Samstag, Februar 22

Das Bundesgericht heisst eine Beschwerde gegen die Eidgenössische Steuerverwaltung gut. Der Fall betraf eine russische Firma, die Verbindungen zur Ukraine hatte.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die Schweiz die Rechtshilfe mit Russland sistiert. Hunderte Millionen Franken bleiben deshalb auf hiesigen Konten vorläufig gesperrt. Nun musste sich das Bundesgericht mit der Frage befassen, was mit der Amtshilfe in Steuersachen im Falle Russlands geschieht.

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Die russischen Behörden ersuchten im Herbst 2018 die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) um Amtshilfe. Grundlage dafür war das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Russland von 1995. Der Fall betraf eine russische Firma, deren Berechtigte teilweise Verbindungen zur Ukraine hatten. Die Firma habe Dividenden an zypriotische Firmen auf drei Konten einer Bank in der Schweiz überwiesen und eine Quellensteuer von 5 Prozent erhoben. Nach dem Verdacht der russischen Behörden waren die zypriotischen Gesellschaften jedoch nicht die tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten an diesen Dividenden. Deshalb ersuchten sie die EStV um Auskünfte über die fraglichen Bankkonten.

Die EStV gewährte die Amtshilfe 2019, was am 21. Februar 2022 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde. Die betroffenen Gesellschaften und eine Privatperson erhoben dagegen Rekurs beim Bundesgericht. Dieses sistierte das Verfahren angesichts der Massnahmen und Sanktionen, die wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine erlassen wurden. Weil es keine konkreten Anzeichen gab, dass sich die Situation in absehbarer Zeit wieder ändern würde, nahm das Gericht das Verfahren im November 2023 wieder auf und hiess die Beschwerde im jetzt veröffentlichten Entscheid gut.

Ungenügende Garantien nach russischem Angriff

Ausschlaggebend waren folgende Überlegungen: Die im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Russland enthaltene Bestimmung über den Informationsaustausch erlaubt es dem ersuchten Staat, die Übermittlung von Informationen zu verweigern, wenn dies gegen den sogenannten Ordre public und den Grundsatz der Spezialität verstiesse. Es ist daher gerechtfertigt, eine Amtshilfe zu verweigern, wenn eine ernsthafte Gefahr von grundlegenden Verletzungen der Menschenrechte oder rechtsstaatlicher Garantien besteht.

Im konkreten Fall war laut dem Bundesgericht zu beachten, dass Russland seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 nicht mehr Mitglied des Europarates oder Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention ist. Zudem wurde die Mitgliedschaft im Uno-Menschenrechtsrat ausgesetzt. Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass Russland seine Gesetze zur Bekämpfung von Terrorismus oder Extremismus dazu nutze, um die Menschenrechte im Land einzuschränken. Die Richter in Lausanne sahen keine ausreichenden Garantien, um das Amtshilfeersuchen gutzuheissen, zumal es um die Übermittlung von Informationen ging, die teilweise ukrainische Bürger betreffen.

Eine Hintertür für die russischen Behörden

Im Fall der Rechtshilfe in Strafsachen hatte das Bundesgericht insofern anders entschieden, als es in zwei Fällen russische Gesuche nicht ablehnte, sondern bloss die Sistierung aufrechterhielt. Die Vermögenssperren – es geht in diesen und ähnlichen Fällen um mehrere hundert Millionen Franken – wurden aber aufrechterhalten. Das Bundesstrafgericht hatte zuvor die russischen Gesuche ablehnen und die gesperrten Gelder freigeben wollen. Die massgebenden Rechtshilfeabkommen mit Russland seien weiterhin gültig und die Schweiz sei grundsätzlich weiterhin verpflichtet, Rechtshilfe zu leisten, argumentierte demgegenüber das Bundesgericht. Eine rechtmässig angeordnete Beschlagnahme müsse deshalb während der Sistierung der Rechtshilfe aufrechterhalten werden.

Eine Wiederaufnahme der Rechtshilfe ist demnach im Fall einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland möglich. Eine Hintertüre gibt es grundsätzlich auch bei der Amtshilfe: Weil die im Bereich der Amtshilfe ergangenen Urteile keine materielle Rechtskraft aufwiesen, hindere die Verweigerung der Amtshilfe Russland nicht daran, zu einem späteren Zeitpunkt ein erneutes Ersuchen zu stellen, welches in Bezug auf die dannzumalige Situation zu prüfen sein werde, schreibt das Bundesgericht.

Entscheid 2C_219/2022 des Bundesgerichts vom 30. 1. 2025.

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