Mittwoch, März 19

Nach zwölf erfolgreichen Jahren als Präsident des Direktoriums tritt Thomas Jordan überraschend zurück. Er hatte ein sicheres Urteilsvermögen, einen klaren ordnungspolitischen Kompass und einen breiten Rücken. Das wird die SNB in Zukunft erst recht brauchen.

Kritik gab es immer wieder. Als Thomas Jordan die Aufhebung des Mindestkurses zum Euro erklärte oder sich in den Zeiten des vermeintlich ewig günstigen Geldes den zunehmenden Begehrlichkeiten der Politik entgegenstellte und vor Inflation warnte, galt der Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) manchen als Ewiggestriger. Doch indem er darauf pochte, dass die SNB sich mit ökonomischer Kompetenz und grosser Unabhängigkeit auf ihr Mandat der Preisstabilität konzentriert, hat Jordan der Schweiz einen grossen Dienst erwiesen.

Standfestigkeit hat sich ausgezahlt

Die Zahlen sprechen für sich. Seit Jordan im April 2012 das Amt des Präsidenten des Direktoriums angetreten hat, haben sich in der Schweiz die Konsumentenpreise um insgesamt nur 4,7 Prozent verteuert. In Deutschland erhöhten sich die Verbraucherpreise im gleichen Zeitraum um 28,4 Prozent. Gleichzeitig ist Deutschlands Wirtschaft damit nicht stärker gewachsen als die schweizerische.

Jordan hat nicht nur einen beeindruckenden Leistungsausweis, wenn es um die Inflation geht. Er ist ein urteilssicherer Ökonom ohne Allüren und mit einem guten Gespür für Schweizer Befindlichkeiten. Das hat sich schon bei der Rettungsaktion der UBS gezeigt und liess ihn auch früh vor den Risiken der Credit Suisse warnen.

Seine Kompetenz hat Jordan inner- und ausserhalb der SNB zu einer herausragenden Stellung verholfen. Das führte gelegentlich zur Kritik, Jordan sei zu dominant und könne nicht loslassen. Mit seinem überraschenden Rücktritt beweist der international höchst angesehene Nationalbankpräsident nun auch diesbezüglich seinen Kritikern noch einmal das Gegenteil.

Ein gut überstandener kardiologischer Eingriff vor zweieinhalb Jahren und der mit dem Untergang der Credit Suisse verbundene Stress mögen die Reifung des Entschlusses beschleunigt haben. Doch Jordan scheint seinen Rücktrittsentscheid freiwillig und ohne äusseren Druck gefällt zu haben. Er hält zwölf Jahre für genug und will nun Platz machen in einer Zeit, in der er die Nationalbank endlich wieder in ruhigeren Gewässern wähnt und «sein Haus» bestellt sieht.

Natürlich ist zu hoffen, dass die SNB in nächster Zeit nicht wieder in stürmisches Wetter gerät. Mit den sich europaweit verschlechternden wirtschaftlichen Aussichten und leeren Staatskassen ist das allerdings keineswegs sicher. Der Franken kann schnell wieder zu stark werden. Sollte die Exportwirtschaft in ernsthaftere Schwierigkeiten geraten wird es bestimmt auch nicht an Stimmen fehlen, die von der SNB Hilfe fordern, die ihre Sache nicht ist. Und bestimmt wird auch die Politik auf neue Ideen kommen, vor welchen Karren sie die Nationalbank auch noch spannen möchte. Umso wichtiger wird sein, dass die SNB ihren Kurs behält.

Führungsriege im Umbruch

Auch das ist nicht ganz selbstverständlich. Mit Jordans Abtritt beschleunigt sich nämlich in der Nationalbank ein Generationenwechsel.

Vor anderthalb Jahren trat mit Fritz Zurbrügg die langjährige Nummer zwei zurück. Andréa Maechler wechselte zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ, nachdem sie bei der Wahl der neuen Nummer zwei nicht berücksichtigt wurde. Ihr Nachfolger Antoine Martin kommt vom Fed und ist erst seit Anfang Jahr im Amt. Und der seit Dezember 2006 amtierende umsichtige Direktoriums-Stellvertreter Dewet Moser tritt per Ende März altershalber zurück.

Die Riege der neuen jüngeren Stellvertreterinnen und -vertreter wird durch eher technokratische Volkswirte dominiert. International gesehen hat die jüngere Ökonomen-Elite an den Hochschulen in der Vergangenheit das Gespür für die wirtschaftspolitischen Realitäten öfters vermissen lassen. Die Frage wird sein, ob sich die SNB diesem Trend entziehen kann.

Mit Martin Schlegel steht seit kurzem ein 47-jähriges Eigengewächs der SNB mit breiter Erfahrung als Nachfolger von Jordan bereit. Das notwendige technokratische Verständnis bringt er sicher mit. Auch mit den immer wichtiger werdenden Eigenheiten des digitalen Zahlungsverkehrs und der neuen Rolle, die Zentralbanken dabei spielen können, ist er vertraut.

Es ist aber der Bundesrat, der (auf Antrag des Bankrats) nun ein drittes Mitglied des Direktoriums wählen und den Präsidenten des Direktoriums ernennen muss. Im Prinzip könnte er auch eine geeignete Persönlichkeit von aussen direkt zum Präsidenten ernennen. Nicht auszuschliessen ist gar eine Übergangslösung.

Entscheidend muss sein, dass die SNB in dieser Umbruchsphase das unter Thomas Jordan gepflegte, eher konservative Erfolgsrezept auch unter neuer Führung vertritt. Die Nationalbankspitze braucht einen klaren ordnungspolitischen Kompass. Sie muss sich auf ihr Mandat der Preisstabilität konzentrieren. In dieser Rolle sollte sie schweizerische Bodenständigkeit bewahren, statt immer neue Aufgaben übernehmen zu wollen. Und nicht zuletzt muss es auch der neuen SNB-Spitze gelingen, genügend politisches Gewicht zu entwickeln, um sich gegen zweifelhafte Ideen aus Politik und Verwaltung erfolgreich zur Wehr zu setzen und so die Unabhängigkeit der SNB wahren zu können.

Das ist nicht wenig, das auf dem Spiel steht. Thomas Jordan mag beruhigt abtreten wollen: ein Wechsel auf der Kommandobrücke ist aber immer ein Risiko.

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