Kurz vor der Pandemie stellte der Led-Zeppelin-Sänger eine Band aus Musikern seiner Heimat, der Grafschaft Worcestershire, zusammen. Mit Saving Grace verbindet er auf überzeugende Weise britische und amerikanische Traditionen.
Der Kontrast könnte kaum grösser sein: Berühmt wurde Robert Plant als Sänger von Led Zeppelin, den megalomanischen Pionieren harter Rock-Sounds und furchterregender Exzesse. Heute aber lässt er sich von der leiseren Band Saving Grace begleiten, bei der sich der 77-Jährige selbst als lebenserfahrener Vokalist in Szene setzt.
Je älter der Rocker wird, desto mehr zeigt sich seine Affinität zum Folk, der im lärmigen Repertoire von Led Zeppelin für ein Kontrastprogramm sorgte. Diese Entwicklung mag eingeschworene Led-Zeppelin-Fans irritieren. Robert Plant hingegen scheint davon zu profitieren. Dank dem Zickzack seiner Karriere könne er unterdessen tun, was immer er wolle, sagte er kürzlich.
Das neue Album trägt schlicht den Namen der Band und der neuen Gesangspartnerin: «Saving Grace with Suzi Dian». Keiner der zehn Songs stammt aus Plants eigener Feder. Nebst sogenannten Traditionals und Evergreens wie «Chevrolet» von Memphis Minnie und «Soul of a Man» von Blind Willie Johnson enthält die eklektische Auswahl Stücke von Bands wie Low und von den amerikanischen Songwriterinnen Martha Scanlan und Sarah Siskind.
Die Liebe zum Duett
Das ganze Repertoire kommt in einem filigran gestrickten, folk-bluesigen Gewand daher, das von einem nahezu telepathischen Verständnis zwischen den Musikern und Musikerinnen zeugt. Zur Instrumentierung des Sextetts gehören dabei nebst verschiedenen Gitarren auch ein Cello, ein Banjo und ein Akkordeon. Plant selber greift mitunter auch einmal zur Mundharmonika.
Im Duett mit der Sängerin Suzi Dian zeigt Plant wieder seine Vorliebe dafür, den eigenen, erdigen Gesang durch eine sanfte Frauenstimme weichzuzeichnen. Das begann einst mit Sandy Denny im Zeppelin-Klassiker «The Battle of Evermore». In den nuller Jahren hat es zur künstlerisch wie kommerziell erfolgreichen Zusammenarbeit mit Alison Krauss geführt und zu gemeinsamen, eindrücklichen Aufnahmen mit seiner einstigen Lebenspartnerin Patty Griffin.
Wie die anderen Mitglieder von Saving Grace war Dian kaum über die Grenzen der lokalen Musikszene hinaus bekannt, ehe sie unversehens in Plants Begleitband landete. Nach der Trennung von Patty Griffin war dieser aus Austin, Texas, zurück nach England gekehrt – in die Grafschaft Worcestershire, unweit von Dudley, wo er aufgewachsen war.
Von Folk-Songs heisst es, dass sie den Bezug zum Ort ihrer Entstehung immer behalten, auch wenn sie auf der ganzen Welt gesungen werden. So ähnlich erging es auch dem Sänger Robert Plant. Das sogenannte Black Country, wie der Landstrich seiner Heimat genannt wird, hat er stets mitgetragen in seiner Seele. Das erklärt wohl, weshalb er heute als Vizepräsident des Premier-League-Vereines Wolverhampton Wanderers fungiert, in dessen Stadion er schon als Fünfjähriger Stammgast war. Es erklärt aber auch die Rückkehr zum Folk.
Der Sängerin Suzi Dian begegnete er, als sie mit ihrer Coverband in einem Pub im nahen Stourbridge auftrat. Ihr Ehepartner sitzt nun am Schlagzeug von Saving Grace. Auch die beiden Gitarristen der Gruppe hat der Led-Zeppelin-Star in lokalen Musik-Kneipen der Provinz kennengelernt. So fand die Band still und heimlich zusammen, noch während Plant ein zweites Album mit Alison Krauss fertigstellte.
Es folgten diskrete erste Auftritte, unter anderem als Überraschung bei einem Konzert der britischen Folkrock-Urgesteine Fairport Convention. Die Aufnahmen fürs Debütalbum entstanden in ländlicher Umgebung in Wales und in den Cotswolds. Dabei habe man ganz einfach die Arrangements, die während der Live-Auftritte ausgearbeitet worden seien, ins Studio übertragen.
Es gehe bei Saving Grace darum, der Entwicklung des Kollektivs dorthin zu folgen, erklärte Plant jüngst der Fachzeitschrift «Record Collector», wohin es sich wie von selbst bewege. «Was uns verbindet, ist der Wunsch, die musikalische Erfahrung unserer Band zu teilen, die uns so völlig unerwartet mitgerissen hat.»
Ein archetypischer Rock-Macho
Nach dem Willen der Eltern hätte Robert Plant Buchhalter werden sollen. Doch ihr Sohn hatte 1963 im Alter von 15 Jahren das durch Europa reisende «American Folk Blues Festival» erlebt – eine Veranstaltung, die Auftritte legendärer Musiker wie Son House und Sonny Boy Williamson bot. So verlor Robert Plant seine Seele an die Musik.
Nach zwei Wochen in der Buchhalterlehre warf er das Handtuch, um sich vorerst in ein paar Lokalbands als Sänger zu versuchen. 1968 aber wurde er vom Gitarristen Jimmy Page «entdeckt», der in London bereits einen Ruf als erstklassiger Studiomusiker genoss und den jungen Sänger für seine Yardbirds rekrutierte. Aus dieser Band gingen alsbald Led Zeppelin hervor.
Mit wallenden Locken, den überdreht-erotischen Posen und dem surreal röhrenden Gesang wurde Robert Plant damals zum Archetypus eines Rock-Prinzen. Mit dem Tod des Schlagzeugers John Bonham im September 1980 jedoch nahm die Bandgeschichte ein tragisches Ende. Zu diesem Zeitpunkt – die Punkbewegung stand in der Hochblüte – hatte sich der Ruf von Led Zeppelin deutlich verschlechtert. Die Band wurde nun zum Inbegriff einer schwerfälligen Saurier-Musik und einer überholten Macho-Kultur.
Stiller, reifer, tiefgründiger
Erst dank der Hip-Hop-Szene drehte sich zehn Jahre später der Wind wieder. Auf Rap-Platten waren öfters Samples von alten Led-Zeppelin-Platten zu hören. Robert Plant, nun als Solokünstler unterwegs, flirtete eine Zeitlang zwar mit Synthesizern und anderen musiktechnologischen Gadgets, ehe er nochmals an der Seite von Jimmy Page zwei bemerkenswerte und erfolgreiche Alben veröffentlichte.
2007 war sein Wandel vom Rockstar zum Folksänger endgültig vollzogen. An der Seite der geigenden amerikanischen Bluegrass-Sängerin Alison Krauss vermochte Plant seiner Stimme ungeahnte, subtile Facetten abzugewinnen. Erst mit Alison Krauss habe er richtig singen gelernt, sagte Robert Plant – und dieser Meinung ist er noch heute. Saving Grace greift manchmal auch auf das alte Led-Zeppelin-Repertoire zurück, wie auf Youtube eine herrliche Version von «Gallows Pole» beweist. Nun aber klingt alles stiller, reifer, tiefgründiger.
Robert Plant: Saving Grace with Suzi Dian (Nonesuch).


