Donnerstag, Dezember 26

Die NZZ berichtete im Januar über das Handelsgeschäft eines Schweizer Unternehmens mit vermutlich gestohlenem Getreide aus der Ukraine. Laut einer Nichtregierungsorganisation soll das kein Einzelfall gewesen sein.

Seit der russischen Grossinvasion der Ukraine im Februar 2022 reissen die Vorwürfe nicht ab, dass Russland in den besetzten Gebieten der Ukraine Getreide konfisziert und auf dem Weltmarkt verkauft. Russland hat über die Zeit ein Netz an Exportfirmen und Frachtern aufgebaut, um die Herkunft von exportiertem Getreide zu verschleiern und so die Überprüfung der Legalität zu erschweren. Während der Handel mit geplünderten Gütern verboten ist, unterliegt der Export russischer Agrarprodukte keinen internationalen Sanktionen.

«Schweizer Gesetze eingehalten»

Die NZZ hat den Fall des Schiffes «San Cosmas» aufgezeigt, das vermutlich im Hafen von Sewastopol auf der Krim mit Weizen beladen wurde, der aus den russisch besetzten Gebieten der Ukraine stammte. In den Frachtpapieren wird Russland als Ursprungsland angegeben, als Verladeort der Hafen Kawkas auf Taman. Die Halbinsel ist international anerkanntes russisches Staatsgebiet, während die Krim 2014 von Russland annektiert wurde. Die «San Cosmas» hatte allerdings ihr Ortungsgerät in der Nähe des Hafens Kawkas für eine Woche ausgeschaltet, so dass die Fahrt zur Krim nicht auftaucht. Satellitenbilder belegen jedoch, dass der Frachter in Sewastopol anlegte.

Der Weizen landete schliesslich im türkischen Hafen Iskenderun, Käufer war die Schweizer Handelsgesellschaft Vivalon. Das Unternehmen mit Sitz in Zug gibt an, nichts vom ursprünglichen Herkunftsort des Getreides gewusst zu haben. Vivalon beteuert, die Schweizer Gesetze und Vorschriften eingehalten zu haben. Dazu gehören auch Sorgfaltspflichten zur Prüfung der Geschäftspartner. Aus den Vivalon von seinen Handelspartnern vorgelegten Dokumenten sei hervorgegangen, dass die Ladung russischen Ursprungs gewesen sei, sagt das Unternehmen.

Laut NGO kein Einzelfall

Laut einer Untersuchung der Nichtregierungsorganisation Public Eye soll das Geschäft mit der «San Cosmas» kein Einzelfall gewesen sein. Im September 2023 hat Vivalon laut Public Eye noch weitere Getreidelieferungen abgeschlossen, bei denen Weizen aus der Schwarzmeerregion gekauft wurde und das russische Staatsunternehmen GSO mit Sitz in der besetzten Ukraine als Verfrachter involviert war. Als Exporteur wird jedoch ein anderes Unternehmen erwähnt.

GSO unterliegt amerikanischen und britischen Sanktionen. Das Staatsunternehmen spielte bereits eine Rolle bei der Transaktion mit der «San Cosmas». Bei den Lieferungen im September wird ebenso der Hafen Kawkas als Verladeort aufgeführt. Public Eye bezieht sich bei den Angaben auf die Datenbank Globalwits, die Informationen zu internationalen Handelsgeschäften zur Verfügung stellt.

Vivalon schreibt in einer Stellungnahme, dass, soweit dem Unternehmen bekannt, noch nie Geschäfte mit GSO gemacht worden seien. Laut Dokumenten sei keine Firma unter Sanktionen involviert gewesen. Zudem habe das Unternehmen die Beladung des Schiffes überwacht und könne bestätigen, dass die Ware im Hafen von Kawkas, also auf international anerkanntem russischem Territorium, auf das Schiff geladen worden sei.

Das Schweizer Unternehmen legt ausserdem eine Liste aller Transaktionen mit russischen Getreidelieferungen für September und Oktober 2023 vor. Eine Ladung, die laut Dokumenten von Public Eye auf Ende Oktober datiert wird, ist darin jedoch nicht enthalten.

Ausbau der Compliance-Abteilung

Aufgrund des Berichts in der NZZ hat Vivalon eine interne Untersuchung durchgeführt und eine Schweizer Anwaltskanzlei mit einer externen rechtlichen Beurteilung beauftragt. Bezogen auf die Transaktion mit dem Schiff «San Cosmas» kommt der interne Bericht zum Schluss, dass «Analysen unsererseits in Verbindung mit den Informationen, die wir aus dem NZZ-Artikel gewonnen haben, zeigen, dass die Möglichkeit besteht, wenn auch nicht zu 100 Prozent, dass die Ware gestohlen wurde».

Das Unternehmen räumt vor allem ein, die umstrittene Geschichte des Frachters übersehen zu haben. Die «San Cosmas» ist erst vor kurzem umbenannt worden. Früher hiess der Frachter «Laodicea» und fuhr unter syrischer Flagge. Seit 2015 steht das Schiff auf der Sanktionsliste der USA. Dieses Versäumnis habe das Unternehmen möglichen Rechts- und Reputationsrisiken ausgesetzt und unterstreiche die Notwendigkeit eines umfassenderen und gründlicheren Ansatzes bei Sanktionsprüfungen und der Sorgfaltspflicht, schreibt Vivalon im Untersuchungsbericht.

Spätestens bis zum 2. Quartal dieses Jahres will das Unternehmen erweiterte Überwachungsinstrumente einsetzen. In einem weiteren Schritt soll ein Compliance-Verantwortlicher ernannt werden, der sich mit der Überprüfung von Gegenparteien und von Dokumenten beschäftigen wird. Das Unternehmen verweist auch darauf, dass es trotz seiner Bedeutung in der Türkei als wichtigster Getreideimporteur des Landes im Vergleich mit den grösseren Rohstoffhändlern hierfür nur begrenzte Ressourcen habe.

Transithandel nicht von Sanktionen betroffen

Unter Schweizer Sanktionsbestimmungen wird nur die Einfuhr geplünderter Rohstoffe in die Schweiz geahndet. Der sogenannte Transithandel ist jedoch nicht unmittelbar betroffen. Bei diesen Geschäften ist zwar ein Schweizer Unternehmen der Händler, die Ware betritt aber nicht Schweizer Boden. Für die meisten Schweizer Rohstoffhändler machen Transitgeschäfte den Grossteil ihrer Tätigkeit aus. Sorgfaltspflichten müssen aber in jedem Fall eingehalten werden. Zudem drohen Reputationsschäden, wenn Nachlässigkeit oder gar Verstösse öffentlich werden.

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