Sonntag, September 29

DJ US Semiconductors und Nikkei 225 haben beide stark korrigiert. Während letzterer den Verlust beinahe aufgeholt hat, notiert ersterer deutlich unter Höchst. Dennoch dürften beide eine Pause einlegen.

Der MSCI Welt hat am 16. Juli sein bisheriges Allzeithöchst erreicht. Seither ist er um bis zu 8,2% gefallen. Am Freitag schloss er 5,3% unter dem Höchst. Das hat erstens nichts zu bedeuten, und zweitens camoufliert der MSCI Welt die Dramatik im Nikkei 225 mit dem Tagesminus von 12,4%, das bis Freitag weitgehend aufgeholt wurde, und im DJ US Semiconductors.

Die Führung hat er verloren

Der DJ US Semiconductors, der seit dem 19. April alle anderen Indizes an der Leine führte, notierte am Freitag 22% unter dem Rekordwert vom 20. Juni, nach einem Verlust von bis zu 30,9%.

Dass er immer noch 43% über Jahresanfang und 195% über Ende Oktober 2022 steht, als der Aufwärtstrend begann, zeigt, womit wir es hier zu tun haben: mit einer spekulativen Blase. Und damit, dass sie angeritzt wurde.

Das wirft einige Fragen auf, die ich nachstehend zu beantworten versuche.

Ist die Blase geplatzt?

In meinem Verständnis ist die Blase nicht geplatzt, sondern als Folge negativer Rückkoppelungen suspendiert.

Negative Rückkoppelungen stellen «die Suche nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Preis und Wert» dar, wie ich in meiner Kolumne vom 2. August beschrieben habe.

Auf ein Platzen einer spekulativen Blase folgt kein Suchen nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Preis und Wert, sondern eine Verkaufspanik, die in einen Bärenmarkt mündet, gegen den kein Kraut gewachsen ist, weder in Form überraschend positiver Unternehmensmeldungen noch in Form monetärer Lockerungen. Wie zum Beispiel von März 2000 bis März 2003 im Nasdaq oder von Januar 1989 bis August 1992 im Nikkei erlebt.

Das erwarte ich nicht, unter anderem auch deshalb nicht, weil die Blase aus meiner Sicht trotz der enormen Trenddynamik nicht weit genug gegangen ist, um das Prädikat «geplatzt» zu erfüllen. Darüber hinaus sind weitere «weiche» Kriterien nicht erfüllt worden.

Ich erwarte aber auch nicht eine Wiederaufnahme des Aufwärtstrends innert Tagen. Dafür sitzt der Schock bei zu vielen zu tief. Vielmehr erwarte ich eine Auseinandersetzung zwischen Bullen und Bären, die sowohl medial als auch in für solche Phasen typischen Kursmustern manifest wird.

Wie erklärt sich die Ansteckung anderer Sektoren?

Im Rahmen von Mustererwartungen hatte ich mich bereits in meinem Beitrag vom 20. Juni 2024 festgelegt, als ich in der Rubrik unter dem Titel «Blasenbildung ist kein isoliertes Ereignis» folgendes schrieb:

«Fallen die Kurse in Semiconductors, drücken sie auf die breiten Indizes, insbesondere den Nasdaq 100 und den S&P 500, aber auch auf den Nikkei 225 und den Topix. Das lässt die Kaufbereitschaft abkühlen. In den ersten paar Wochen wird die Baisse in Semiconductors kein isoliertes Ereignis sein. Danach dürften defensive Sektoren, die seit Monaten relativ schwach sind, eine Renaissance erleben».

Langsam geht die Börse meines Erachtens zu einem Courant normal zurück, und das heisst nach einer Flurbereinigung zu einer Kursentwicklung ohne Blasenbildung.

Und was ist mit dem Nikkei los?

Der Nikkei wurde nicht nur von negativen Rückkoppelungen in Information Technology und insbesondere in Halbleiteraktien getroffen, sondern auch von einem Strohfeuer im Yen.

Bekanntlich profitieren Aktienmärkte von schwachen Währungen. Das hat dem Nikkei in den letzten gut vier Jahren, in denen der Yen handelsgewichtet rund 30% verloren hat, mächtig geholfen.

Mit dem Begriff «Strohfeuer» habe ich die Yen-Stärke bereits qualifiziert. Sie ist meiner Meinung nach kein nachhaltiger Trend. Sie ist aber ein erster Schritt in eine Bodenbildung, die den alten Abwärtstrend des Yen zu Dollar, Euro, Pfund und Franken gebrochen hat. Ein Trendende ist keine Trendwende, aber die «Subvention» der japanischen Börse durch die Yen-Schwäche dürfte Geschichte sein.

Dass der Nikkei letzte Woche in vier Handelstagen 12,4% zugelegt hat, mag imponiert haben. Die Stärke wird aber nicht nachhaltig sein.

Ich schätze, dass der Trend, der im Januar 2013 fast vier Jahre nach Beginn des Aufwärtstrends im S&P 500 begann und der durch ein äusserst wechselvolles Verhältnis zum MSCI Welt gekennzeichnet war, eine längere Pause einlegen wird:

Die obige Grafik zeigt den Verlauf des Nikkei 255 seit dem 31. Juli 2008 und, im unteren Fenster, dessen relative Entwicklung zum MSCI Welt, die ich weiter oben wohl zurecht als «wechselvoll» beschrieben habe.

Ein Nachwort zur Einordung der obigen Ausführungen

Als in der Finanzwissenschaft nur die Effizienzmarkthypothese (EMH) akzeptiert war, liess man das Auftreten spekulativer Blasen nicht gelten.

Sie passen nicht in das Modell axiomatischer Rationalität. Daher dürfte es sie gar nicht geben.

Das ist anders, seit sich Behavioral Finance ihren Platz im finanzwissenschaftlichen Curriculum errungen hat. Insbesondere jüngere Autoren anerkennen, dass Aktienmärkte wirtschaftliche Daten über weite Strecken recht gut verarbeiten, während Behavioral Finance wertvolle Beurteilungsgrundlagen liefert, wenn Märkte Koordinationsschwierigkeiten bei der Verarbeitung von Meldungen zu Preisen haben. Genau diese Art von Schwierigkeiten führt dann zu dem, was ich im Titel als Rodeo-Ritt bezeichnet habe.

Ich bediene mich bei den Erkenntnissen der Behavioral Finance und lasse sie in meine Beiträge einfliessen. Von Warren Buffett stammt das Dictum, Aktienmärkte seien 90% der Zeit effizient und auf die restlichen 10% komme es an. Ich hoffe, diese restlichen 10% einigermassen richtig zu interpretieren.

Alfons Cortés

Alfons Cortés ist seit März 1971 professionell an der Börse unterwegs. Bis Juni 2017 war er Geschäftsführender Partner von UnifinanzTrust reg., Vaduz. Seit Juli 2017 ist er Senior Partner im Unternehmen und für den Bereich Research zuständig. Diesem hat er von Anbeginn seiner Tätigkeit an besonderes Augenmerk zukommen lassen. Daraus erwuchs die prominente Position des Unternehmens in der Anwendung von Behavioral-, Neuro- und Evolutionary Finance. Cortés hat nicht nur als Vermögensverwalter und Analyst, sondern auch als Mitglied von Anlageausschüssen institutioneller Anleger über Jahrzehnte Erfahrungen mit den Finanzmärkten gesammelt. Er schreibt jeden zweiten Donnerstag eine Kolumne für The Market.
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