Eine dubiose Organisation soll einen Umsturz in Rumänien geplant und dabei mit Russland in Kontakt gestanden haben. Die Beziehungen zwischen Moskau und Bukarest sind im freien Fall.
Die Kontroverse um die Annullierung der Präsidentenwahl dominiert das politische Leben in Rumänien seit Monaten. Das Verfassungsgericht des südosteuropäischen Landes hatte im Dezember die erste Runde des Urnengangs für ungültig erklärt. Begründet wurde der Entscheid mit Einflussnahme aus dem Ausland. Gemeint war Russland.
Völlig überraschend hatte der prorussische Ultranationalist Calin Georgescu die Wahl für sich entschieden. Der Richterspruch, der sich hauptsächlich auf Geheimdiensterkenntnisse stützte, stiess jedoch wegen vieler offener Fragen auf Kritik: in Georgescus nationalistischem Lager, wo von einem Putsch die Rede ist, aber auch bei der prowestlichen Opposition.
Übernahme der Staatsmacht und Austritt aus der Nato
Nun wirft die Razzia gegen eine obskure verschwörerische Gruppierung ein weiteres Schlaglicht auf mögliche russische Beeinflussungsversuche im Nato-Frontstaat. Rumänien ist wegen seiner langen Landgrenze zur Ukraine und des Anstosses an das Schwarze Meer von grosser strategischer Bedeutung für das westliche Verteidigungsbündnis.
Die rumänische Sonderstaatsanwaltschaft für organisierte Kriminalität und Terrorismus, Diicot, informierte am Donnerstag über landesweite Hausdurchsuchungen und die Verhaftung von sechs Personen wegen Hochverrats. Ihnen wird vorgeworfen, eine Organisation mit dem Ziel gebildet zu haben, die Souveränität und Unabhängigkeit des Staates zu untergraben und die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu schwächen.
Laut Diicot standen die Verhafteten in Rumänien sowie bei Reisen nach Russland mit ausländischen Agenten in Kontakt. Bei den Gesprächen soll es unter anderem um die Übernahme der Staatsmacht, die Änderung der Verfassung und staatlicher Symbole sowie den Austritt aus der Nato gegangen sein. Wie weit die angeblichen Pläne gediehen waren und welche konkrete Gefahr von der Gruppe ausging, ist öffentlich nicht bekannt.
Revisionistisches Weltbild
Bei der Gruppierung handelt es sich um das Kommando Vlad der Pfähler. Der mittelalterliche Fürst Vlad Draculea Tepes (der Pfähler) ist im Ausland vor allem als Namensgeber für die Dracula-Sage bekannt. Bedeutender für sein Bild in Rumänien ist aber die historische Rolle als Widerstandskämpfer gegen die Osmanen.
Die Gruppierung ist Teil der Organisation Opus Nostrum, die ein revisionistisches Geschichtsbild vertritt und die Legitimität des modernen rumänischen Staates und seiner Regierung abstreitet. Gegründet wurde Opus Nostrum vom pensionierten Luftwaffengeneral Radu Theodoru.
Der mittlerweile 101-jährige Weltkriegsveteran ist Mitbegründer der ultranationalistischen Partei Grossrumänien, die um die Jahrtausendwende beträchtlichen Zuspruch hatte. Die Partei erhebt unter anderem Anspruch auf ehemals rumänische Gebiete in der Ukraine und in Bulgarien. Theodoru hat mehrere Bücher veröffentlicht, in denen er antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und die faschistische Legionärsbewegung verherrlicht. Das revisionistische Weltbild deckt sich in vieler Hinsicht mit Äusserungen von Calin Georgescu, dem Überraschungssieger der annullierten Wahl.
Bukarest weist russische Diplomaten aus
Laut der Nachrichtenagentur Reuters stehen die Ermittlungen gegen Theodoru und sein Kommando in keinem direkten Zusammenhang zu Georgescu. Gewisse Überschneidungen gibt es dennoch. In beiden Fällen steht der Verdacht russischer Einflussnahme im Raum.
Die wegen Hochverrats verhafteten Personen sollen mit dem russischen Militärattaché in Bukarest und seinem Stellvertreter in Kontakt gestanden haben. Der Name des Stellvertreters, Jewgeni Ignatiew, taucht laut Recherchen der Onlinepublikation «Spotmedia» auch in Ermittlungsakten gegen Georgescu auf. Ignatiew soll Kontakt zu Unterstützern des nationalistischen Präsidentschaftskandidaten unterhalten haben.
Erst am Mittwoch hatte das rumänische Aussenministerium Ignatiew und seinen Chef, den Militärattaché Viktor Makowski, wegen Verstössen gegen diplomatische Gepflogenheiten zu unerwünschten Personen erklärt. Worin diese Verstösse bestanden, wurde, wie üblich, nicht bekannt. Es ist zu erwarten, dass Russland mit einer Gegenmassnahme auf die Ausweisung reagieren wird.
Gerichtshof für Menschenrechte weist Klage ab
Die bilateralen Beziehungen zwischen Moskau und Bukarest haben sich seit der Kontroverse um die Wahl in jüngster Zeit drastisch verschlechtert. Am Dienstag hatte der russische Auslandsgeheimdienst erklärt, die Wahl sei auf Druck der EU annulliert worden. Brüssel bekämpfe alle europäischen Politiker, die offen den amerikanischen Präsidenten Trump unterstützten. Dazu zähle auch Georgescu. Das rumänische Aussenministerium bezeichnete diese Äusserungen als lächerlich. Am Tag darauf kam es zur Ausweisung der russischen Diplomaten und zur landesweiten Razzia gegen das Kommando Vlad.
Georgescu selber wandte sich am Mittwochabend in einer pathetischen Videobotschaft an seine Unterstützer. «Das System» versuche alles, um seine Kandidatur zu verhindern, sagte er, vor einer Ikone und der rumänischen Staatsflagge stehend. Nur wenn das rumänische Volk mit seinem ganzen Wesen für die Freiheit kämpfe, könne es verhindern, erneut versklavt zu werden. «Rumäne, erwache! Jetzt oder nie!»
Nach dem Zuspruch aus Moskau folgte für den nationalistischen Politiker am Donnerstag ein Rückschlag aus Strassburg. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof wies Georgescus Klage gegen die Annullierung der Wahl einstimmig als unzulässig ab.