Mittwoch, März 19

Nach dem Wolf, der Autobahn und der SRG schenkt sich der SVP-Bundesrat den nächsten Auslöser eines Shitstorms.

Eigentlich war schon alles angedacht. Doch dann hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom Mittwoch nicht einmal darüber diskutiert. Albert Rösti, der Vorsteher des zuständigen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), hat das umstrittene Thema von der Traktandenliste streichen lassen.

Zu gross war der Aufschrei, nachdem CH Media in ihrer Wochenendausgabe über die Pläne des SVP-Bundesrats berichtet hatte. Nach diesen will Rösti nicht weniger als den Tabubruch wagen und die postalische Grundversorgung neu organisieren.

Rasanter Start

Die Post, so Röstis Vorschlag, soll ab 2030 nur noch an drei Wochentagen und in einer Geschwindigkeit ausgetragen werden. Keine A- und keine B-Post mehr, sondern nur noch ein einziges, ziemlich entschleunigtes Tempo: Der Pöstler der Zukunft hätte zwei Werktage Zeit für die Zustellung. Ist das jetzt gut oder schlecht?

Es ist vor allem eine Anpassung an die Realität. Die Anzahl der beförderten Briefe sinkt weiterhin, während die Kosten steigen. Zuletzt musste die Post die Tarife deshalb anheben. Seit Anfang Jahr kostet ein Brief mit der A-Post 1 Franken 20.

Wie es innerhalb des gelben Riesen heisst, soll deshalb auch die Postspitze um den CEO Roberto Cirillo und den Verwaltungsratspräsidenten Christian Levrat Röstis Reformpläne in den grossen Linien unterstützen. Nun wird die Übung zwar nicht abgebrochen, aber auf unbestimmte Zeit vertagt. Rösti geht vom Gas.

Die Post wäre bereits die vierte heilige Kuh aus seinem Zuständigkeitsbereich gewesen, die der immerzu gmögig-gemütlich wirkende Kandersteger in seinem erst zweiten Amtsjahr zur Schlachtbank geführt hätte. Nur von dem Tabuthema Kernenergie hat er bis jetzt die Finger gelassen. Zuerst muss Rösti im Juni die Abstimmung zum sogenannten Mantelerlass gewinnen. Alle anderen heissen Eisen fasste er schon an. Hat er sich dieses Mal verbrannt?

Die Landesregierung will unter der Federführung Röstis mehr als fünf Milliarden Franken für den Ausbau des Autobahnnetzes ausgeben. Mal nicht das Velo, mal nicht der kollektive öV allein – unter Rösti investiert der Staat in den motorisierten (und vielleicht dereinst elektrifizierten) Individualverkehr. Und während er die Strassen ausbauen will, gedenkt Rösti, dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRG) – nebst der Post, den SBB und der ETH die heiligste Kuh – die Gebühren von 335 auf 300 Franken zu kürzen. Eigentlich, um der Initiative «seiner» SVP, die auf 200 Franken kürzen will, den Wind aus den Segeln zu nehmen. Aber weniger ist weniger: SRG-Direktor Gilles Marchand hat bereits seinen Rücktritt angekündigt.

Schliesslich werden unter Rösti zum ersten Mal überhaupt nach dreissig Jahren die hiesigen Wolfsbestände proaktiv reguliert. Auch hier führt der Umweltminister zwar nur aus, was das Parlament beschlossen hatte. Aber er macht es rasch und risikobereit. Rösti hätte die entsprechende Verordnung erst später und auch weniger streng in Kraft setzen können. Beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) geht man davon aus, dass in den vergangenen zwei Monaten bis zu 50 Wölfe erlegt worden sind. Seit einem halben Jahr wird Rösti für die Wolfspolitik kritisiert. Am Mittwoch haben Wolfsfreunde zu einer Mahnwache auf dem Bundesplatz geladen.

Kritik aus eigenen Reihen

Den nächsten Shitstorm schenkt sich der SVP-Bundesrat nun. Nach Bekanntwerden seiner Postpläne hagelte es Kritik – auch aus den eigenen Reihen. Der Abbau des Service public sei «völlig inakzeptabel», sagte etwa SVP-Nationalrat Michael Graber in der «Sonntags-Zeitung». Im Vorfeld der Bundesratssitzung habe es zudem mehrere Mitberichte aus anderen Departementen gegeben, schreibt CH Media. Rückzug Rösti.

Wie es aus Regierungskreisen heisst, soll Rösti seinen Bundesratskollegen nun beliebt machen wollen, dereinst eine Klausur über die Zukunft der Post durchzuführen. Dabei sollen mehrere Varianten vertieft werden. Auch die Postspitze dürfte sich noch einbringen. Um Cirillo und vor allem um Levrat war es in letzter Zeit auffallend ruhig. Über die Vorschläge soll schliesslich das Parlament befinden. Je heiliger die Kuh, desto mehr Metzger braucht es.

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