Dienstag, Oktober 8

Sein Vater und sein Onkel drehen sich vermutlich im Grab um: Robert Kennedy junior suspendiert seine Präsidentschaftskandidatur und unterstützt Donald Trump. Dies könnte dem Republikaner wichtige Wähleranteile in entscheidenden Swing States sichern.

Die Kennedys sind wohl die bedeutendste Familiendynastie der Demokratischen Partei und der amerikanischen Politik überhaupt. Nun jedoch suspendierte Robert Kennedy junior am Freitag seine unabhängige Kandidatur für die Präsidentschaft und unterstützt jetzt den Republikaner Donald Trump. Würden sie noch leben, sein Onkel – der frühere Präsident John F. Kennedy – und sein Vater – der ehemalige Senator Robert «Bobby» Kennedy –, wären sie vermutlich zutiefst schockiert.

Bis zu Beginn dieses Jahres war Kennedy selbst ein Demokrat. Doch seine ehemalige Partei habe ihre Werte verraten, erklärte der 69-jährige Politiker bei einer Pressekonferenz in Arizona. Die einstige «Partei der Demokratie» habe sich zu einer «Partei des Krieges, der Zensur, der Korruption und des Grosskapitals» gewandelt. Mit einer Welle von Klagen hätten die Demokraten seine unabhängige Kandidatur zu behindern versucht. «In einem ehrlichen System hätte ich die Wahl gewonnen.»

Ukraine-Krieg als wichtiger Grund

Als einen der wichtigsten Gründe, warum er nun Trump unterstütze, nannte Kennedy den Krieg in der Ukraine. Die russische Invasion sei eine Folge der unverantwortlichen Nato-Osterweiterung, erklärte der Politiker. Wie bereits früher wiederholte Kennedy damit im Grunde Wladimir Putins haltlose Propaganda.

In den demokratisch dominierten Gliedstaaten wird Kennedys Name auf den Wahlzetteln bleiben. In den entscheidenden Swing States wird er sich aber zurückziehen, um dort Trump keine Stimmen wegzunehmen. Laut Kennedy hat der ehemalige Präsident ihm einen Regierungsposten angeboten, sollte er die Wahl gewinnen.

Kennedys Entschluss überrascht im Grunde nicht. Eine realistische Chance auf einen Wahlsieg hatte der unabhängige Kandidat nie. Vor wenigen Monaten lagen seine Umfragewerte zwar noch bei rund 20 Prozent – ein historisch hoher Wert für parteilose Präsidentschaftsbewerber in den USA. Zuletzt lag der Zuspruch für Kennedy jedoch nur noch im einstelligen Bereich. Mit Präsident Joe Bidens Rückzug aus dem Rennen um das Weisse Haus schrumpften seine Wähleranteile weiter bis auf 4 bis 5 Prozent.

Bis zu Bidens abruptem Ausstieg waren die Chancen für unabhängige Kandidaten in dieser Präsidentschaftswahl so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Eine Mehrheit der Amerikaner war weder von Biden noch von seinem republikanischen Kontrahenten Donald Trump begeistert. Viele wünschten sich alternative Kandidaten. Kennedy bediente diesen Wunsch und konnte Wählersegmente in beiden Parteien für sich gewinnen. Mit Kamala Harris an der Spitze des demokratischen Tickets scheinen diese frustrierten Biden-Wähler nun jedoch wieder ins demokratische Lager zurückzukehren.

Damit war klar: Sollte Kennedy im Rennen verbleiben, würde er vor allem Trump einige wenige Wählerprozente abspenstig machen. In umkämpften Swing States wie Arizona oder Michigan hätte dies Trump den Wahlsieg kosten können. Hinter den Kulissen nahm der ehemalige Präsident deshalb Verhandlungen mit Kennedy über eine mögliche Kooperation auf.

Vielleicht das Zünglein an der Waage

Aufgrund seiner Person und seiner Positionen passt Kennedy ohnehin besser zu den Trump-Republikanern. Bereits vor der Covid-Pandemie war der 69-Jährige ein entschiedener Impfskeptiker, der ein tiefes Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie hegt. Unter anderem suggerierte er einen Zusammenhang zwischen frühen Impfungen und Autismus. Auch in der Ukraine-Frage liegt Kennedy näher bei Trump. Washington gehe es in dem Konflikt nicht darum, die Ukraine zu beschützen, sondern darum, das Putin-Regime in Moskau zu stürzen, sagte er 2023 in einem Interview mit dem «New Yorker». Er werde deshalb als Präsident den Krieg beenden und einen Frieden aushandeln.

Ähnlich wie Trump hegt auch Kennedy ein tiefes Misstrauen gegenüber den Eliten und der Bürokratie in Washington. Er ist überzeugt, dass die CIA bei der Ermordung seines berühmten Onkels John F. Kennedy 1963 ihre Hände im Spiel hatte. Als er seine Präsidentschaftskandidatur ankündigte, stilisierte er sich zu einem Kämpfer gegen eine «selbstgefällige Elite, die das System zu ihren Gunsten manipuliert hat». Im April bezeichnete er Biden als die grössere Gefahr für die amerikanische Demokratie als Trump.

Ob Kennedy für Trump wirklich eine grosse Hilfe sein wird, muss sich jedoch noch zeigen. Im Kampf um moderate Wähler in der politischen Mitte ist der umstrittene Politiker vermutlich kein geeignetes Zugpferd. Jüngst sorgte er auch mit skurrilen Geschichten für Schlagzeilen. Im Mai wurde bekannt, dass ein Wurm 2010 sein Hirn befallen und sein Erinnerungsvermögen beeinträchtigt hatte. Kürzlich erzählte er, wie er einst einen toten Bären im Central Park in New York deponierte. Als ihm ein früheres Kindermädchen im Juli sexuelle Belästigung vorwarf, reagierte Kennedy ausweichend. «Ich kommentiere das nicht.»

Womöglich verspricht sich Trump aber von der Strahlkraft des Kennedy-Namens einen Nutzen. Roberts Onkel John F. Kennedy und sein Vater Bobby Kennedy zählen immer noch zu den populärsten Politikern in der amerikanischen Geschichte. Allerdings hat sich die Familie Kennedy bereits öffentlich von Robert junior distanziert. Bei einem Wahlkampfauftritt im April stellten sich 15 Familienmitglieder hinter die Kandidatur von Joe Biden und Kamala Harris. Ihr Vater wäre über Trump «entsetzt», sagte Roberts Schwester Kerry Kennedy bei der Veranstaltung. Der ehemalige Präsident sei ein «antidemokratischer» Kandidat, der gefährliche Verschwörungstheorien über den Klimawandel, Impfungen und Wahlbetrug verbreite.

Trump muss sich indes kaum mehr Sorgen um die Konkurrenz von Drittkandidaten machen. Nach Kennedys Rückzug verbleiben mit der grünen Aktivistin Jill Stein und dem afroamerikanischen Philosophen Cornel West zwei unabhängige Kandidaten im Rennen um das Weisse Haus. Sie dürften vor allem demokratische Protestwähler am linken Rand mobilisieren. Ihre Umfragewerte liegen momentan aber unter einem Prozent der Wählerstimmen. Allerdings können auch solche Kleinigkeiten im November über Sieg oder Niederlage entscheiden. Vor acht Jahren verlor Hillary Clinton die Wahl gegen Trump in den Swing States Wisconsin, Michigan und Pennsylvania mit einem Rückstand von 0,2 bis 0,8 Prozentpunkten.

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