Dienstag, Februar 4

Für die Fortsetzung des Pharma-Wunders müssen die Forschungsaktivitäten der Industrie langfristig im Land bleiben. Doch an verschiedenen Fronten läuft es weniger gut für den Standort Schweiz als auch schon.

Es war eine eindrückliche Demonstration, wo in diesem Land die wirtschaftliche Bedeutung sitzt: Innerhalb von zwei Tagen haben die beiden Pharmakonzerne Roche und Novartis vergangene Woche starke Zahlen vorgelegt. Gleichzeitig erwiesen sich Medikamente und Diagnostika erneut als Stütze des Aussenhandels. Diese Produktegruppen machten 2024 mehr als 35 Prozent der Schweizer Exporte aus.

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Umso mehr liess ein anderer Befund aufhorchen: 2023 sind die Ausgaben der Pharmaindustrie für Forschung in der Schweiz das erste Mal seit 2012 deutlich gesunken. Konkret handelte es sich um einen Rückgang von total rund 12 Prozent seit der letzten Erhebung im Jahr 2021.

Diese kürzlich vom Bundesamt für Statistik (BfS) und von Economiesuisse präsentierten Zahlen zeigen zwar auch, dass die Pharmaindustrie von allen Branchen noch immer den grössten Teil der privaten Forschungsausgaben bestreitet. Dennoch werfen sie die Frage auf, wann das starke Wachstum der vergangenen Jahre an seine Grenzen stösst.

Ob es sich bei dem beobachteten Rückgang der inländischen Pharmaforschung nur um eine Delle oder den Beginn eines Abwärtstrends handelt, wird man allerdings erst in zwei Jahren sehen. Dann werden die Zahlen zu den Ausgaben im Jahr 2025 publiziert.

Für eine Einschätzung dazu, wie es um die Investitionsbereitschaft der Branche bestellt ist, muss man sich derzeit deshalb auf andere Indizien abstützen.

Roche hält Ausgaben stabil

Die beiden Basler Konzerne Roche und Novartis liegen bei den Forschungsausgaben der Schweizer Firmen zuvorderst. An dieser Konstellation wird sich grundsätzlich so rasch nichts ändern. Veränderungen in den Beträgen, die die beiden Grossen aufwerfen, sind jedoch jederzeit möglich.

So hat etwa der Roche-Chef Thomas Schinecker vergangene Woche anlässlich der Bilanzmedienkonferenz noch einmal klargemacht, dass der Konzern seine Forschungsausgaben auf hohem Niveau konstant hält – und nicht, wie früher stets üblich, im Gleichschritt mit dem Umsatz steigert oder sogar noch mehr.

Konkret hat Roche 2024 mit 3,5 Milliarden Franken in der Schweiz gleich viel für Forschung ausgegeben wie im Vorjahr, das ist gut ein Viertel der gesamten Forschungsausgaben des Konzerns. Nicht berücksichtigt in dieser Zahl sind die 1,2 Milliarden Franken für den Bau eines neuen Forschungszentrums in Basel, das vergangenes Jahr eröffnet wurde.

Bei Novartis fielen 2023 sogar rund 45 Prozent der gesamten Forschungsausgaben oder 4,6 Milliarden Franken in der Schweiz an.

Zu den Ausgaben für die kommenden Jahre äussern sich die beiden Konzerne nicht. Ein Phänomen, das die Erhebung des BfS jedoch für die Branche generell aufzeigt, sind ein Zuwachs bei der Forschung im Ausland sowie eine Auslagerung an Dritte.

OECD-Steuerreform macht sich spürbar

Die Frage nach der Forschungstätigkeit im Land ist nicht nur wegen der damit verbundenen attraktiven Arbeitsplätze relevant. Sie kann auch für die Besteuerung der Firmen eine Rolle spielen.

Mit der Umsetzung der OECD-Steuerreform hat die Schweiz 2024 die grossen Konzerne erstmals nach dem neuen Regime besteuert, das eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent vorsieht. Das ist ein höherer Satz, als er für Roche und Novartis bisher hierzulande zur Anwendung gekommen ist. Der Steuervorteil von Schweizer Standorten gegenüber ausländischen ist geschrumpft. Bei Roche etwa fiel eine Zusatzbelastung von 189 Millionen Franken an.

Um sich dennoch positiv von anderen Standorten abheben zu können, sind weltweit Überlegungen im Gang, wie man Firmen trotz OECD-Vorgaben mit finanziellen Anreizen zu sich ins Land locken kann. Hier können Arbeitsplätze in der Forschung ein Vorteil sein. Denn diese erlauben es einem Standort, den Unternehmen trotz Mindeststeuer-Regime finanziell entgegenzukommen. Die internationale Standortkonkurrenz schläft nicht und umwirbt die Pharmabranche denn auch heftig. So bieten etwa Frankreich, Grossbritannien oder Irland Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung.

Basel-Stadt schafft einen Fördertopf

Besonders viel auf dem Spiel steht für den Kanton Basel-Stadt als Sitzkanton von Roche und Novartis. Entsprechend intensiv hat man sich deshalb am Rheinknie dazu Gedanken gemacht. Herausgekommen ist ein ausgeklügeltes Konstrukt. Dieses sieht einen Fonds vor, der vom Kanton alimentiert wird. Aus diesem Topf sollen dann Firmen mit Schweizer Forschungsaktivitäten mit Förderbeiträgen für einen Teil ihrer Aufwendungen entschädigt werden.

Die Idee dahinter ist, dass für die Firmen mit diesen Zahlungen der Effekt der Steuererhöhung aufgrund der OECD-Mindeststeuer etwas abgemildert wird. Profitieren können von dem Fonds nicht nur die grossen Konzerne, sondern auch kleine Firmen, die forschen, aber keine Steuern zahlen – wie etwa Startups.

Noch ist diese Lösung aber nicht im Gesetz verankert. Das Geschäft ist diesen Mittwoch, am 5. Februar, im Grossen Rat (Kantonsparlament) traktandiert. Dann oder spätestens nach einem allfälligen Referendum wird sich zeigen, wie akzeptiert diese Art von Standortförderung in der Bevölkerung ist.

Quasi als Ausgleich für Skeptiker aus dem links-grünen Spektrum beinhaltet das Paket noch einen zweiten Fonds, der soziale Massnahmen von Firmen wie eine Elternzeit oder ökologische wie die Reduktion von Treibhausgasen fördert.

Doch nicht alle Einflüsse rund um die Ansiedlung und Erhaltung der Forschung lassen sich in Zahlen fassen wie Förderbeiträge. Ebenso fällt die politische Stimmung ins Gewicht. Branchenvertreter nennen die derzeitige Unsicherheit in der Schweiz darüber, wie es langfristig um die Personenfreizügigkeit bestellt ist, als negativen Faktor – ebenso den Ausschluss vom EU-Forschungsprogramm Horizon oder wissenschaftskritische Vorstösse wie die neue Initiative gegen Tierversuche.

Den derzeit grössten Unsicherheitsfaktor für die Branche kann die Schweiz aber ohnehin nicht beeinflussen. Je nachdem, welche Rahmenbedingungen der neue US-Präsident Donald Trump für die Industrie setzt, dürfte man dies früher oder später auch hierzulande spüren und wird man reagieren müssen.

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