Das Bezirksgericht Zürich hat einen 42-jährigen Automechaniker aus Rumänien zu einer höheren Freiheitsstrafe verurteilt als beantragt. Er wird für zehn Jahre des Landes verwiesen.
Die Vorgehensweise eines heute 42-jährigen Rumänen ist einer der Gründe, weshalb man am Bancomaten immer die PIN-Eingabe abdecken sollte: Er positionierte sich bei Geldautomaten hinter Kunden und spähte über deren Schultern die Eingabe des PIN-Codes aus. Danach verwickelte er seine Opfer in ein Gespräch, fragte nach Wechselgeld oder lenkte sie anders ab, wobei zum Teil auch zwei Komplizen involviert waren. Dabei wurden den Opfern die soeben eingesetzten Bank- oder Kreditkarten geklaut. Mit den Karten bezogen die Täter dann selber Geld.
Einmal war der Kriminaltourist im Juni/Juli 2023 in der Schweiz unterwegs, ein zweites Mal im Februar und März 2024, jeweils für etwa drei Wochen. Es gelang ihm dabei, von zehn Opfern in Zürich, Affoltern am Albis, Basel, Birsfelden, Brugg und St. Gallen Geld zu erbeuten. Bei einem einzigen Geschädigten, der eine Tageslimite von 5000 Franken auf seiner Karte hatte, waren es allein 15 330 Franken innert vier Tagen.
Auch einfache Trick- und Taschendiebstähle werden dem Mann angelastet: Er sprach Opfer nach Wechselgeld an und stahl ihnen dann Bargeld aus dem Portemonnaie. Einer älteren Dame in Bern, die den Diebstahl bemerkte und ihm hinterherrannte, gab er die zuvor gestohlenen 300 Franken immerhin sofort wieder zurück. Einer Frau, die er in einem Tram in Basel in ein Gespräch verwickelte, stahl er ein Armband aus 18 Karat Gold im Wert von 3000 Franken vom Handgelenk.
In der Anklageschrift sind auf 17 Seiten insgesamt 15 Vorfälle mit einem Gesamtdeliktsbetrag von rund 45 000 Franken aufgeführt. Die zwei Mittäter sind identifiziert und polizeilich ausgeschrieben, aber unbekannten Aufenthalts und flüchtig.
Beute «versoffen» oder im Puff ausgegeben
In der Befragung vor dem Bezirksgericht Zürich zeigt sich der eigentlich vollumfänglich geständige Täter sichtlich erstaunt über die Höhe des Deliktsbetrags. «Ich bin selber reingelegt und beklaut worden», übersetzt die Dolmetscherin. Die Beute sei aufgeteilt worden. In der Untersuchung hatte er erklärt, mit dem Geld habe man sich amüsiert, habe es «versoffen» oder sei ins Puff und ins Kino gegangen.
Er habe aber auch Geld an die Familie nach Rumänien geschickt, sagt der verheiratete Familienvater dreier Kinder im Gerichtssaal, oder für Operationen benötigt.
Der Beschuldigte ist gesundheitlich massiv angeschlagen: Er hat im Strafvollzug mehrere Operationen hinter sich, einen künstlichen Darmausgang, leidet unter Diskushernie, mehreren Abszessen, einer Lungenkrankheit und weiteren Gebrechen. Deshalb wolle er auch in der Schweiz bleiben, weil die medizinische Qualität hier viel besser sei. In Rumänien arbeitete er als Automechaniker, bis jemand im Jahr 2013 seine Autowerkstatt in Brand gesetzt habe.
Er hat in der Schweiz bereits zwei einschlägige Vorstrafen: Nach Verbüssung von zwei Dritteln einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten wurde er 2017 schon einmal mit einem Landesverweis von 5 Jahren nach Hause geschickt. Diese 5 Jahre wartete er auch brav ab, bevor er wieder in die Schweiz kam, um erneut zu delinquieren. «Gesetz ist Gesetz», sagt er im Gerichtssaal dazu, da müsse man sich daran halten.
Dann hätte er auch nicht wieder klauen müssen, meint der vorsitzende Richter. «Ich habe eine Dummheit begangen», räumt der Beschuldigte ein. Es tue ihm alles wirklich sehr leid. «Das glauben wir Ihnen sofort», sagt der Richter trocken. Der Beschuldigte erzählt, dass sein jüngster, erst fünfjähriger Sohn ihn am Telefon immer frage, wann er endlich nach Hause komme. Da lüge er eben und sage, sein Chef lasse ihn nicht nach Hause. Er müsse so viel arbeiten.
Das Gericht verhängt höhere Strafe als gefordert
Die Staatsanwältin beantragt eine unbedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten wegen gewerbsmässigen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, mehrfachen Diebstahls und Hausfriedensbruchs. Letzteres, weil der Rumäne im Juni 2023 in einem privaten Alters- und Pflegeheim in Basel angetroffen wurde. Er habe nur auf die Toilette gemusst, weil er es nicht mehr habe halten können, rechtfertigt sich der Beschuldigte, geklaut habe er nichts.
Die Staatsanwältin fordert einen Landesverweis von 10 Jahren. Vom ersten Mal habe sich der Beschuldigte offensichtlich nicht beeindrucken lassen. Deshalb müsse der zweite Landesverweis wesentlich höher ausfallen. Der Verteidiger plädiert auf eine teilbedingte Freiheitsstrafe von ebenfalls 24 Monaten bei einer Probezeit von 4 Jahren und nur 5 Jahre Landesverweis.
Das Gericht geht schliesslich über den Antrag der Staatsanwältin hinaus und verurteilt den Beschuldigten sogar zu 33 Monaten Freiheitsstrafe, allerdings teilbedingt bei einer Probezeit von 5 Jahren für 19 Monate Freiheitsstrafe. 14 Monate muss er absitzen, 327 Tage davon sind bereits erstanden. Am 15. Mai 2025 würde er aus dem Gefängnis entlassen.
Der Beschuldigte habe 24 vollendete Missbräuche gegenüber 10 Geschädigten begangen. Es sei ein «lausiges Verhalten». Er habe sich gezielt ältere und zum Teil hilflose Opfer ausgesucht, die ihm gegenüber zum Teil auch noch Hilfsbereitschaft gezeigt hätten. Zu einem Opfer, das im Gerichtssaal anwesend ist, sagt der Richter: «Es ist imposant, dass Sie ihm nachgerannt sind, das kann aber echt in die Hose gehen.»
Zehn Jahre Landesverweis seien «voll richtig», betont der Richter und ergänzt: «Das vertrauensvolle Zusammenleben in der Schweiz wird durch Kreaturen wie Sie erheblich gestört, das wollen wir nicht.» Solche «Kerli» wie der Beschuldigte gehörten «genug lange» entfernt. Als der Richter den Beschuldigten auf die lange Probezeit von fünf Jahren aufmerksam macht, verspricht der Rumäne: «Wenn Sie mich noch einmal erwischen, können Sie mir lebenslänglich geben. Das unterschreibe ich Ihnen!»
Urteil DG240198 vom 5. 2. 2025, noch nicht rechtskräftig.