskandidat von der Wahlliste in New York gestrichen werden. Das Wahlgesetz in New York schreibt vor, dass der Wohnort der faktische Lebensmittelpunkt sein muss.
Am Montag entschied die New Yorker Richterin Christina Ryba, dass Kennedy tatsächlich nicht in New York wohnhaft sei. In ihrem 34-seitigen Urteil schreibt sie, beim New Yorker Domizil handle es sich um eine Scheinadresse, die Kennedys Kandidatur ermöglichen sollte. Er sei trotz dem Umzug nach Kalifornien vor zehn Jahren in New York weiterhin als Wähler registriert gewesen. Zudem sei seine Vize Nicole Shanahan in Kalifornien wohnhaft; laut der amerikanischen Verfassung ist es nicht erlaubt, dass beide Kandidaten auf dem Präsidentschaftsticket im selben Gliedstaat wohnen. Auch deshalb sei es für Kennedy opportun gewesen, die Scheinadresse in New York beizubehalten.
Gemietetes Einzelzimmer als Wohnort
Robert Kennedy ist in Katonah bei einer langjährigen Freundin in Untermiete und bezahlt für das Einzelzimmer 500 Dollar im Monat. In Malibu, Kalifornien, besitzt er ein grosses Haus mit Umschwung. Er bestreitet, dass es sich bei der New Yorker Adresse nicht um seinen primären Wohnort handelt, und betont seine engen persönlichen Verbindungen zu dem Teilstaat, wo er mit seiner ersten Frau ein Haus besass, einen Führerschein hat und eine Jagdlizenz. Das Urteil hält er für einen «undemokratischen Coup» der Demokraten, die einen Wahlsieg wollten. Er betont, dass die durch eine Volkswahl bestimmte Richterin eine Demokratin sei.
Die Demokraten sind beim Versuch, Kennedy als Kandidaten auf dem juristischen Weg auszuschalten, federführend. Ein Sprecher der Demokratischen Partei sagte nach dem New Yorker Urteil, Kennedy sei darauf aus, sich in der Trump-Regierung einen Posten zu sichern. Die führende Figur der Anti-Kennedy-Kampagne der Demokraten, Lis Smith, identifiziert Kennedy als Spielverderber im Dienst von Donald Trump. Ein veröffentlichtes Telefongespräch zwischen Kennedy und Trump nach dem Attentat in Butler, Pennsylvania, schien den Komplizenverdacht zu bestätigen.
Das Manöver könnte letztlich Trump nützen
Doch die Faktenlage dazu, wer von einem Ausscheiden Robert Kennedys wirklich profitieren würde, bleibt unklar. Umfragen haben schon während der Kandidatur Bidens gezeigt, dass Kennedy sowohl demokratische als auch republikanische Wähler anspricht. Der exzentrische Kandidat positionierte sich explizit zwischen den Polparteien. Als militanter Impfgegner zeigt er einen Hang zu Verschwörungstheorien: Bei Corona-Impfungen seien Mikrochips implantiert worden, um die Bevölkerung zu kontrollieren, behauptete er etwa. Wie Trumps Vize J. D. Vance will er die USA aus dem Krieg in der Ukraine heraushalten und ist ein Fan von Blockchain.
Mit dem unerwarteten Kandidatenwechsel der Demokraten hat sich das Rennen um das Weisse Haus stark verändert – wie, wird sich noch zeigen müssen. Was sich aber bereits sagen lässt: In Umfragen hat Kennedy parallel zum Auftritt von Kamala Harris in der Wahlkampfarena an Unterstützung verloren; in aggregierten Umfragen erhält er noch die Zustimmung von knapp 5 Prozent der Befragten. Das könnte man dergestalt auslegen, dass vormals Kennedy-affine Demokraten sich hinter Kamala Harris scharen, während Kennedy-affine Republikaner dem Aussenseiter treu bleiben. Dafür spricht, dass Harris in Umfragen, die Kennedy einschliessen, einen grösseren Vorteil geniesst, wie unter anderem die «Washington Post» bemerkt. Allerdings befinden sich die Resultate innerhalb der statistischen Fehlerspanne.
Doch stimmt der Trend, würde es bedeuten, dass Donald Trump letztlich stärker vom Ausschluss von Robert F. Kennedy von den Wahllisten profitieren könnte als Kamala Harris. Und das wäre eine Ironie des Schicksals für die Demokraten, die grossen Aufwand betreiben, um den vermeintlichen Spielverderber auf die Strafbank zu schicken.

