Donnerstag, Oktober 10

Tesla kämpft mit zunehmender Konkurrenz und braucht dringend neue Geschäftsfelder. Elon Musk will nun das Transportwesen revolutionieren, wie er es bereits mit Elektroautos getan hat. Am Donnerstag stellt er sein Cybercab vor. Die wichtigsten Antworten dazu.

Selbstfahrende Autos gelten als nächster Entwicklungssprung im Transportwesen, vergleichbar mit der Erfindung des Automobils. Die Hoffnung ist, dass autonome Fahrzeuge Staus reduzieren und die Opferzahlen im Verkehr senken. Allein in den USA sterben jedes Jahr mehr als 35 000 Personen auf Strassen, Verkehrsunfälle sind die häufigste Todesursache bei unter 54-Jährigen. Oft ist menschliches Versagen schuld – Sekundenschlaf, Drogenkonsum, ein Glas zu viel.

Teslas Investoren glauben, dass Elon Musk den Markt für Robotaxis nun revolutionieren wird wie einst denjenigen für E-Autos: indem er sie erschwinglich und damit massenfähig macht. Musks Vorstellung für die Zukunft klingt so: «Sie öffnen einfach die Tesla-App und bestellen ein Fahrzeug, und wir schicken es dann rüber, und es bringt Sie irgendwohin», erklärte er im Sommer im Telefonat mit Tesla-Investoren.

Eigentlich wollte Musk das Fahrzeug schon im Juli vorstellen, doch dann wurde der Anlass wegen «Designänderungen» auf den 10. Oktober verschoben. Nun soll es am Donnerstag um 19 Uhr kalifornischer Zeit so weit sein: In den Studios des Hollywood-Giganten Warner Brothers will Musk den Cybercab präsentieren.

Was genau hat Musk versprochen?

In gewohnter Manier hat der CEO nicht mit Superlativen gespart: Es werde eine «neue Form des Fahrens» geben. «Die Menschen werden in 100 Jahren noch über diesen Moment reden. Das ist das Produkt, das aus Tesla eine 10 Billionen-Dollar-Firma macht.»

Im Internet kursieren bereits Fotos von angeblichen Prototypen. Wie immer bei Musk kocht die Gerüchteküche hoch; manche munkeln, dass Teslas Robotaxi-Flotte ohne Steuerrad und Pedale funktioniert. In diesem Fall jedoch brauchte Tesla aber eine Ausnahmegenehmigung von der amerikanischen Strassenaufsichtsbehörde. General Motors ist jüngst mit einem solchen Ersuchen gescheitert.

Was erwarten die Investoren vom Robotaxi-Event?

Sie wollen vor allem mehr Infos zum Business-Case rund um das Cybercab: Wie genau will Musk damit die Bewertung von Tesla auf 10 Billionen Dollar schrauben? Zum Vergleich: Das wäre das Dreizehnfache der heutigen Bewertung und dreimal so viel, wie die wertvollsten Firmen Apple, Microsoft und Nvidia zurzeit wert sind.

Selbst für einen «pathologischen Optimisten», wie sich Musk bezeichnet hat, ist das eine enorm steile Ansage. Man darf nicht vergessen: Tesla ist schon heute gemessen am Verhältnis von Aktienpreis zum Ertrag das mit Abstand am höchsten bewertete Autounternehmen der Welt. Der Börsenwert von Tesla ist etwa 70-mal so hoch wie der Gewinn der vergangenen 12 Monate. Bei der etablierten Konkurrenz liegt das Verhältnis bei 3 bis 9.

Der krasse Unterschied erklärt sich damit, dass die Investoren Tesla nicht mit anderen Autobauern vergleichen, sondern mit Technologie-Unternehmen wie Alphabet oder Nvidia. Weil diese in Zukunftstechnologien stark aufgestellt sind, erwartet der Markt, dass sie in einigen Jahren viel höhere Gewinne schreiben als heute – was schon heute die hohe Bewertung rechtfertigt.

Deshalb ist das Robotaxi-Event für Tesla so wichtig. Musk muss beweisen, dass Tesla tatsächlich ein Tech-Unternehmen ist und nicht bloss ein Autobauer unter vielen, der sich mit harter Konkurrenz um einen gesättigten Markt streitet.

Musks Unterstützer wie die Investorin Cathie Wood glauben, dass Tesla dank dem Robotaxi die Transportbranche aufmischen wird, indem es die Arbeitsteilung zwischen Autoherstellern sowie Flotten- und Taxianbietern neu festlegt. Tesla-Fans verweisen auf Musks Erfolgsausweis: Er hat mit Tesla bereits den Massenmarkt für Elektroautos begründet und mit Space X die private Raumfahrtbranche umgewälzt.

Was unterscheidet Musks Ansatz von dem von Waymo und anderen Herstellern selbstfahrender Autos?

Von den Dutzenden Firmen, die weltweit an selbstfahrenden Autos tüfteln, ist kaum eine in der Entwicklung des vollautonomen Fahrens so weit wie Waymo. In San Francisco, Los Angeles und Phoenix kann jedermann die Robotaxis der Google-Tochter bereits nutzen. Nach anfänglichen Protesten in der Bevölkerung gehören die Waymos inzwischen zum Strassenbild von San Francisco wie E-Trottinetts.

Waymos Robotaxis basieren auf maschinellem Lernen: Sie nutzen Kameras auf dem Dach, Radarsysteme und Lidar-Sensoren (eine Art Laser-Radar) entlang der Karosserie, um Schilder, Fussgänger und den Verkehr zu erfassen. Bildschirme zeigen dem Passagier, wie die Umgebung für das Waymo aussieht: grüne und rote Ampeln, rechteckige Objekte, Pylonen. Etwa 100 000 Dollar koste die Technik in einem Waymo der fünften Generation, sagte Googles Co-CEO Dmitri Dolgov in einem Interview im Februar. Berücksichtigt man die Fahrzeug- und Unterhaltskosten sowie die verbrauchte Rechenleistung, kommen Experten auf geschätzte 150 000 bis 200 000 Dollar pro Fahrzeug. Allein in San Francisco unterhält die Firma etwa 300 Fahrzeuge.

Tesla wiederum verzichtet bis jetzt auf diese Hightech-Aufbauten und setzt auf neuronale Netze. Die Firma greift auf den riesigen Datenschatz an Videoaufnahmen zurück, die sie dank ihrer 2,2 Millionen Teslas umfassenden Fahrzeugflotte hat. Basierend auf diesem Datenschatz trainiert sie ihre KI-Modelle, die den Autos das Sehen beibringen; AV 2.0 heisst dieser Ansatz.

Manche halten sie für den schnelleren und günstigeren Ansatz. Allerdings ist es auch schwerer, Fehler und Fehlentscheidungen nachzuvollziehen. Manche Beobachter erwarten daher, dass Tesla beim Robotaxi ebenfalls auf Lidar-Sensoren setzen wird.

Tritt Tesla damit in direkte Konkurrenz zu Uber?

Mit 150 Millionen Kunden weltweit ist Uber zurzeit der Marktführer für Taxidienste. Nachdem Elon Musk im April seinen Robotaxidienst angekündigt hatte, sank der Aktienkurs von Uber. Tatsächlich dürfte es für Musk aber schwer sein, das Netzwerk von Uber zu replizieren – auch, weil die Firma einen Vorsprung von 15 Jahren hat.

Das ist auch der Grund, weshalb sich Waymo für eine Kooperation mit Uber entschlossen hat. Die beiden Firmen kündigten jüngst an, dass Waymo für seine geplanten Expansionen 2025 nach Austin, Texas, und Atlanta die Uber-Plattform nutzen werde. Auch Cruise, die Sparte für selbstfahrende Autos von General Motors, arbeitet mit Uber zusammen.

Entscheidend für jeden neuen Robotaxi-Anbieter ist es, genügend Passagiere zu bekommen. Denn die fahrerlosen Autos sind in ihrer Herstellung und im Unterhalt enorm teuer.

Uber hatte ursprünglich auch Pläne für ein eigenes Robotaxi, doch ein tödlicher Vorfall in Phoenix 2018 änderte dies. Experten kamen zu dem Schluss, dass nicht Uber, sondern die Back-up-Fahrerin am Steuerrad die Schuld an dem Unfall trug. Dennoch geht das Opfer – eine obdachlose Frau – als erstes Todesopfer eines selbstfahrenden Autos in die Geschichte ein. Ende 2020 verkaufte die Firma ihre Einheit für autonome Fahrzeuge – zu gross war der Reputationsschaden. Man wolle sich auf die Rolle als Marktplatz konzentrieren, sagte der CEO Dara Khosrowshahi vor wenigen Wochen bei einer Konferenz in San Francisco.

Tesla wiederum hat offenbar keine Pläne für eine Kooperation mit Uber.

Wie wichtig sind die Robotaxis für die Zukunft von Tesla?

Musk spricht gegenüber Investoren und der Öffentlichkeit zwar sehr gerne darüber, dass humanoide Roboter, künstliche Intelligenz und das Robotaxi die Zukunft von Tesla ausmachten. Gegenwärtig ist Tesla aber vor allem noch ein Elektroautobauer – der mit sinkenden Verkaufszahlen kämpft.

In den USA und Europa ist Tesla Marktführer, leidet aber darunter, dass der Umstieg von Benzinern auf E-Autos länger dauert als noch vor wenigen Jahren gedacht. Konkurrenten wie Ford oder GM haben Investitionen in den Bau neuer Elektroauto-Fabriken in Amerika zurückgestellt, weil die Nachfrage stagniert. Und dies, obwohl die Biden-Regierung den Bau solcher Fabriken mit üppigen Subventionen unterstützt.

Zudem verliert Tesla, der Pionier unter den E-Auto-Bauern, Marktanteile an die Konkurrenz. Diese hat in den vergangenen Jahren kräftig investiert und bringt eine Reihe von neuen Modellen heraus. Mercedes oder Stellantis (Chevrolet, Chrysler, Opel, Fiat usw.) haben ihren Rückstand aufgeholt, sowohl technologisch als auch in Bezug auf Funktionen wie On-Bord-Computersysteme.

Tesla hat dagegen seit Jahren kein neues Modell mehr herausgebracht. Die bisherigen Verkaufsschlager, das Model Y und das Model 3, setzten zu ihrem Lancierungszeitpunkt neue Standards. Heute werden sie von der Kundschaft zusehends als austauschbar wahrgenommen. Das zwingt Tesla dazu, beim Preis bisweilen nachzugeben. Das Unternehmen arbeitet zwar an einem neuen, günstigeren Modell; Musk priorisiert aber die Entwicklung des Robotaxis.

In China, dem grössten Markt für Elektroautos, wird Tesla zusehends in den scharfen Preiswettbewerb hineingezogen, den die lokalen Konkurrenten angezettelt haben. Dutzende Hersteller von Elektroautos liefern sich dort einen erbarmungslosen Verdrängungskampf.

Auch in China verliert Tesla schrittweise seinen Vorsprung, den es einst dank seiner Pionierrolle und der Vermarktung als fortschrittliches amerikanisches Produkt hatte. Die Chinesen setzen vermehrt auf lokale Hersteller wie den Marktführer BYD, die in Sachen Software und Unterhaltungssysteme an Bord locker mit Tesla mithalten können. Tesla ist gezwungen, mit Preisnachlässen auf die Angriffe zu reagieren. Das schmälert die Gewinnmarge – und erhöht den Druck auf den CEO Musk, neue Wachstumsfelder zu erschliessen.

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