Das Milliardenvorhaben unterstreicht die strategische Bedeutung des Schwarzmeerraums. Moskau reagiert mit Drohungen an die Adresse Bukarests.
Die Stationierung zusätzlicher Nato-Truppen im Land, vorzugsweise von Amerikanern, ist für jede rumänische Regierung eine Priorität. In Bukarest hatte man lange den Eindruck, die Allianz konzentriere sich in der Abschreckung gegen Russland zu sehr auf Polen und das Baltikum und vernachlässige die Flanke im Südosten.
Spätestens der russische Überfall auf die Ukraine hat die Ausgangslage verändert. Die Allianz beschloss noch im März 2022, auch im Südosten Europas sogenannte Battlegroups, multinationale Kampfverbände, zu stationieren. In Rumänien geschieht dies auf dem Stützpunkt Cincu in Siebenbürgen. Die USA entsandten zudem zusätzliche Truppen auf den Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu bei Constanta, wo sie zusammen mit weiteren Bündnispartnern die rumänische Luftwaffe bei Patrouillenflügen über dem Schwarzen Meer unterstützen.
Annexion der Krim gab Anstoss
Nun schafft Rumänien die Voraussetzungen für eine noch weit grössere Nato-Präsenz im Land. Wie der rumänische Dienst von Euronews vergangene Woche berichtete, haben die Arbeiten für einen massiven Ausbau von Mihail Kogalniceanu begonnen. Konkret werden zurzeit etwa Zufahrtsstrassen angelegt und die infrastrukturellen Voraussetzungen für das Stromnetz geschaffen. Angesichts der Ausmasse des Vorhabens ist in rumänischen Medien vom Bau einer neuen Stadt die Rede.
Der nach einem liberalen Staatsmann im 19. Jahrhundert benannte Stützpunkt soll dereinst eine Fläche von 2800 Hektaren umfassen und 10 000 Soldaten aus Rumänien und verbündeten Staaten mitsamt ihren Familien Platz bieten. Flächenmässig wäre das der grösste Nato-Stützpunkt in Europa, fast doppelt so gross wie die amerikanische Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz. Ramstein ist Teil der Kaiserslautern Military Community, der mit mehr als 55 000 Personen grössten amerikanischen Militärpräsenz ausserhalb der USA.
Die budgetierten Kosten für den Ausbau von Mihail Kogalniceanu betragen 2,5 Milliarden Euro und werden von der rumänischen Regierung getragen. Veranschlagt ist eine Bauzeit bis 2040. Das Projekt wurde noch vor Russlands Überfall auf die Ukraine genehmigt, geht aber durchaus auf russische Expansionsbestrebungen in der Region des Schwarzen Meeres zurück. Anstoss für die Planungen war die russische Annexion der Krim 2014.
Der westlichste Zipfel der besetzten Halbinsel ist nur 230 Kilometer von der rumänischen Küste entfernt. Bis Constanta, dem wichtigsten Schwarzmeerhafen des Landes, sind es 400 Kilometer. Bereits der kurze russisch-georgische Krieg 2009 hatte in Bukarest die Alarmglocken läuten lassen.
Stationierung von Bodentruppen
«Der Ausbau von Mihail Kogalniceanu erhöht die Sicherheit im gesamten Schwarzmeerraum», erklärte der Kommandant des Stützpunktes, Nicolae Cretu, in einem Fernsehinterview. Unter anderem sollen laut dem Luftwaffenoberst auf der Basis künftig auch Bodentruppen und Spezialeinheiten stationiert werden. Ziel sei es, die Fähigkeit zu schaffen, auf alle Arten militärischer Bedrohung zu reagieren.
Über die künftige Einbindung des Stützpunktes in die strategische Planung der Nato oder den anvisierten Anteil internationaler Soldaten an der gesamten Truppenstärke sind keine Details bekannt. In jedem Fall wertet das Megaprojekt die Rolle Rumäniens in der Sicherheitsarchitektur der Nato auf und unterstreicht die strategische Bedeutung des Schwarzmeerraums.
Die Möglichkeiten des Militärbündnisses, zu See mehr Präsenz zu zeigen, sind auf dem Schwarzen Meer stark eingeschränkt. Laut der Montreux-Konvention, welche die Durchfahrt durch die türkischen Meerengen regelt, dürfen sich nur Kriegsschiffe von Anrainerstaaten permanent im Schwarzen Meer aufhalten. Im Kriegsfall, wie zurzeit wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine, ist Marineschiffen von Drittstaaten sogar die Durchfahrt ganz verboten. Umso wichtiger sind Stützpunkte an Land.
Drohungen aus Moskau
Rumänien ist zudem ein wichtiges Transitland für westliche Militärhilfe an die Ukraine. Das Online-Magazin «The War Zone» erwähnt die Möglichkeit, dass amerikanische Transportflugzeuge, die zurzeit in Ungarn stationiert sind, nach Rumänien verlegt würden.
Anders als Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat die politische Führung in Bukarest die militärische Unterstützung der Ukraine nie infrage gestellt. Seit November des letzten Jahres ist in Fetesti, im Süden der Walachei, ein Nato-Schulungszentrum für F-16-Piloten in Betrieb. In naher Zukunft sollen dort auch ukrainische Piloten ausgebildet werden.
Moskau reagierte mit Drohungen auf die Nachricht des Beginns des Baus bei Constanta. Andrei Klimow vom aussenpolitischen Ausschuss des russischen Föderationsrats nannte das Projekt eine Gefahr für Rumänien. Je grösser und je näher an der Grenze zu Russland gelegen eine solche Basis sei, desto wahrscheinlicher sei es, dass sie bei Vergeltungsschlägen ins Visier genommen werde.
Rumäniens Präsident will Nato-Chef werden
Die Meldung vom Beginn der Arbeiten in Mihail Kogalniceanu folgt eine Woche nach der offiziellen Ankündigung des rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis, für die Nachfolge von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu kandidieren. Gegenüber dem Favoriten für das Amt, dem früheren niederländischen Regierungschef Mark Rutte, spricht für Iohannis vor allem seine Herkunft.
Der Ruf nach einem Osteuropäer an der Spitze der Allianz hat seine Berechtigung, seit dem 24. Februar 2022 erst recht. In den ostmitteleuropäischen Mitgliedstaaten war das Bewusstsein für die Gefahr, die von Moskaus Hegemonialgelüsten ausgeht, immer präsent. Die nationale Verteidigung geniesst einen traditionell hohen Stellenwert.
Indirekt spielt Iohannis in seiner Kampagne auch auf den Umstand an, dass Rumänien, anders als die Niederlande, seit Jahren zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für den Verteidigungshaushalt budgetiert. Die Milliardeninvestitionen in den neuen Stützpunkt passen da ins Bild.