Bei einem Besuch in Tschad stichelt Lawrow gegen den angeblich neokolonial auftretenden Westen.
Russlands Aussenminister Sergei Lawrow hat in den vergangenen Tagen eine diplomatische Blitztour durch vier afrikanische Länder unternommen. Es war Lawrows sechster Besuch auf dem Kontinent in den letzten beiden Jahren. Russland bemüht sich stark um afrikanische Verbündete und hat in letzter Zeit an Boden gegenüber dem Westen gewonnen. Lawrow traf auf seiner Reise zwei Putschführer (in Guinea und Burkina Faso), einen seit 1997 regierenden Autokraten (in Kongo-Brazzaville) und einen einst treuen Partner des Westens, der zunehmend russlandfreundliche Signale sendet (Tschad).
Lawrows Stopp in Tschad wurde international am engsten beobachtet. Die dortige Regierung ist der letzte Verbündete des Westens im Sahel – wo sich mehrere Putschregierungen von Frankreich und anderen westlichen Partnern losgesagt haben und Russlands Hilfe beanspruchen.
In Tschad sind noch rund tausend französische Soldaten stationiert. Doch Mahamat Déby, der junge Präsident, der im Mai eine Wahl gewonnen hat, bei der die Opposition massiv behindert wurde, hat in den vergangenen Monaten Befürchtungen aufkommen lassen, er könnte sich ebenfalls Russland zuwenden. Er reiste im Januar nach Moskau, wo er von Wladimir Putin mit viel Pomp empfangen wurde. Kurz vor der Wahl im Mai wies Débys Regierung rund sechzig amerikanische Soldaten aus dem Land. Seither gibt es Gerüchte, Tschad könnte wie andere Länder in der Region russische Militärs ins Land holen.
«Entweder ihr seid mit uns, oder ihr seid gegen uns»
Viel Konkretes wurde nach den Gesprächen zwischen Lawrow und Déby am Mittwoch nicht bekannt. Das russische Aussenministerium teilte mit, man wolle die Zusammenarbeit unter anderem in den Bereichen Handel, Bildung und Bergbau verstärken. Tschad interessiere sich dafür, russisches Militärgerät anzuschaffen.
Bei einer Pressekonferenz stichelte Lawrow gegen Frankreich. «Unsere Freundschaft mit der Republik Tschad wird die Beziehungen Tschads zu Frankreich nicht beeinflussen», sagte er. «Frankreich aber hat eine andere Haltung: Entweder ihr seid mit uns, oder ihr seid gegen uns.» Die Erzählung, Russland begegne afrikanischen Ländern auf Augenhöhe und lasse sie ihre Partner frei wählen, während der Westen auf neokoloniale Weise bevormunde, ist zentral in der russischen Afrika-Politik.
Für Russland, das vor allem im französischsprachigen Afrika Geländegewinne verzeichnet, wäre eine Allianz mit Tschad ein diplomatischer Coup. Tschad war während Jahrzehnten eine Säule von «Françafrique», Frankreichs postkolonialem System von politischen und wirtschaftlichen Allianzen in Afrika. Entsprechend besorgt ist man in Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gehörte – wie Wladimir Putin – zu den ersten Gratulanten von Mahamat Déby, nachdem dieser die Wahl gewonnen hatte, die von internationalen Beobachtern und Organisationen als weder frei noch fair beschrieben wurde.
Ungarns rätselhafte Mission
Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sich Tschad komplett an Russland anlehnen wird. Eher diversifiziert Débys Regierung ihre Partnerschaften, im Wissen darum, dass die Allianz mit Frankreich in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt ist. Tschad ist unlängst auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und mit Ungarn Sicherheitspartnerschaften eingegangen. Ungarn sollte bis zu 200 Soldaten schicken für eine Mission, über deren Zweck viele Beobachter rätseln.
In Tschads Sicherheits-Establishment finden sich sowohl pro- als auch antiwestliche Kräfte. Die Regierung ist auch in einer weniger verzweifelten Lage als die anderen Sahelstaaten, in denen jihadistische Rebellen riesige Landstriche dem staatlichen Zugriff entrissen haben.
Konkretere Ergebnisse als in Tschad verkündete Lawrow in Burkina Faso – dem Land, in dem die Sicherheitskrise besonders dramatisch ist. Lawrow gab bekannt, Russland werde zusätzliches Militärgerät und Personal nach Ouagadougou schicken, um die dortige Regierung im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen. Burkina Faso war im Januar das erste Land, in dem Soldaten von Russlands neuem Afrika-Korps landeten. Dieses soll die Gruppe Wagner ersetzen, die in den vergangenen Jahren Russlands Speerspitze in Afrika gewesen war. Burkina Faso, wo eine seit 2022 regierende Junta immer autoritärer auftritt, ist zu einem der engsten Verbündeten Russlands in Afrika geworden.