Beim Zweitligisten Juve Stabia wird einem Spieler namens Mussolini gehuldigt. Was ist los in Italien?

Schwer zu sagen, was schwerer verdaulich war: die Festtagsmenus oder diese Jahresendlisten, an denen sich die Journaille abarbeitet: Claudio Zuccolini ist der «drittschönste Schweizer», lernten wir in der «Glückspost». Ehe eine Meldung aus dem italienischen Fussball dafür sorgte, dass wir uns von Zuccolinis unendlichen Edelsteinaugen losreissen mussten.

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Italien hat eine reiche Fussballkultur und beherbergt viele wunderbar aus der Zeit gefallene Stadien. Aber der Calcio ist auch reich an widerlichen Exzessen. Der Tiefpunkt des Jahres 2024 ereignete sich vor knapp zwei Wochen beim Heimsieg des Zweitligisten Juve Stabia gegen Cesena. Den einzigen Treffer erzielte Romano Floriani Mussolini. Ja, Mussolini, wie der Massenmörder.

Ein Urenkel des Duce, der lange den Nachnamen seines Vaters aufs Trikot drucken liess: Floriani. Inzwischen aber lieber mit «F. Mussolini» aufläuft und der «Gazzetta dello Sport» kürzlich sagte: «Wenn ich denen, die Vorurteile gegen meinen Nachnamen haben, den Mund schliessen muss, dann werde ich das tun.» Und ergänzte, dass sich die Welt zwar inzwischen verändert habe, aber: «Mein Urgrossvater Benito war eine sehr wichtige Figur für Italien.» Es sind Ansichten, wie sie Romanos Mutter Alessandra Mussolini, eine neofaschistische Politikerin, die im EU-Parlament sitzt, seit Jahrzehnten salonfähig zu machen versucht.

21 ist Romano F. Mussolini, Rechtsverteidiger auch noch – und ausgeliehen von Lazio Rom. Es ist der Klub mit der vermutlich rechtsextremsten Kurve im Calcio, in der auch schon das Hakenkreuz flatterte. Hätte jemand ein Verzeichnis für Geschichtsvergessenheit im Fussball erstellt – Italien wäre wie immer auf Platz 1 gelandet. Viele Fankurven sind von Männern unterwandert, die nur eine Mutter lieben könnte; stiernackige Faschisten, bei denen man erstaunt ist, dass sie geistig tatsächlich in der Lage sind, Laute von sich zu geben, wenn sie wieder einmal einen dunkelhäutigen Spieler verhöhnen.

Gegen Cesena erzielte Mussolini den Siegtreffer, sein bisher einziges Tor der Saison. Der Stadionsprecher brüllte entrückt den Vornamen des Torschützen ins Mikrofon, und viele der fast 5000 Zuschauer antworteten: «Mussolini!» Auf Videos sind Ultras zu sehen, die den römischen Gruss zeigen, eine faschistische Geste, der sich einst schon der Stürmer Paolo Di Canio bediente und sich damit bei den Laziali unsterblich machte.

Italiens Fussballverband hat eine Untersuchung eröffnet, aber dass das alles möglich ist, sagt vieles aus über den aktuellen Zustand dieses Landes; darüber, wie sich die Grenzen des Sag- und Machbaren verschoben haben. In Deutschland ist man noch ein gutes Stück davon entfernt, dass im Stadion im grossen Stil ungeniert abgehitlert wird. In der Schweiz haben die aktiven Fans die Nazis per Selbstregulierung weitestgehend aus den Stadien verbannt.

Gerade angesichts der Affäre Mussolini darf das bei aller von Medien und Behörden oft mit fast schon religiösem Eifer vorgebrachten Kritik an den Fan-Szenen auch wieder einmal erwähnt werden.

Ein Artikel aus der «»

Exit mobile version