Montag, September 30

Im Kanton Zürich fordern zwei Vorlagen eine Ausweitung der Pflicht für Solaranlagen auf bestehende Bauten. FDP und SVP kritisieren die kurze Frist. Auch sonst gibt es offene Fragen.

Der grüne Energiedirektor Martin Neukom will im Kanton Zürich die Pflicht für Solaranlagen auf bestehende Gebäude ausweiten. Spätestens bis 2040 sollen alle Dächer ab 300 Quadratmeter Solarstrom produzieren. Noch weiter geht ein Vorschlag, den die kantonsrätliche Kommission diskutiert: Die Pflicht soll auch für Neubaufassaden und grosse Parkplätze gelten.

Rot-Grün gibt die Richtung vor: Zürich soll mehr Solarstrom produzieren, so viel und so schnell wie möglich.

Dabei scheinen grundlegende Fragen sekundär zu sein: Noch ist unklar, wie schnell die Kapazität des Zürcher Stromnetzes ausgebaut werden kann. Und was mit dem überschüssigen Strom passiert, wenn Speichertechnologien nicht rechtzeitig bereit sind.

Einsprachen und Gesetze verhindern den Netzausbau

Im Kanton Zürich würden laut Regierungsrat Neukom durch eine ausgeweitete Solarpflicht zusätzlich 45 000 Gebäude mit einer Solaranlage bestückt sein. Es geht um Mehrfamilienhäuser, Industrieanlagen, Bauernhöfe. An einer Medienkonferenz sprach er von einem potenziellen Stromertrag von 3,5 Terawattstunden. Das entspricht mehr als einem Drittel des jährlichen Stromverbrauchs im Kanton.

Doch der zusätzliche Strom würde das bestehende Stromnetz noch mehr belasten. Karl Resch ist Leiter Regulierungsmanagement und Netzwirtschaft bei den kantonalen Elektrizitätswerken EKZ. Resch sagt: «Das Stromnetz muss für die Solaranlagen umgebaut werden.» Das Netz sei so gebaut worden, dass der Strom über Hochspannungsnetze in die Ballungszentren komme. Zum Beispiel von einem Wasserkraftwerk im Gebirge nach Zürich. Und dort gelangt er über Mittel- und Niederspannungsleitungen an die Stromkunden.

Mit den Solaranlagen verändert sich dies: «Nun wird der Strom bei den Verbrauchern produziert und muss von dort zu anderen Verbrauchern gelangen», sagt Resch. Die Folge: Das Netz muss lokal verstärkt werden. Für die regionalen Netzbetreiber im Kanton Zürich heisst das: Sie müssen rechtzeitig wissen, wo die grossen Gebäude sind, auf denen künftig die Solaranlagen stehen sollen.

Resch sagt, der notwendige Netzausbau sei bis 2040 machbar, doch es brauche mehr Unterstützung aus der Politik. Die Netzbetreiber müssen neue Trafostationen und Unterwerke bauen, zusätzliche Leitungen verlegen. Doch sie scheiterten an Auflagen der Behörden, an langwierigen Baugesuchen, Einsprachen. Und an verfügbaren Grundstücken.

Auch auf nationaler Ebene wurden die regionalen Netze vernachlässigt. Der Bundesrat hat im Juni eine Revision des Elektrizitätsgesetzes vorgestellt. Er will die Bewilligungsverfahren für den Ausbau der Stromnetze beschleunigen. Doch die Änderung gilt vor allem für Hochspannungsleitungen. «Die regionalen Netze wurden vergessen», sagt Resch. Die EKZ versuchen nun mit anderen regionalen Netzbetreibern, dies noch ins Gesetz zu integrieren.

Und wenn das Netz im Kanton Zürich nicht rechtzeitig ausgebaut wird? Resch sagt: «Dann kann es passieren, dass jemand eine Solaranlage baut, aber er sie erst verzögert ans Netz anschliessen kann, weil es sonst überlastet ist.»

Ohne Speicher geht der Strom verloren

Die Ausweitung der Solarpflicht im Kanton wird vor allem von den Grünen, der SP und den Grünliberalen vorangetrieben. Das Problem mit dem Netzausbau relativieren sie.

Der grüne Kantonsrat David Galeuchet sagt: «Der Solarausbau muss vorankommen, damit der Strom dort erzeugt werden kann, wo er am meisten gebraucht wird.» Die Netzinfrastruktur müsse vor allem intelligenter werden: Der Strom müsse dann verbraucht werden, wenn am meisten vorhanden sei. So gäbe es weniger überschüssigen Strom und ein weitreichender Netzausbau könne vermieden werden, sagt Galeuchet.

Zusammen mit einer smarten Gebäudetechnik würde das zum Beispiel bedeuten, dass Maschinen und Geräte vor allem dann laufen, wenn die Solaranlagen am meisten produzieren. Das Elektroauto wäre zwar den ganzen Tag eingesteckt, aber lädt nur, wenn Solarstrom fliesst.

Christa Stünzi, Kantonsrätin der Grünliberalen, sagt zudem: «Wir müssen uns auch als Nutzer umgewöhnen, wann wir Strom brauchen.» Stünzi findet, es sei ein Anreiz, eine Solaranlage zu bauen, weil man den eigenen Strom produzieren könne und unabhängiger sei. Trotzdem brauche es eine Pflicht für grosse Dächer, um den Ausbau schneller voranzutreiben.

Rot-Grün hat in der zuständigen Kommission die Mehrheit, doch im Kantonsrat könnte es für die Vorlagen knapp werden. Die Mitte ist grundsätzlich für eine Ausweitung der Pflicht auf Fassaden und grosse Parkplätze, hat jedoch noch Vorbehalte. Auch zur Vorlage von Neukom hat sich die Partei noch nicht geäussert.

Die SVP ist generell gegen eine Pflicht. Eigentümer von Wohn- und Gewerbebauten sollen nicht «weiter bevormundet und finanziell belastet werden», schreibt sie in einer Stellungnahme. Und wenn die Solarpflicht doch ausgeweitet werden soll, dann erst, wenn das Netz ausgebaut sei. Zudem müsse die Umsetzungsfrist mindestens bis 2050 verlängert werden.

Auch Sarah Fuchs, Kantonsrätin der FDP, findet Neukoms Frist inakzeptabel. In bereits fünfzehn Jahren müssten auf allen grossen Dächern im Kanton Solaranlagen stehen. «Es ergibt jedoch wenig Sinn, eine Anlage zu installieren, ohne vorher auch das Dach zu sanieren», sagt Fuchs. Auf Hauseigentümer kämen damit früher als nötig hohe Kosten zu.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, wie die Förderung der Speichertechnologien finanziert werden soll. Denn: Mit den zusätzlichen Solaranlagen wird der Kanton im Sommer deutlich mehr Strom produzieren, als gebraucht wird. Doch die Technologien zur saisonalen Speicherung von Strom sind noch nicht markttauglich. Regierungsrat Neukom will, dass Netzbetreiber eine Stromabgabe erheben und damit die Technologien selbst fördern.

Die FDP lehnt dies ab. Konsumenten sollten nicht weiter belastet werden, sagt Fuchs. Für das Speicherproblem gebe es noch eine andere Lösung: «Man könnte mehr Solaranlagen auf die Produktion im Winter ausrichten.» Solaranlagen sind derzeit auf die maximale Stromerzeugung, also auf die Sonne im Sommer ausgelegt. In einem anderen Winkel ausgerichtet, würden sie zwar aufs gesamte Jahr betrachtet weniger produzieren, dafür im Winter mehr. Also dann, wenn die Schweiz Strom aus dem Ausland importieren muss.

Fuchs sagt: «Wenn Solaranlagen auf kantonaler Ebene zusätzlich gefördert werden sollen, dann jene, die auch für die Stromproduktion im Winter ausgerichtet sind.»

In Bern soll man Offerte einholen

Auch andere Kantone erwägen, die nationale Solarpflicht für grosse Neubauten auf bestehende Gebäude auszuweiten. In Bern war die zuständige Kommission zwar dagegen, schlägt jedoch eine Meldepflicht vor. Eigentümer müssten bei einer Dachsanierung angeben, ob sich die Fläche für eine Solaranlage eignet, und nachweisen, dass sie eine Offerte eingeholt haben.

Es ist gut möglich, dass die Zürcher Vorlagen im Parlament noch abgeschwächt werden. Auch ein Referendum ist möglich. Dann käme die Solarpflicht an die Urne.

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