Dienstag, Oktober 8

Die Ukrainer haben ein für die Versorgung der russischen Truppen wichtiges Transportschiff zerstört. Gleichzeitig trafen sie auf einer Luftwaffenbasis mehrere Kampfjets. Die russische Flugabwehr weist immer grössere Löcher auf.

Mit dem Überraschungsangriff auf die Provinz Kursk demonstrieren die ukrainischen Truppen seit zwei Wochen, welche militärischen Schwachstellen der übermächtige Nachbar hat. Aber Kiew begnügt sich nicht mit dieser Bodenoffensive. Auch aus der Luft haben die Ukrainer in den vergangenen Tagen auffallend oft und erfolgreich zugeschlagen. Besonders schmerzhaft für das russische Militär waren zwei Angriffe am Donnerstag.

Im südrussischen Hafen Kawkas, gegenüber der besetzten Halbinsel Krim, ging am Donnerstagabend eine Fähre mit dreissig Kesselwagen in Flammen auf. Videos von Augenzeugen zeigten das Ausmass des Infernos, gegen das die Löschtrupps machtlos waren. Das 110 Meter lange Lastschiff brannte innert Stunden völlig aus.

Gefährdeter militärischer Nachschub

Mit der Zerstörung der «Conro Trader» hat die Versorgung des russischen Militärs auf der Krim einen weiteren schweren Schlag erlitten. Zu Beginn des Krieges nutzte die Armee vor allem die Eisenbahn- und Strassenbrücke über die Meerenge von Kertsch. Aber nachdem die Ukrainer diese mit zwei Angriffen im Oktober 2022 und im Juni 2023 beschädigt hatten, erliess Moskau Gewichts- und andere Beschränkungen für die Brücke. Grosse Transporte von Treibstoff erfolgten in den letzten Monaten vor allem über Lastschiffe wie die «Conro Trader». Damit wollte Russland das Risiko vermeiden, dass ein leicht entzündlicher Güterzug während der Fahrt über die Brücke getroffen und mit der Explosion das Bauwerk zerstört würde.

Die Ukrainer reagierten, indem sie auch die Fährverbindungen über die Meerenge ins Visier nahmen. Der Angriff vom Donnerstag ist der dritte grössere Vorfall seit Ende Mai. Er hat zur Folge, dass nach manchen Quellen nun das letzte für den Transport von Eisenbahn-Kesselwagen geeignete Fährschiff ausgefallen ist. Ein vor drei Monaten beschädigtes Schiff lässt sich möglicherweise noch reparieren. Vorerst dürfte Russland aber gezwungen sein, auf kleinere Schiffe auszuweichen. Ob sich daraus ernsthafte Engpässe ergeben, bleibt abzuwarten.

Sicher ist allerdings, dass der Angriff die Verletzlichkeit der russischen Versorgungsrouten zur Krim aufzeigt. Kiew dürfte auch Ersatzschiffe ins Visier nehmen und plant zweifellos weiterhin einen Schlag gegen die Brücke selber. Der jüngste Angriff soll mit einer Rakete des Typs Neptun erfolgt sein. Dabei handelt es sich um eine ukrainische Eigenentwicklung, die nach mehreren Verbesserungen nun offenkundig eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern hat. Berühmt wurde sie im ersten Kriegsjahr, als die Ukrainer damit das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, die «Moskwa», versenkten.

Laut Militärexperten kann die Ukraine die Neptun-Raketen nur in sehr kleiner Stückzahl produzieren. Sie haben aber den Vorteil, dass Kiew damit auch Ziele auf russischem Staatsgebiet angreifen kann. Obwohl dies völlig mit dem Völkerrecht konform ist, verbieten die westlichen Staaten weiterhin, dass solche Einsätze mit den von ihnen gelieferten weitreichenden Waffen erfolgen. Der Hafen Kawkas liegt knapp jenseits der international anerkannten ukrainisch-russischen Staatsgrenze.

Kamikaze-Drohnen treffen Luftwaffenbasis

Erfolgreich war am Donnerstag auch der ukrainische Angriff auf den russischen Luftwaffenstützpunkt Marinowka in der Provinz Wolgograd. Dieser liegt weit im russischen Hinterland, fast 450 Kilometer von der Front entfernt. Dabei kamen Kamikaze-Drohnen zum Einsatz – die einzige Waffe der Ukrainer, mit der sich derart grosse Distanzen überwinden lassen. Wie im Hafen Kawkas wütete auf dieser Militärbasis stundenlang ein Inferno. Satellitenbilder gaben später erste Aufschlüsse über die Schäden. Im Minimum dürften zwei Kampfflugzeuge des Typs Su-34 zerstört und mehrere weitere beschädigt worden sein.

Die Basis Marinowka ist interessant, weil dort Ende letzten Jahres erstmals Hangars zum Schutz der Flugzeuge errichtet wurden. Das ist sehr ungewöhnlich, weil die russische Luftwaffe ihre Maschinen üblicherweise in Reih und Glied unter offenem Himmel aufstellt. Die Bauten haben ihre Feuerprobe aber nur teilweise bestanden. Weil die Hangars nicht aus Beton, sondern nur aus Blech sind, hielten mehrere den Explosionen nicht stand.

Die meisten Schäden traten offenbar ein, weil die Russen gleich nebenan unvorsichtigerweise auch Munition gelagert hatten. Deren Explosion zerstörte mehrere Unterstände vollständig.

Bereits Anfang August hatten die Ukrainer auf einem südrussischen Luftwaffenstützpunkt – in Morosowsk – schwere Zerstörungen angerichtet. Sie haben ihre Langstrecken-Drohnen-Angriffe seither intensiviert. Sie nutzen dabei die Tatsache, dass die russische Flugabwehr entlang der Grenze grosse Löcher aufweist. So erreichte eine Kamikaze-Drohne am Mittwoch sogar fast den Stützpunkt Olenja nördlich des Polarkreises. Sie hatte mindestens 1800 Kilometer zurückgelegt, konnte aber im Schlussanflug abgeschossen werden.

Weitere Drohnen zerstörten nach ukrainischen Angaben vor einer Woche auf dem Stützpunkt Sawasleika östlich von Moskau drei Flugzeuge. Diese Woche wurde auch die Hauptstadt selber angeflogen, aber offenbar erfolglos. Laut dem ukrainischen Militärgeheimdienst war das Ziel unter anderem eine wichtige Abhöranlage am Rande von Moskau. Präsident Selenski hat sich kürzlich positiv über die Leistungen der ukrainischen Drohnen-Truppen geäussert. Aber es gebe Aufgaben, die Drohnen leider allein nicht erfüllen könnten – die Ukraine brauche dafür westliche Raketen.

Bemerkenswert ist ferner, dass ein von ukrainischen Drohnen am Wochenende getroffenes strategisches Treibstoff-Lager in der südrussischen Provinz Rostow sechs Tage später noch immer in Flammen steht. Die Anlage umfasst 74 Tanks für Diesel, Kerosin und weitere Erdölprodukte. Nach offiziellen Angaben sind 500 Feuerwehrleute im Einsatz. Sie konnten nicht verhindern, dass sich der Brand nach dem Angriff auf immer neue Tanks ausbreitete.

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