Mit seinem gleichnamigen Label gehörte Roberto Cavalli zu den umstrittenen Paradiesvögeln Italiens. Nun ist er 83-jährig verstorben.
Es gibt die Unantastbaren: Giorgio Armani, Cristóbal Balenciaga, Hubert de Givenchy, Yves Saint Laurent, Valentino Garavani – Hohepriester des Geschmacks, der über persönliche Vorlieben hinausgeht und Wichtigtuern in Sachen Stil den Mund verbietet. Roberto Cavalli gehörte nicht zu diesem erlauchten Kreis.
Vielmehr zählte er zu den umstrittenen Paradiesvögeln Italiens. Zusammen mit Emilio Pucci, Gianni Versace oder Byblos unter den britischen Designern Keith Varty und Alan Cleaver sowie, in derselben Zeitachse, Dolce & Gabbana.
Todfeind des Minimalismus
Roberto Cavalli wurde 1940 in Florenz geboren. Sein Grossvater, Giuseppe Rossi, war ein geachteter Maler. Cavallis Vater wurde als Zivilist am 4. Juli des Jahres 1944 im Zuge einer Vergeltung von Soldaten der deutschen Wehrmacht in dem Dorf Cavriglia erschossen. Die folgenden Jahre verbrachte der Junge mit seiner Mutter und seiner Schwester in ärmlichen Verhältnissen am Stadtrand von Florenz. Nach einem Studium an der Accademia di Belle Arti in Florenz verlegte sich Cavalli auf das Material Leder. Der Hotspot seiner Karriere befand sich nicht in Italien, sondern in Saint-Tropez, wo Brigitte Bardot als Stilikone weit über Frankreich hinaus wirkte und den Namen Roberto Cavalli in die Welt der Mode hinaustrug.
Zu seiner elaborierten Post-Hippie-Mode mit bedrucktem Leder sollte sich bald ein weiteres, vorerst scheinbar unproblematisches Schwerpunktmaterial hinzugesellen: Pelz. In den 1970er Jahren feierte seine gleichnamige Marke grosse Erfolge, doch allmählich gewann Cavallis Todfeind, der Minimalismus, die Oberhand. Das Verschwenderische litt am Ruch des Vulgären.
In den Neunzigern verdrängte die Subkultur Grunge die Sexyness vorübergehend auf die Nebengeleise. Sexyness gewann aber schliesslich die Oberhand über das Schlabberige und Unperfekte, während sich Grunge mit einem geflissentlich überhörten Rülpser schnell wieder von den Hochglanzmagazinen verabschiedete.
Roberto Cavalli wurde zum Grosswildjäger der Mode, seine Animal Prints kreuzten sich mit den marktschreierischen Tattoo-Prints eines Ed Hardy. Cavallis Tiermuster triumphierten über die zurückhaltenden Monochromen. Nicht immer sprangen die Leopardenmuster die Fotografen unverhüllt an, zeitweise verbargen sie sich im Innenfutter eines Jacketts oder zeigten sich erst beim Ausziehen – in einem Verwirrspiel von Under- und Overstatement, mit Betonung auf Letzterem.
Ende der Machismo-Kultur
Die Präsentation der Mode ist das eine, die Präsentation seiner selbst das andere. Cavalli verkörperte quasi die Aura, die heute auf dem Sender RTL Plus die Geissens in corpore beziehungsweise Robert Geiss im Alleingang darstellt: ein Millionärsleben, wie es den Habenichtsen von den Orten Bottrop bis Cottone vorschwebt. Die anspruchsvolle Gattin inklusive.
Der Deutsche ehelichte mit Carmen Geiss eine ehemalige Miss Fitness, der Italiener in zweiter Ehe eine frühere Miss Austria und Vize-Miss-Universe. Aber näher als Robert Geiss dürfte ihm ein anderer Macho made in Italy sein, Flavio Briatore. Braun gebrannt, stets ein paar Hemdknöpfe offen für den freien Blick auf das Brusthaar und immer begleitet von der sogenannten Trophy-Wife, dürften sie als Vertreter einer im Sinken begriffenen Machismo-Kultur in Erinnerung bleiben.
Den Old-School-Macho Roberto Cavalli mag die Zeit eingeholt, vielleicht sogar überholt haben, doch sein Archiv birgt Schätze, die es zweifellos wert sind, wiederentdeckt zu werden. Und weil bekanntlich in der Mode alles irgendwann wiederkommt, interessieren sich mittlerweile auch Vertreter der Generation Z für Vintage Cavalli und den Glamour der 1990er Jahre. Der italienische Modedesigner ist am Freitag im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit verstorben.