Die EU vereinbart mit Serbien eine engere Zusammenarbeit. Auch Deutschland macht der dortigen autoritären Regierung den Hof. Grund dafür sind die strategisch wichtigen Lithiumvorkommen. Die Gegner des Abbauprojekts sind empört.

Seit der serbische Präsident Aleksandar Vucic Mitte Juni in einem Interview andeutete, dass die Lithiumvorkommen im Jadar-Tal erschlossen werden könnten, geht es Schlag auf Schlag. Vergangene Woche erklärte das Verfassungsgericht einen Regierungserlass von 2022 für ungültig, der dem Abbauprojekt des Bergbaukonzerns Rio Tinto die Grundlage entzogen hatte.

Am Dienstag wurde der ursprüngliche Förderplan offiziell wieder zugelassen. Am Freitag unterzeichneten nun die serbische Energieministerin Dubravka Djedovic und der EU-Kommissar Maros Sefcovic in Belgrad eine Absichtserklärung über eine strategische Partnerschaft in den Bereichen «nachhaltige Rohstoffe, Wertschöpfungskette von Batterien und elektrische Fahrzeuge». Sefcovic ist in Brüssel auch für den Green Deal zuständig.

«Genauso wichtig wie Erdöl»

Die Unterzeichnung fand bei einem Gipfel zu nachhaltigen Rohstoffen statt. Neben Vertretern der Autokonzerne Mercedes und Stellantis, von Batterieherstellern und Rio Tinto nahm daran auch Olaf Scholz teil. Der deutsche Bundeskanzler unterstrich damit die Bedeutung, die Deutschland der Lithiumförderung in Serbien beimisst.

Das Leichtmetall spielt für die Produktion von Batterien für Elektroautos eine zentrale Bedeutung. Der Abbau in Europa, zudem durch ein westliches Unternehmen wie Rio Tinto, verringert die Abhängigkeit in dem Bereich von China.

Laut der serbischen Regierung können im Jadar-Tal jährlich bis zu 58 000 Tonnen des strategisch wichtigen Materials abgebaut werden. Das reicht für mehr als eine Million Elektroautos. Scholz sagte in Belgrad, Lithium sei für die Mobilität in Zukunft genauso wichtig wie Erdöl.

Vucic fordert Produktion in Serbien

Belgrad möchte einen möglichst grossen Teil der Wertschöpfung im Land belassen. Die Produktionskapazitäten müssen dafür aber erst geschaffen werden. In der Absichtserklärung ist von «Investitionsbeziehungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Abbau bis zum Endprodukt» die Rede.

Vor dem Gipfel hatte Vucic gegenüber dem «Handelsblatt» erklärt, dass nur ein kleiner Teil des geförderten Lithiums nach Deutschland geliefert werden solle. Der Löwenanteil werde in Serbien verarbeitet. Finanzminister Sinisa Mali hatte im Juni gesagt, dass so 10 bis 12 Milliarden Euro jährlich erwirtschaftet werden könnten. Das wäre etwa ein Fünftel des gegenwärtigen Bruttoinlandprodukts des Landes.

Mehrheit der Bevölkerung ist gegen das Projekt

Trotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Projekts ist der Widerstand dagegen in Serbien gross. Vor zwei Jahren protestierten während Monaten zivilgesellschaftliche Organisationen gegen das Vorhaben im westserbischen Jadar-Tal.

Die Förderung von Lithium ist sehr aufwendig und erfordert den Einsatz ätzender Chemikalien. Der projektierte Abbau auf einer Fläche von mehr als 600 Hektaren würde das Jadar-Tal dauerhaft verändern. Die Region im Einzugsbereich der Flüsse Drina und Sava ist für die Trinkwasserversorgung weiter Landesteile von Bedeutung.

Der Protest war so gross, dass die Regierung das Projekt im Januar 2022 stoppte. Regierungsgegner argwöhnten schon damals, dass Vucic nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen den Schritt wieder rückgängig machen wolle.

Geringes Vertrauen in Regierung

Die Absichtserklärung geht nun auf die Bedenken der Gegner ein und unterstreicht die Bedeutung der EU-Standards in dem Bereich. Kommissar Sefcovic betonte, dass es sich dabei um die umfassendste Regulierung weltweit handle.

Die Skepsis in Serbien ist dennoch gross. Laut einer Umfrage unterstützt nur ein Drittel der Bevölkerung das Projekt. Noch am Freitag wurden neue Protestkundgebungen angekündigt.

Das Vertrauen, dass Vucic und seine Regierung die entsprechenden Standards einhalten, ist gering. Dazu tragen die schweren Verschmutzungen in anderen Abbaugebieten bei, aber auch der Umgang mit einer Petition, die ein generelles Förderverbot für Lithium forderte, aber vom Parlament komplett missachtet wurde.

Frust über EU und Deutschland

Die Kritik trifft auch die EU und besonders Deutschland, obwohl unter den Gegnern des Lithiumprojekts viele die europäische Integration befürworten. Savo Mihajlovic von der Umweltorganisation Kreni Promeni sprach von «Stabilokratie».

Damit ist gemeint, dass für den Westen der Zustand des serbischen Rechtsstaats und damit auch die Aussicht Serbiens auf einen EU-Beitritt zweitrangig sind, wenn andere Interessen im Spiel sind. Das kann die regionale Stabilität sein oder der Zugang zu strategischen Rohstoffen.

Der Politologe Nemanja Todorovic Stiplija zog auf dem Nachrichtenkanal N1 eine Parallele zwischen der Lithiumförderung und den serbischen Waffenexporten, die auf Umwegen der Ukraine zugutekommen. Damit gelinge es Präsident Vucic, sich als Partner des Westens zu präsentieren.

Die Kritik des Westens an den Unregelmässigkeiten bei den jüngsten Wahlen, die Weigerung Belgrads, Sanktionen gegen Russland zu übernehmen, und die kompromisslose Haltung der Regierung in der Kosovo-Frage rücken dabei in den Hintergrund.

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